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BFH-Urteil vom 8.12.1982 (I R 9/79) BStBl. 1983 II S. 570

Das Darlehen, das ein Gesellschafter der Personengesellschaft überläßt, ist steuerlich in der Regel Kapitaleinlage. Hierfür kann die Steuerermäßigung nach § 17 Abs. 2 BerlinFG nicht gewährt werden.

EStG § 15 (Abs. 1) Nr. 2; BerlinFG § 17 Abs. 2.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, ist alleinige Komplementärin einer Kommanditgesellschaft (KG). Ihr oblag die Geschäftsführung der KG, an deren Festkapital sie mit einem Anteil von 2/42 beteiligt war. Neben dem Festkapitalkonto wurde ein bewegliches Kapitalkonto geführt.

Im Streitjahr (1972) wurde von dem variablen Kapitalkonto der Klägerin ein Betrag von 180.000 DM abgebucht, kurzfristig einer Bank überwiesen und dann als Darlehen nach § 17 Abs. 2 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) der KG wieder zur Verfügung gestellt. Die KG sollte den Betrag vereinbarungsgemäß zur Finanzierung eines Wohnungsbaues in Berlin verwenden. Dem Antrag der Klägerin, auf ihre Körperschaftsteuerschuld 1972 in Höhe von 67.144 DM die Steuerermäßigung nach § 17 Abs. 2 BerlinFG zu gewähren, entsprach der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) nicht. Er war der Auffassung, Gesellschafterdarlehen seien nicht nach § 17 Abs. 2 BerlinFG begünstigt. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil des Finanzgerichts (FG) Münster aufzuheben und zu entscheiden, daß der Klägerin die Steuervergünstigung aus § 17 Abs. 2 BerlinFG für ein um 4,75% Anteile gekürztes Darlehen nach den Vorschriften des § 17 Abs. 2 BerlinFG in Höhe von 180.000 DM zu gewähren ist.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das Darlehen ist nicht nach § 17 Abs. 2 BerlinFG begünstigt. Dem steht § 15 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) entgegen.

1. Das von der Klägerin zitierte und zu § 7 c EStG 1951 ergangene Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 3. Februar 1959 I 164/57 (Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK - , Einkommensteuergesetz, § 7 c, Rechtsspruch 72) versteht die Personengesellschaft unter Hinweis auf die Bilanzbündeltheorie als Zusammenfassung der Gewerbebetriebe mehrerer Mitunternehmer. Danach kann der Gesellschafter einer Personengesellschaft "den anderen Gesellschaftern (oder, was dasselbe ist, der Personengesellschaft selbst)" ein Darlehen i. S. von § 7 c EStG gewähren. Diese Formulierung läßt ein Vorstellungsbild erkennen, nach dem Forderungen des Gesellschafters gegen die Gesellschaft aufgespaltet werden in Forderungen des Gesellschafters gegen sich selbst und in Forderungen gegen die übrigen Gesellschafter (vgl. Kurth, Die Besteuerung des Mitunternehmers, 1978 S. 198). In diesem Sinne verwendet die von der Klägerin herangezogene Entscheidung vom 18. Februar 1965 IV 159/63 U (BFHE 82, 33, BStBl III 1965, 259) das BFH-Urteil vom 3. Februar 1959 I 164/57 als Belegstelle für die Anerkennung eines Darlehens zwischen Gesellschaftern einer Personengesellschaft.

Die Aufspaltung von Verbindlichkeiten zwischen Gesellschafter und Gesellschaft auf Grund der Vorstellung, daß jeder Gesellschafter einen selbständigen Gewerbebetrieb führe mit der Folge, daß Rechtsbeziehungen jeweils nur mit den Betrieben der anderen Gesellschafter möglich seien, geht auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs - RFH - zurück (Urteile vom 7. Juni 1939 VI 847/38, RStBl 1939, 936; vom 13. März 1940 VI 750/39, RStBl 1940, 474). Diese Betrachtungsweise ist vom BFH aufgegeben worden (Urteil vom 8. Januar 1975 I R 142/72, BFHE 115, 37, BStBl II 1975, 437). Die von der Klägerin herangezogene Rechtsprechung zu § 7 c EStG beruht somit auf dem überholten Gedankengut der Bilanzbündeltheorie.

2. Die Überlassung von Kapital durch die Klägerin an die KG kann nicht die begehrte Steuerermäßigung nach § 17 Abs. 2 BerlinFG zur Folge haben. Die Klägerin hat der KG steuerrechtlich kein Darlehen, sondern eine Kapitaleinlage zur Verfügung gestellt.

a) Für die Zuordnung von Sondervergütungen gemäß § 15 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG i. d. F. des Gesetzes vom 16. Oktober 1934 (RGBl I, 1005) ist nach der neueren Rechtsprechung des Senats Voraussetzung, daß die von der Gesellschaft vergütete Leistung des Gesellschafters durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist (Urteile vom 23. Mai 1979 I R 163/77, I R 56/77, I R 85/77, BFHE 128, 213, 505 bzw. 514, BStBl II 1979, 757, 763 bzw. 767; vom 27. Mai 1981 I R 112/79, BFHE 133, 526, BStBl II 1982, 192), und zwar in dem Sinne, daß die honorierte Leistung bei wirtschaftlicher Betrachtung als Beitrag zur Erreichung oder Verwirklichung des Gesellschaftszweckes anzusehen ist (BFHE 128, 213, 224, BStBl II 1979, 757, 762). Dabei ist eine gesellschaftliche Veranlassung auch zu bejahen, wenn die nicht auf dem Gesellschaftsrechtsverhältnis, sondern auf einem schuldrechtlichen Vertrag (sog. Drittverhältnis) beruhenden Leistungen des Gesellschafters der Sache nach der Verwirklichung des Gesellschaftszweckes dienen, wobei es unerheblich ist, ob auch ein Nichtgesellschafter entsprechende gleichartige Leistungen gegenüber der Gesellschaft erbringt oder erbringen könnte (BFHE 128, 213, 225, BStBl II 1979, 757, 763).

b) Die Gewährung eines Darlehens ist eine Leistung, die mindestens auch der Verwirklichung des Gesellschaftszweckes dienlich ist. Nach den Umständen des Streitfalles plante die KG eine Baumaßnahme i. S. von § 17 Abs. 2 BerlinFG. Diese Zielsetzung kann die KG um so besser verwirklichen, je mehr Mittel ihr zur Verfügung stehen. Ob bei einer Darlehensgewährung eine Fallgestaltung denkbar ist, die nicht mehr vom Regelungsbereich des § 15 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG erfaßt wird (vgl. BFH-Urteil vom 25. Januar 1980 IV R 159/78, BFHE 129, 502, BStBl II 1980, 275), kann dahinstehen. Dies trifft im Streitfall offensichtlich nicht zu.

c) Die Zuordnung der Darlehensgewährung zu § 15 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG hat zur Folge, daß die Hingabe des Darlehens, das der Gesellschafter der Gesellschaft gewährt, als Einlage und eine Rückzahlung der Darlehenssumme als Entnahme zu beurteilen sind (BFH-Urteile in BFHE 115, 37, BStBl II 1975, 437; vom 18. Juli 1979 I R 38/76, BFHE 128, 380, BStBl II 1979, 673; vom 11. Dezember 1980 IV R 91/77, BFHE 132, 442, BStBl II 1981, 422). Das Darlehen erscheint in der Sonderbilanz des Gesellschafters als Forderung, der in der Steuerbilanz der Gesellschaft eine Verbindlichkeit gegenübersteht. In der Gesamtbilanz der Gesellschaft stellt die Geldforderung des Gesellschafters, die von § 15 Nr. 2 Halbsatz 2 EStG erfaßt wird, Eigenkapital dar (BFHE 132, 442, BStBl II 1981, 422). Es entsteht durch Wegfall der Forderung in der Sonderbilanz des Gläubiger-Gesellschafters und der Schuld in der Steuerbilanz der Gesellschaft unter Erhöhung des Gesamtkapitalkontos des Gesellschafters (Schmidt, Einkommensteuergesetz, 1982, § 15 Anm. 84).

d) Dem steht nicht entgegen, daß die Klägerin bereits in ihrer Eigenschaft als Kapitalgesellschaft einen Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG -) unterhält (BFH-Urteil vom 20. Oktober 1976 I R 139-140/74, BFHE 120, 236, BStBl II 1977, 96). Die Zugehörigkeit einer Darlehensforderung zu dem gewerblichen Betriebsvermögen des Gesellschafters schließt nicht aus, die Forderung als Sonderbetriebsvermögen des Gesellschafters zu behandeln (BFH-Urteil vom 18. Juli 1979 I R 199/75, BFHE 128, 516, BStBl II 1979, 750).

3. Die einkommensteuerrechtliche Wertung der Darlehensforderung eines Mitunternehmers gegen die Personengesellschaft als Betriebsvermögen und damit als Eigenkapital in der Gesamtbilanz ist auch für den Darlehensbegriff des § 17 BerlinFG beachtlich. Denn § 17 BerlinFG stellt für den Begriff des Darlehens auf das Steuerrecht und nicht auf das Zivilrecht ab.

a) Für das seit dem Umwandlungs-Steuergesetz 1977 (UmwStG 1977) geltende Recht läßt sich dies unmittelbar aus § 8 Abs. 6 UmwStG 1977 herleiten. Dort wurde bezüglich der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft eine Sonderregelung für den Fall getroffen, daß eine Forderung oder Verbindlichkeit der übertragenden Körperschaft auf die übernehmende Personengesellschaft übergeht und der Schuldner bzw. der Gläubiger der Forderung oder Verbindlichkeit im Zeitpunkt der Eintragung des Umwandlungsbeschlusses in das Handelsregister an der übernehmenden Personengesellschaft beteiligt ist. Aus der Verweisung in § 8 Abs. 6 auf § 8 Abs. 1 bis 5 UmwStG 1977 ergibt sich, daß das Gesetz auch in den durch § 8 Abs. 6 UmwStG 1977 angesprochenen Fällen ein Erlöschen von Forderung und Verbindlichkeit für möglich hält. Da jedoch in diesen Fällen der Vermögensübergang zivilrechtlich nicht zur Beendigung des Schuldverhältnisses führt, kann dem Gesetz nur eine steuerrechtliche Betrachtungsweise zugrunde liegen. Aus § 8 Abs. 5 i. V. m. § 8 Abs. 6 UmwStG 1977 folgt somit für das Darlehensverhältnis i. S. des § 17 BerlinFG zwischen der umgewandelten Kapitalgesellschaft und einem Gesellschafter der übernehmenden Personengesellschaft, daß das Gesetz von einer steuerrechtlichen Konfusion (Vereinigung von Forderungen und Schulden wirtschaftlich in einer Person) ausgeht. Eine steuerrechtliche Konfusion tritt - wie vorstehend (Ziffer 2 c) erörtert - auch ein, wenn ein Mitunternehmer der Gesellschaft ein Darlehen gewährt.

b) Der im Streitjahr (1972) geltende § 6 Abs. 6 UmwStG 1969 unterscheidet sich von § 8 Abs. 6 UmwStG 1977 insoweit, als § 6 Abs. 6 UmwStG 1969 nur von einer Forderung - nicht auch von einer Verbindlichkeit - der umgewandelten Kapitalgesellschaft spricht. Bei dieser Gesetzeslage bleibt offen, warum der Gesetzgeber keine Regelung zu der Fallgestaltung getroffen hat, daß Gläubiger einer durch Konfusion untergehenden Verbindlichkeit der Kapitalgesellschaft ein Gesellschafter der übernehmenden Personengesellschaft ist. Eine Entscheidung des Gesetzgebers auch insoweit wäre geboten gewesen. Die Regelung über die Steuermilderung für Konfusionsgewinne erweist sich damit als unvollständig. Es liegt eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes vor (vgl. BFH-Beschluß vom 28. April 1982 I R 89/77, BFHE 135, 531, 535, BStBl II 1982, 556, 559). Zur Füllung offener Regelungslücken sind die Gerichte berufen, soweit dadurch nicht der gesetzliche Steuertatbestand in unzulässiger Weise ausgeweitet wird (BFH-Urteil vom 28. Mai 1968 IV R 202/67, BFHE 92, 555, BStBl II 1968, 650, mit Anmerkung in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1968, 573).

Um die Wirkung des durch die Vereinigung von Forderung und Verbindlichkeit entstehenden Gewinns zu mildern, kann nach § 6 UmwStG 1969 eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden. § 6 Abs. 6 i. V. m. § 6 Abs. 1 und 2 UmwStG 1969 gestattet dies auch für den Fall, daß der Gesellschafter Schuldner der Kapitalgesellschaft war. Obwohl der umgekehrte Fall (Gesellschafter als Gläubiger) nicht genannt ist, ist die Vorschrift wegen der im Kern vergleichbaren Sachverhalte analog auch auf diesen Fall anzuwenden (Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 6 UmwStG 1969 Anm. 2608; Loos, Umwandlungs-Steuergesetz 1969, 2. Aufl., Anm. 269 und 279). Diese hinsichtlich der Rücklagenbildung begünstigende Lückenausfüllung hat belastende Wirkung bezüglich der an das Darlehen geknüpften Steuervergünstigung gemäß § 6 Abs. 6 i. V. m. § 6 Abs. 5 UmwStG 1969. Es gelten hierzu die vorstehenden Ausführungen zu § 8 Abs. 6 i. V. m. § 8 Abs. 5 UmwStG 1977. Nach Maßgabe dieser Vorschriften wird die nach § 17 BerlinFG gewährte Steuerermäßigung berichtigt, wenn die Umwandlung steuerlich eine Vereinigung von Forderung und Schuld mit sich bringt.

c) Im Streitfall ist steuerlich eine Vereinigung von Darlehensforderung und Darlehensverbindlichkeit in der Gesamtbilanz eingetreten. Für Kapital, das ein Gesellschafter der Personengesellschaft überläßt, kommt eine Steuerermäßigung nach § 17 Abs. 2 BerlinFG nicht in Betracht (vgl. auch Sönksen/Söffing, Berlinförderungsgesetz, § 17 Anm. 13 i. V. m. § 16 Anm. 17; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 16 BerlinFG, Anm. 4/5; Blümich/ Falk, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., 16 BerlinFG, Anm. 54; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 13. Aufl., §§ 16 bis 18 BerlinFG, Anm. 21).