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BFH-Urteil vom 29.3.1983 (VIII R 97/82) BStBl. 1983 II S. 601

Erhält ein Abgeordneter zur Abgeltung des durch sein Mandat veranlaßten Aufwandes (pauschale) Aufwandsentschädigungen, so ist gemäß § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG der Abzug jeglicher mandatsbedingter Aufwendungen als Werbungskosten ausgeschlossen.

EStG § 22 Nr. 4.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr 1980 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Dabei erfaßte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) u.a. Abgeordnetenbezüge des Klägers (vgl. § 22 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -, eingefügt durch Art. II des Gesetzes zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages - AbgG - vom 18. Februar 1977, BGBl I 1977, 297). Dem Begehren der Kläger, hiervon einen Betrag in Höhe von 2.475 DM abzusetzen, der auf Bezirksebene zur persönlichen Werbung für den Kläger aufgewandt worden war, entsprach das FA nicht. Es vertrat dazu die Auffassung, der Abzug sei gemäß § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG ausgeschlossen, weil § 7 des im Streitfall anzuwendenden Berliner Landesabgeordnetengesetzes (LAbgG) vom 21. Juli 1978 (Gesetz- und Verordnungsblatt für Berlin - GVBl - 1978, 1497) für Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses eine steuerfreie Kostenpauschale vorsehe.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. In der Begründung seines in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 517 veröffentlichten Urteils führte es im wesentlichen aus, die streitigen Aufwendungen seien nicht als Werbungskosten zu berücksichtigen. § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG schließe jeglichen Abzug mandatsbedingter Aufwendungen aus, wenn dem betroffenen Abgeordneten Aufwandsentschädigungen gezahlt würden. Dies sei in der Streitsache der Fall. Denn der Kläger habe im Jahre 1980 als Aufwandsentschädigung eine steuerfreie Kostenpauschale nach § 7 Abs. 2 LAbgG erhalten.

Mit der vom FG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügen die Kläger Verstoß der Vorentscheidung gegen § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG. Sie sind der Ansicht, diese Vorschrift schließe den Abzug der von ihnen zusätzlich als Werbungskosten geltend gemachten Aufwendungen nicht aus.

Den Mitgliedern des Berliner Abgeordnetenhauses werde gemäß § 7 Abs. 2 LAbgG eine Kostenpauschale nur für Schreibarbeiten, Porto, Telefon und Fahrtkosten gewährt. Mandatsbedingte Aufwendungen anderer Art, um die es hier gehe, seien dagegen gemäß § 9 EStG als Werbungskosten zu berücksichtigen.

Die Kläger beantragen, unter Aufhebung der Vorentscheidung sowie der Einspruchsentscheidung vom 5. Oktober 1981 den Abzug des streitigen Betrages bei den sonstigen Einkünften (§ 22 EStG) zuzulassen und die Einkommensteuer entsprechend zu mindern.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. FA und FG sind zutreffend davon ausgegangen, daß der streitige Betrag nicht als Werbungskosten berücksichtigt werden darf.

1. Werden zur Abgeltung des durch ein (Abgeordneten-) Mandat veranlaßten Aufwands - steuerfreie (vgl. § 3 Nr. 12 EStG) - Aufwandsentschädigungen gezahlt, so dürfen die durch das Mandat veranlaßten Aufwendungen gemäß § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG nicht als Werbungskosten abgezogen werden. Hiernach sind nicht nur bestimmte, sondern die mit dem Mandat verbundenen Aufwendungen insgesamt vom Werbungskostenabzug ausgenommen, wenn dem betroffenen Abgeordneten zur Abgeltung des mit seinem Mandat verbundenen finanziellen Aufwands überhaupt (pauschale) Aufwandsentschädigungen nach dem für ihn maßgebenden Abgeordnetengesetz zustehen (vgl. dazu Kuhlmann in Frotscher, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 22 Anm. 49; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 22 Anm. 3 auf grünen Blättern: Oepen in Klein/Flockermann/Kühr, Handbuch zum Einkommensteuerrecht, § 22 EStG Anm. 10b; Brockhoff in Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 22 Anm. 82; Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, § 22 Anm. 43; sowie zu den verfassungsrechtlichen Schranken im Zusammenhang mit dem Ersatz mandatsbedingter Aufwendungen, Urteil des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 5. November 1975 2 BvR 193/74, BVerfGE 40, 296, 328). Dies gilt unabhängig davon, ob die gewährte Pauschale im Einzelfall die tatsächlich aufgewandten Beträge der Höhe oder der Art nach deckt oder nicht. Denn § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG enthält eine Sonderregelung, die in ihrem Anwendungsbereich den Abzug bestimmter Aufwendungen über das Abzugsverbot des § 3c EStG hinaus ausschließt. Nach § 3c EStG dürfen Ausgaben, "soweit" sie mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht als Betriebsausgaben oder Werbungskosten berücksichtigt werden. Dagegen schließt § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG den Werbungskostenabzug nicht nur aus, "soweit" steuerfreie Aufwandsentschädigungen gezahlt werden, sondern generell für den Fall, daß ein pauschaler Kostenersatz geleistet wird (Herrmann/Heuer/Raupach, a.a.O.)

2. Die Gesetzesmaterialien bestätigen diese Auslegung des § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG. Der von den Klägern angestrebte Abzug von Werbungskosten neben dem pauschalierten Kostenersatz wurde im Zuge der Beratungen über den Entwurf des Abgeordnetengesetzes zwar erörtert (vgl. "Zweites Gutachten zur Neuregelung der Diäten der Mitglieder des Bundestages" des Beirates für Entschädigungsfragen beim Präsidium des Deutschen Bundestages, BTDrucks 7/5.531, 32, 44), letztlich im Gesetz aber nicht verwirklicht.

Bereits der genannte Beirat hatte gewichtige Bedenken gegen eine solche Regelung vorgebracht. Zum einen hielt er durch eine Kombination von Kostenpauschale und Werbungskostenabzug den mit dem pauschalen Kostenersatz bezweckten Vereinfachungseffekt für gefährdet. Zum anderen sah er dadurch die Gefahr von Mißbrauch gegeben. Er sprach sich deshalb gegen eine - auch teilweise - steuerrechtliche Lösung der mit dem finanziellen Ausgleich mandatsbedingter Aufwendungen verbundenen Probleme aus. Nach seiner Auffassung sollten diese Kosten grundsätzlich pauschal - etwa durch Gewährung einer monatlichen Gesamtpauschale (im Sinne einer "Amtsausstattung") - abgegolten werden (vgl. im einzelnen BTDrucks 7/5.531, 32, 43 ff.).

Der Gesetzgeber ist den Empfehlungen des Beirats jedenfalls insoweit gefolgt, als er sich mit Einfügung des § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG gegen eine Kombination von pauschalem Kostenersatz und Werbungskostenabzug entschieden hat. Hierzu kann der amtlichen Begründung zum Entwurf des Abgeordnetengesetzes (vgl. BTDrucks 7/5.531, 1, 26) sowie dem Bericht des Zweiten Sonderausschusses (vgl. BTDrucks 7/5.903, 1, 17) entnommen werden, daß der Abzug jeglicher mandatsbedingter Aufwendungen in den Fällen ausgeschlossen werden sollte, in denen der durch das Mandat veranlaßte Aufwand durch eine oder mehrere Kostenpauschalen abgegolten werde.

3. Bei Anwendung der oben (unter 1.) näher dargelegten Rechtsgrundsätze ergibt sich für den Streitfall, daß den Klägern der von ihnen geltend gemachte Abzug zusätzlicher Werbungskosten nicht zusteht. Denn nach den Feststellungen des FG erhielt der Kläger im Streitjahr eine steuerfreie Aufwandsentschädigung jedenfalls in Form einer monatlichen Kostenpauschale nach § 7 Abs. 2 LAbgG. Diese Feststellungen binden den erkennenden Senat, soweit sie den Bestand und Inhalt des Berliner Landesrechts betreffen und soweit sie sich auf die tatsächlichen Verhältnisse des Streitfalls beziehen (§ 118 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -; vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 15. November 1978 I R 65/76, BFHE 126, 424, BStBl II 1979, 193). Die Gewährung einer Kostenpauschale, wie sie in § 7 Abs. 2 LAbgG vorgesehen ist, reicht nach den obigen Darlegungen aber bereits aus, um den Abzug jeglicher durch das Mandat veranlaßter Aufwendungen als Werbungskosten auszuschließen. Dabei ist es unerheblich, daß in dieser Vorschrift nur bestimmte Kostenbestandteile (Schreibarbeiten, Porto, Telefon und Fahrtkosten) genannt sind. Dieses Ergebnis wird zusätzlich gestützt durch § 7 Abs. 1 LAbgG. Darin wurden teilweise die Formulierungen des § 12 Abs. 1 AbgG, aber auch des § 22 Nr. 4 Satz 2 EStG übernommen. § 7 Abs. 1 LAbgG sieht ausdrücklich vor, daß Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses "zur Abgeltung der durch das Mandat veranlaßten Aufwendungen" eine Amtsausstattung erhalten.