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BFH-Urteil vom 21.4.1983 (IV R 60/80) BStBl. 1983 II S. 529

1. Die Finanzbehörden überschreiten das ihnen in § 3 ZRFG eingeräumte Ermessen nicht dadurch, daß sie Sonderabschreibungen für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nur dann gewähren, wenn diese Wirtschaftsgüter mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung in einer im Zonenrandgebiet belegenen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen verbleiben.

2. Wird ein solches Wirtschaftsgut vor Ablauf des Dreijahreszeitraums veräußert, so brauchen die Sonderabschreibungen selbst dann nicht gewährt zu werden, wenn der Erwerber seinerseits das Wirtschaftsgut in einer im Zonenrandgebiet belegenen Betriebsstätte weiter wie bisher verwendet.

ZRFG § 3.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine KG. Sie wurde im Jahre 1969 von A und B gegründet. Die Klägerin betrieb ein Bauunternehmen. Dieses Unternehmen wurde im Ganzen zum 1. Januar 1973 veräußert. Die Klägerin besteht seither in der Rechtsform einer KG i. L.

Mit der Einreichung der Bilanz zum 31. Dezember 1971 beantragte die Klägerin die Gewährung von Sonderabschreibungen nach § 3 des Zonenrandförderungsgesetzes (ZRFG) vom 5. August 1971 (BGBl I, 1237, BStBl I, 370) in Höhe von 62.972,43 DM auf Baumaschinen, die sie im Jahre 1971 angeschafft hatte.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte den Antrag mit Bescheid vom 6. März 1974 ab. Zur Begründung führte das FA aus, die Bewilligung von Sonderabschreibungen nach dem ZRFG setze voraus, daß die erworbenen Wirtschaftsgüter mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung in einer gewerblichen Betriebsstätte im Zonenrandgebiet verbleiben (Schreiben des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen - BMWF - vom 18. August 1971 F/IV B 2 - S 1915 - 73/71, BStBl I 1971, 386). Die Betriebsstätte der Klägerin sei jedoch schon zum 31. Dezember 1972, also vor Ablauf des Dreijahreszeitraums, veräußert worden.

Beschwerde und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung aus, die Gewährung von steuerlichen Vergünstigungen nach dem ZRFG stehe im Ermessen der Finanzbehörden. Nach den zur Sicherstellung einer einheitlichen Ermessensausübung aufgestellten Richtlinien des BMWF könne die Sonderabschreibung auf bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nicht gewährt werden, wenn diese Wirtschaftsgüter vor Ablauf des Dreijahreszeitraums veräußert werden; das gelte auch dann, wenn die Veräußerung im Rahmen einer Betriebsveräußerung erfolge. Diese Regelung lasse einen Fehlgebrauch des Ermessens nicht erkennen. - Zum finanzgerichtlichen Verfahren war der Kommanditist der Klägerin - B - (im folgenden: Beteiligter) beigeladen worden.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Nach ihrer Auffassung steht es der Gewährung von Sonderabschreibungen nach § 3 ZRFG nicht entgegen, daß Wirtschaftsgüter innerhalb des Dreijahreszeitraums an einen anderen Steuerpflichtigen veräußert werden, wenn dieser sie weiter in einer Betriebsstätte im Zonenrandgebiet nutzt. In diesem Sinne habe der Bundesfinanzhof - BFH - (Urteil vom 8. Oktober 1976 III R 162/73, BFHE 120, 438, BStBl II 1977, 168) auch zur Gewährung von Investitionszulagen im Zonenrandgebiet entschieden. - Die Klägerin rügt ferner, daß das FG einen Zeugen nicht vernommen habe, obwohl sie dies beantragt habe. Dieser Zeuge hätte als Prokurist der Betriebserwerberin bezeugen können, daß sämtliche Baugeräte mindestens drei Jahre in der Betriebsstätte im Zonenrandgebiet genutzt worden seien.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Der Beteiligte B beantragt ebenfalls, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat zu Recht entschieden, daß es keinen Ermessensverstoß bedeutet, der Klägerin die von ihr beantragte Sonderabschreibung nach § 3 ZRFG zu versagen.

1. Nach § 3 Abs. 1 ZRFG kann bei Steuerpflichtigen, die in einer gewerblichen Betriebsstätte im Zonenrandgebiet Investitionen vornehmen, im Hinblick auf die wirtschaftlichen Nachteile, die sich aus den besonderen Verhältnissen dieses Gebiets ergeben, auf Antrag zugelassen werden, daß bei den Steuern vom Einkommen einzelne Besteuerungsgrundlagen, soweit sie die Steuern mindern, schon zu einem früheren Zeitpunkt berücksichtigt werden; insbesondere dürfen unter bestimmten Voraussetzungen bei Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens Sonderabschreibungen gewährt werden (§ 3 Abs. 2 Satz 1 ZRFG).

Entscheidungen der Finanzbehörden über die Gewährung von Sonderabschreibungen nach § 3 ZRFG sind Ermessensentscheidungen. Die Vorschrift des § 3 ZRFG enthält einen Ermessensrahmen, innerhalb dessen die Finanzbehörden die Gewährung von Sonderabschreibungen auch von Voraussetzungen abhängig machen können, die im Gesetz selbst nicht genannt werden, sofern sich dies als sachgerechte Ermessensausübung darstellt (vgl. BFH-Urteile vom 24. Juli 1980 IV R 117/77, BFHE 131, 356, BStBl II 1980, 762, und vom 28. Oktober 1981 I R 156/78, BFHE 134, 335, BStBl II 1982, 88).

2. Soweit die Behörden ermächtigt sind, nach ihrem Ermessen zu entscheiden, ist im finanzgerichtlichen Verfahren zu prüfen, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist (§ 102 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Hierbei sind auch die Verwaltungsrichtlinien, die die obersten Finanzbehörden zur einheitlichen Handhabung des Ermessens erlassen haben, auf das Vorliegen eines etwaigen Ermessensfehlgebrauchs zu überprüfen.

3. Die zur Anwendung des § 3 ZRFG ergangenen Verwaltungsvorschriften (Schreiben des BMWF vom 18. August 1971 F/IV B 2 - S 1915 - 73/71, BStBl I 1971, 386) sehen - soweit hier einschlägig - in Abschn. I Nr. 2 Abs. 1 Nr. 1 folgendes vor:

"Sonderabschreibungen kommen in Betracht

1. für neue abnutzbare bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens, die mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung in einer im Zonenrandgebiet belegenen Betriebstätte des Steuerpflichtigen verbleiben,

2. ...".

Diese richtlinienmäßige Begrenzung der Sonderabschreibungen für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ist mit den Förderungszielen des ZRFG vereinbar und daher sachgerecht. Insbesondere ist die in den Richtlinien geforderte Voraussetzung eines mindestens dreijährigen Verbleibs der Wirtschaftsgüter in einer im Zonenrandgebiet belegenen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen nicht sachfremd.

a) Die Gewährung von Steuervergünstigungen nach dem ZRFG verfolgt den Zweck, die Wirtschaftskraft des Zonenrandgebiets dauerhaft zu stärken. Dieses Ziel läßt sich im allgemeinen durch die Anschaffung oder Herstellung von beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens nur dann erreichen, wenn diese Wirtschaftsgüter längere Zeit in einer Betriebsstätte im Zonenrandgebiet genutzt werden. Es erscheint deshalb sinnvoll, die Gewährung von Sonderabschreibungen für solche Wirtschaftsgüter von ihrer zeitlichen und räumlichen Bindung an das Zonenrandgebiet abhängig zu machen.

Das Erfordernis eines dreijährigen Verbleibs, das die Richtlinien im Schreiben des BMWF vom 18. August 1971 als Voraussetzung für die Sonderabschreibungen vorsieht, ist gesetzlichen Regelungen nachgebildet, die ebenfalls die Investitionsförderung zum Ziel haben. Solche gesetzlichen Regelungen finden sich z. B. in den Gesetzen zur Förderung der Berliner Wirtschaft - BerlinFG - (vgl. § 14 Abs. 2 Nr. 1 und § 19 Abs. 2 BerlinFG in der derzeit geltenden Fassung vom 23. Februar 1982, BGBl I, 225, BStBl I 325), in den Investitionszulagegesetzen - InvZulG - (vgl. § 1 Abs. 3 Nr. 1 InvZulG 1982, BGBl I, 646, BStBl I, 563), in § 32 Abs. 3 Nr. 1 des Gesetzes zur Anpassung und Gesundung des deutschen Steinkohlenbergbaus und der Steinkohlenbergbaugebiete - KoG - vom 15. Mai 1968 (BGBl I, 365, BStBl I, 939) und in § 3 Abs. 1 Satz 4 des Entwicklungsländer-Steuergesetzes (EntwLStG) i. d. F. vom 21. Mai 1979 (BGBl I, 564, BStBl I, 295).

b) Bei den erwähnten gesetzlichen Regelungen gibt es allerdings Unterschiede insofern, als einige dieser Vorschriften einen dreijährigen Verbleib des Wirtschaftsguts in einer im Förderungsgebiet belegenen Betriebsstätte oder in der Betriebsstätte genügen lassen (§ 14 BerlinFG; §§ 1, 3 Abs. 5 InvZulG 1969; § 32 KoG), während andere den dreijährigen Verbleib in einer im Förderungsgebiet belegenen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen voraussetzen (§ 1 Abs. 3 InvZulG 1982).

So genügt es nach der Rechtsprechung des BFH zu § 14 BerlinFG (bzw. des insoweit in seinen Voraussetzungen mit § 14 BerlinFG übereinstimmenden § 14 des Berlinhilfegesetzes - BHG - i. d. F. vom 25. März 1959, BStBl I 1959, 195), daß das Wirtschaftsgut mindestens drei Jahre in irgendeiner Berliner Betriebsstätte verbleibt (Urteil vom 18. Februar 1965 IV 13/63 U, BFHE 82, 322, BStBl III 1965, 362); es ist demnach für die Gewährung dieser Steuervergünstigung unschädlich, wenn das Wirtschaftsgut von seinem Ersterwerber (oder Hersteller) innerhalb des Dreijahreszeitraums veräußert und aus seiner Betriebsstätte entfernt wird, sofern es nur in eine andere Berliner Betriebsstätte übergeht (vgl. auch BFH-Urteil vom 21. August 1974 I R 245/72, BFHE 114, 136, BStBl II 1975, 102). In einem ähnlichen Sinne hat der BFH auch zu §§ 1, 3 Abs. 5 InvZulG 1969 entschieden. Hiernach ist die Veräußerung einer Betriebsstätte mit derartigen Wirtschaftsgütern vor Ablauf des Dreijahreszeitraums dann unschädlich für die Gewährung der Investitionszulage, wenn der Erwerber sie unverändert als selbständige Betriebsstätte fortführt (Urteil in BFHE 120, 438, BStBl II 1977, 168).

Dagegen bedeutet das in einzelnen gesetzlichen Regelungen enthaltene Erfordernis eines dreijährigen Verbleibs des Wirtschaftsguts in einer im Förderungsgebiet belegenen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen, daß eine Veräußerung des Wirtschaftsguts vor Ablauf der Dreijahresfrist in jedem Fall schädlich ist, selbst wenn der Erwerber seinerseits das Wirtschaftsgut in einer im Förderungsgebiet belegenen Betriebsstätte weiter wie bisher verwendet (Blümich-Falk-Ülner, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 11. Aufl., Rdnr. 72 zu § 1 InvZulG; Söffing in Eberstein, Handbuch der regionalen Wirtschaftsförderung, Die Investitionszulagen nach dem Investitionszulagengesetz, B II S. 23 f).

c) Auch nach dem Schreiben des BMWF vom 18. August 1971 wird für die Gewährung von Sonderabschreibungen vorausgesetzt, daß die betreffenden Wirtschaftsgüter "mindestens drei Jahre nach ihrer Anschaffung oder Herstellung in einer im Zonenrandgebiet belegenen Betriebsstätte des Steuerpflichtigen verbleiben".

Diese Einengung der Sonderabschreibungen nach § 3 ZRFG kann nicht als Ermessensfehlgebrauch angesehen werden. Es lassen sich vielmehr sachgerechte Gründe dafür finden, daß die Vergünstigungen im Falle einer vorzeitigen Veräußerung des Wirtschaftsguts nicht gewährt wird, selbst wenn das Wirtschaftsgut vom Erwerber wiederum im Sinne der Steuervergünstigung verwendet wird. Würde die Sonderabschreibung trotz einer alsbaldigen Weiterveräußerung des betreffenden Wirtschaftsguts gewährt werden können, so könnte dies zu einer dem Sachverhalt nicht angemessenen Begünstigung des Steuerpflichtigen und zu entsprechenden Mißbrauchsmöglichkeiten führen. Außerdem wäre es im Falle einer vorzeitigen Weiterveräußerung schwieriger, das Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen der Sonderabschreibung nachzuprüfen (vgl. BFHE 120, 438, BStBl II 1977, 168).

4. Regelungen, nach denen im Streitfall eine Ausnahme von der Versagung der Sonderabschreibung gemacht werden könnte, bestehen nicht.

a) Die Klägerin kann sich insbesondere nicht auf Regelungen beziehen, die erst in späteren Verwaltungsrichtlinien (Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 10. November 1978 IV B 2 - S 1990 - 50/78, BStBl I 1978, 451) enthalten sind. Nach den Richtlinien im Schreiben des BMF vom 10. November 1978 steht es der Gewährung der Sonderabschreibungen nicht entgegen, wenn die Wirtschaftsgüter vor Ablauf des Dreijahreszeitraums "im Rahmen der Veräußerung eines Betriebs oder Teilbetriebs, dessen Stillegung droht oder der vor der Veräußerung stillgelegt worden ist", veräußert werden (Abschn. I Nr. 2 Abs. 3 des Schreibens des BMF vom 10. November 1978).

Es braucht nicht geprüft zu werden, ob die Voraussetzungen hierfür im Streitfall vorgelegen haben. Denn die genannte Verwaltungsrichtlinie findet erstmals Anwendung "bei Wirtschaftsgütern, die nach dem 31. Dezember 1977 abgeschafft oder hergestellt werden" (Einführung des Schreibens des BMF vom 10. November 1978). Im Streitfall wurden die betreffenden Wirtschaftsgüter aber bereits im Jahre 1971 angeschafft.

b) Für die Entscheidung nicht einschlägig ist die für "Baugeräte" im Schreiben des BMF vom 18. August 1971 Abschn. I Nr. 2 Abs. 3 Satz 6 vorgesehene Ausnahmeregelung. Nach dieser Regelung kann "für Baugeräte ... die Voraussetzung des dreijährigen Verbleibens auch dann als erfüllt angesehen werden, wenn sie in anderen Betriebsstätten außerhalb des Zonenrandgebiets verwendet werden".

Von dieser Regelung sind - wie sich aus dem Zusammenhang mit den anderen Regelungen des gleichen Absatzes ergibt - lediglich solche Fälle betroffen, in denen Baugeräte in einer anderen Betriebsstätte desselben Steuerpflichtigen verwendet werden. Die Veräußerung von Baugeräten und ihre Weiterverwendung durch den Erwerber fällt nicht hierunter. In diesem Sinne hat auch der BFH in seinem Urteil vom 18. Juli 1979 I R 199/75 (BFHE 128, 516, BStBl II 1979, 750) zur Gewährung von Investitionsprämien nach § 32 KoG entschieden.

5. Bei dieser Sachlage konnten die Finanzbehörden im Streitfall die Gewährung der Sonderabschreibung für die von der Klägerin angeschafften Baumaschinen versagen. Die dreijährige Frist für den Verbleib der im Jahre 1971 angeschafften Baumaschinen war im Zeitpunkt der Veräußerung des Unternehmens (1. Januar 1973) noch nicht abgelaufen. Auf den Umstand, daß die mitveräußerten Baumaschinen auch vom Erwerber in der bisherigen Weise im Zonenrandgebiet eingesetzt wurden, kommt es nach den obigen Ausführungen nicht an. Aus diesem Grund ist auch die von der Klägerin zum Beweis gestellte Behauptung, die Baumaschinen seien trotz ihrer Weiterveräußerung drei Jahre in einer Betriebsstätte im Zonenrandgebiet genutzt worden, rechtsunerheblich.