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BFH-Beschluß vom 2.5.1983 (VIII B 111/82) BStBl. 1983 II S. 504

1. Gegen den Beschluß, durch den Prozeßkostenhilfe bewilligt wird, ist die Beschwerde zulässig, wenn die Beiordnung eines weiteren Prozeßbevollmächtigten begehrt wird.

2. Es ist nicht geboten, einen Rechtsanwalt, der den Steuerpflichtigen in einem Strafverfahren vertreten hat, als weiteren Prozeßbevollmächtigten beizuordnen, wenn für das Verfahren vor dem FG bereits ein Steuerberater beigeordnet worden ist.

FGO § 142; ZPO §§ 121, 127.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) betrieb in den Streitjahren ein eigenes Fuhrgeschäft in A. Außerdem war er an der B-KG beteiligt, die durch den Tod des Mitgesellschafters C im April 1969 aufgelöst und vom Antragsteller als Gesamtrechtsnachfolger fortgeführt wurde.

Der Verpflichtung zur Abgabe von Steuererklärungen ist der Antragsteller für die Streitjahre nicht nachgekommen.

Nach einer Betriebsprüfung, in die auch die Steuerfahndungsstelle D eingeschaltet war, setzte der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) die Einkommensteuer durch Einkommensteueränderungsbescheide 1969 bis 1971 und durch erstmalige Einkommensteuerbescheide 1972 bis 1974 wie folgt fest:

1969

23.394 DM

1970

61.668 DM

1971

0 DM

1972

0 DM

1973

0 DM

1974

370.104 DM

Außerdem änderte das FA den Einkommensteuerbescheid 1968 aufgrund von Feststellungen, die im Rahmen der bei der B-KG durchgeführten Betriebsprüfung getroffen waren.

Die Umsatzsteuer wurde durch Umsatzsteueränderungsbescheide 1969 und 1970, durch erstmalige Umsatzsteuerbescheide 1972 bis 1974 und durch einen Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid 1975 wie folgt festgesetzt:

1969

4.035,75 DM

1970

41.454,00 DM

1972

26.511,60 DM

1973

10.571,80 DM

1974

12.483,55 DM

1975

8.676,80 DM

Der Einspruch gegen diese Bescheide blieb erfolglos. Über die Klage hat das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden.

Mit Schreiben vom 13. Mai 1982 beantragte der Antragsteller beim FG Prozeßkostenhilfe und Beiordnung eines Rechtsanwalts, ohne einen bestimmten Rechtsanwalt oder Steuerberater zu benennen. In späteren Schreiben wiederholte er diese Anträge. In den Schreiben vom 2. Juni und 7. Juni 1982 fragte der Antragsteller beim FG an, welchen Rechtsanwalt das FG mit seiner Vertretung beauftragt habe. Das FG bat den Antragsteller mit Schreiben vom 18. August 1982 um Mitteilung, welcher Rechtsanwalt oder Steuerberater dem Antragsteller im Fall der Gewährung von Prozeßkostenhilfe als Prozeßbevollmächtigter beigeordnet werden soll. Eine Antwort auf diese Anfrage ist beim FG nicht eingegangen.

Mit Beschluß vom 9. September 1982 bewilligte das FG dem Antragsteller Prozeßkostenhilfe für das Klageverfahren, soweit es sich nicht auf die Einkommensteuer 1971 bis 1973 bezieht, und ordnete den Steuerberater E als Prozeßbevollmächtigten bei.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die Beschwerde. Der Antragsteller führt aus, er sei wegen Steuerverkürzung in den Streitjahren vom Amtsgericht A rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 13.750 DM verurteilt worden. Das Amtsgericht sei dabei zu Unrecht davon ausgegangen, daß die verkürzten Steuern rechtskräftig festgestellt worden seien. Die Klage vor dem FG eröffne die nicht aussichtslose Möglichkeit der Wiederaufnahme des Strafverfahrens. Es sei daher geboten, daß ihn Rechtsanwalt F, der sein Verteidiger sei, in dem Verfahren vor dem FG zusammen mit Steuerberater E unterstütze.

Der Antragsteller beantragt, ihm Rechtsanwalt F als zweiten Interessenvertreter für das Verfahren vor dem FG beizuordnen.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

1. Die Beschwerde ist zulässig.

Nach § 127 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) i. V. M. § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Bewilligung der Prozeßkostenhilfe unanfechtbar. Im übrigen findet die Beschwerde statt, es sei denn, daß das Berufungsgericht die Entscheidung getroffen hat. Die weitere Beschwerde ist ausgeschlossen (§ 127 Abs. 2 Sätze 2 und 3 ZPO).

Zur Auslegung des § 127 Abs. 2 ZPO bestehen unterschiedliche Auffassungen.

Nach der Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes über die Prozeßkostenhilfe (BT-Drucks. 8/3068, 32) soll durch die Regelung in § 127 Abs. 2 ZPO der Beschluß, durch den die Prozeßkostenhilfe bewilligt wird, wie die Armenrechtsbewilligung unanfechtbar bleiben. Die übrigen im Verfahren über die Prozeßkostenhilfe möglichen Entscheidungen (z. B. Verweigerung der Prozeßkostenhilfe, Aufhebung der Bewilligung, Festsetzung von Monatsraten, vorläufige Begrenzung der Zahl der Monatsraten, Beiordnung eines Rechtsanwalts, Ablehnung der Beiordnung) sollen mit dem Rechtsmittel der Beschwerde anfechtbar sein, soweit die Partei oder ein Dritter beschwert ist.

Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann (Zivilprozeßordnung, 41. Aufl., § 121 Anm. 2 C, § 127 Anm. 7) ist der Ansicht, daß sowohl die Ablehnung der Beiordnung als auch die Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten mit der Beschwerde angefochten werden kann. Demgegenüber hat das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf (Beschluß vom 3. März 1982 2 WF 7/82, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 1982, 723) entschieden, daß durch § 127 Abs. 2 ZPO die Beschwerde im Fall der Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten allgemein, mindest aber dann ausgeschlossen ist, wenn die Beschwerde durch den Bezirksrevisor eingelegt ist.

Der Senat kann dahinstehen lassen, ob die Beschwerde im Fall der Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten immer gegeben ist. Die Beschwerde ist nach Auffassung des Senats durch § 127 Abs. 2 ZPO aber dann nicht ausgeschlossen, wenn nach Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten die Beiordnung eines weiteren Prozeßbevollmächtigten begehrt wird, denn unter diesen Voraussetzungen ist die Prozeßkostenhilfe nicht uneingeschränkt bewilligt worden.

2. Die Beschwerde ist unbegründet.

a) Nach § 142 FGO i. V. m. § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozeßkostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Soweit sich die Klage gegen die Einkommensteuerbescheide 1971 bis 1973 richtet, bietet die Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, denn die Einkommensteuerschuld ist für diese Jahre auf null DM festgesetzt worden. Prozeßkostenhilfe kann insoweit, wie das FG mit Recht festgestellt hat, nicht gewährt werden.

b) Der Antrag auf Beiordnung eines weiteren Prozeßbevollmächtigten, der den Antragsteller in einem Strafverfahren vertreten hat, bleibt erfolglos.

Nach § 121 Abs. 2 ZPO wird der Partei für Rechtsstreitigkeiten, in denen eine Vertretung durch Anwälte nicht vorgeschrieben ist, ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl beigeordnet, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner durch einen Rechtsanwalt vertreten ist. Diesem Erfordernis ist durch die Beiordnung von Steuerberater E als Prozeßbevollmächtigten Genüge getan.

Die Beiordnung eines zweiten Prozeßbevollmächtigten im Prozeßkostenhilfeverfahren sieht das Gesetz grundsätzlich nicht vor. Ausnahmsweise kann der Partei nach § 121 Abs. 3 ZPO zusätzlich ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl zur Wahrnehmung eines Termins zur Beweisaufnahme vor dem ersuchten Richter oder zur Vermittlung des Verkehrs mit dem Prozeßbevollmächtigten beigeordnet werden (vgl. dazu Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 7. Juni 1982 VIII ZR 118/80, Wertpapier-Mitteilungen 1982, 881; Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, a. a. O., § 121 Anm. 4; Thomas/Putzo, ZPO, Zivilprozeßordnung mit Nebengesetzen, 12. Aufl., § 121 Anm. 4). Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor, da weder ein auswärtiger Beweistermin ansteht noch die Beiordnung eines Verkehrsanwalts notwendig ist, um den Verkehr mit Steuerberater E abzuwickeln.

Die Regelung der Gewährung von Prozeßkostenhilfe entspricht der Kostentragungspflicht ohne Gewährung von Prozeßkostenhilfe. § 91 ZPO, der bestimmt, daß die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten hat, begründet grundsätzlich keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten eines zweiten Prozeßbevollmächtigten (vgl. Zöller/Schneider, Zivilprozeßordnung, 13. Aufl., § 91 Anm. V, Stichwort: Mehrere Anwälte; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a. a. O., § 91 Anm. 5; Thomas/Putzo, a. a. O., § 91 Anm. 3c, jeweils mit weiteren Nachweisen).

Dem Antrag auf Beiordnung eines zweiten Prozeßbevollmächtigten ist auch nicht deshalb zu entsprechen, weil die Auswahl des Prozeßbevollmächtigten E entsprechend § 121 Abs. 4 ZPO durch das FG erfolgt ist. Die Maßnahme des Gerichts war geboten. Der Antragsteller hatte in seinem Antrag auf Prozeßkostenhilfe keinen bestimmten Prozeßbevollmächtigten benannt. Die Anfrage des FG, welcher Rechtsanwalt oder Steuerberater ihm im Fall der Gewährung von Prozeßkostenhilfe als Prozeßbevollmächtigter beigeordnet werden soll, hat der Antragsteller unbeantwortet gelassen.