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BFH-Beschluß vom 18.5.1983 (I R 263/82) BStBl. 1983 II S. 602

Wird darüber gestritten, in welcher Höhe Verluste bei der Körperschaftsteuerveranlagung mit der sich aus § 47 Abs. 2 KStG 1977 ergebenden Bindungswirkung anzusetzen sind, ist der Streitwert auf 10 v. H. der streitigen Verlustbeträge festzusetzen.

FGO § 155; ZPO § 3; KStG 1977 § 47 Abs. 2.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) - eine GmbH, deren alleinige Gesellschafterin die D-GmbH ist - hatte keine Körperschaftsteuererklärung 1978 abgegeben. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) schätzte das steuerpflichtige Einkommen - unter Berücksichtigung eines Verlustabzugs aus 1977 von 9.405 DM - auf 1.090 DM und setzte die Körperschaftsteuer 1978 mit Bescheid vom 14. Januar 1981 auf 610 DM fest. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin am 17. März 1981 Einspruch ein. Am 29. Mai 1981 reichte sie ihre Körperschaftsteuererklärung für 1978 nach, in der sie ein negatives Einkommen für 1978 von 45.832 DM auswies.

Mit einem auf § 10 d des Einkommensteuergesetzes (EStG) gestützten Berichtigungsbescheid vom 3. August 1981 setzte das FA die Körperschaftsteuerschuld 1978 auf 0 DM herab. Es setzte einen Verlustrücktrag aus 1979 von 1.095 DM an, so daß sich für 1978 ein steuerpflichtiges Einkommen von 0 DM ergab. Auch hiergegen hat die Klägerin Einspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden worden ist.

Den Einspruch gegen den (ersten) Körperschaftsteuerbescheid vom 14. Januar 1981 verwarf das FA als unzulässig. Die Klägerin habe die Einspruchsfrist nicht gewahrt. Hiergegen erhob die Klägerin Klage mit dem Begehren, die Einspruchsentscheidung vom 6. November 1981 aufzuheben.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit der Begründung ab, das FA habe im Ergebnis zu Recht den Einspruch als unzulässig verworfen, da die Körperschaftsteuerschuld 1978 mit dem Berichtigungsbescheid vom 3. August 1981 auf 0 DM festgesetzt worden sei. Die Klägerin sei nicht mehr beschwert gewesen. Eine Entscheidung über den Verlustabzug und über das vor dem Verlustabzug anzusetzende Einkommen sei erst bei der Veranlagung des Jahres zu treffen, in dem sich der Verlustabzug auswirke.

In ihrer Revision trägt die Klägerin vor, Gegenstand der Klage sei die Frage gewesen, ob sie schon mit einem Schreiben vom 28. Januar 1981 und damit rechtzeitig Einspruch gegen den Bescheid vom 14. Januar 1981 eingelegt habe. Zu Unrecht habe das FG eine Beschwer der Klägerin deshalb verneint, weil das FA in dem Berichtigungsbescheid vom 3. August 1981 die Körperschaftsteuer auf 0 DM festgesetzt habe. Nach dem neuen Körperschaftsteuerrecht - so die Verwaltungsauffassung - könne ein auf 0 DM lautender Körperschaftsteuerbescheid wegen der Höhe des angesetzten Verlustes angefochten werden. Der Wert des Streitgegenstandes betrage mehr als 10.000 DM. Bei der Veranlagung für 1978 gehe es um den vom FA angesetzten Verlustabzug aus 1977 in Höhe von 9.405 DM, ferner um den vom FA nicht berücksichtigten Verlust für 1978 von 45.700 DM und um den Verlustrücktrag aus 1979 von 1.095 DM. Streitig seien somit Verluste im Gesamtbetrag von 56.200 DM, um deren Auswirkungen in künftigen Gewinnjahren es gehe. Bei einem Körperschaftsteuersatz von 56 v. H. ergebe sich ein Streitwert von 31.472 DM.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist als unzulässig zu verwerfen.

Die Klägerin hat Streitwertrevision i. S. des § 115 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) eingelegt. Eine Streitwertrevision findet ohne Zulassung nur statt, wenn der Wert des Streitgegenstandes 10.000 DM übersteigt (Art. 1 Nr. 5 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFH-EntlG - vom 8. Juli 1975, BGBl I 1975, 1861, BStBl I 1975, 932 i. d. F. des Gesetzes vom 4. August 1980, BGBl I 1980, 1147, BStBl I 1980, 462).

Die Revisionssumme von 10.000 DM wird im Streitfall bei weitem nicht erreicht. Der Auffassung der Klägerin, daß bei einem Streit über die Höhe von Verlusten, die sich auf die Steuer künftiger Veranlagungen auswirken können, der Streitwert auf 56 v. H. (regelmäßiger Körperschaftsteuersatz) der streitigen Verluste zu bestimmen ist, kann nicht gefolgt werden.

Das FG hat die Klage deshalb abgewiesen, weil die Körperschaftsteuer für 1978 im Wege einer Berichtigung auf 0 DM herabgesetzt worden ist. Nach dem zum alten Körperschaftsteuerrecht ergangenen Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 22. April 1971 I R 16/71 (BFHE 102, 214, BStBl II 1971, 586) konnte ein Körperschaftsteuerbescheid, durch den die Steuer auf 0 DM festgesetzt worden war, nicht mit der Begründung angefochten werden, der Verlust sei höher, als das FA angenommen habe. In diesem Bescheid würden über die Höhe der Verluste keine Feststellungen mit bindender Wirkung getroffen, durch die der Steuerpflichtige in seinen Rechten verletzt werden könnte. Über die Höhe des abzuziehenden Verlustes werde erst bei der Veranlagung für das Jahr entschieden, bei dem sich der Verlustabzug auswirke. Diese Rechtsauffassung ergab sich daraus, daß nach altem Recht in Körperschaftsteuerbescheiden verbindlich nur über die Höhe der für den betreffenden Veranlagungszeitraum festzusetzenden Steuer, nicht aber auch über die einzelnen Besteuerungsgrundlagen entschieden wurde. Nach neuem Körperschaftsteuerrecht ist jedoch dem Körperschaftsteuerbescheid über die Steuerfestsetzung hinaus noch eine weitere Funktion im Rahmen des § 47 des Körperschaftsteuergesetzes 1977 (KStG 1977) eingeräumt worden. Diese Vorschrift dient der verfahrensmäßigen Sicherung der Grundlagen für die Herstellung der Ausschüttungsbelastung nach § 27 KStG 1977. Nach § 47 Abs. 1 KStG 1977 sind insbesondere die nach § 30 des Gesetzes ermittelten Teilbeträge des verwendbaren Eigenkapitals und des für Ausschüttungen verwendbaren Teils des Nennkapitals (§ 29 Abs. 3 KStG 1977) durch besonderen Bescheid festzustellen. Nach § 47 Abs. 2 Satz 2 KStG 1977 gilt der Körperschaftsteuerbescheid zugleich als Grundlagenbescheid für die gesonderten Feststellungen nach Abs. 1, soweit er die Höhe des Einkommens oder die Tarifbelastung betrifft. Er ist insoweit für den nach der genannten Vorschrift zu erlassenden Feststellungsbescheid bindend. Die bisherige Rechtsprechung, daß ein auf 0 DM lautender Körperschaftsteuerbescheid in der Regel nicht angefochten werden kann (Ausnahme: die Steuerpflicht an sich wird bestritten), kann daher - soweit dem Körperschaftsteuerbescheid Grundlagenfunktion für den genannten Feststellungsbescheid zukommt - nicht mehr beibehalten werden. Das hat zur Folge, daß selbst im Falle einer Veranlagung zu einer Körperschaftsteuer von 0 DM die im Körperschaftsteuerbescheid ausgewiesenen Besteuerungsgrundlagen angefochten werden können, soweit diese bindend für die besondere Feststellung nach § 47 Abs. 1 KStG 1977 sind. Der erkennende Senat schließt sich damit der von der Verwaltung (Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 6. Juli 1981, BStBl I 1981, 505, Abschn. 103 a der Körperschaftsteuer-Richtlinien - KStR - 1981) und vom Schrifttum (Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 47 KStG 1977, Rdnr. 78; unentschieden Felix/Streck, Körperschaftsteuergesetz, § 47 Anm. 9) vertretenen Auffassung hinsichtlich der Anfechtbarkeit von Besteuerungsgrundlagen eines Körperschaftsteuerbescheids an. Im Gesetzestext ist die Grundlagenfunktion des Körperschaftsteuerbescheids zwar ausdrücklich nur für den Fall der Änderung des Körperschaftsteuerbescheids ausgesprochen. In Übereinstimmung mit der genannten Verwaltungsauffassung und dem angeführten Schrifttum hat das auch für den erstmaligen Körperschaftsteuerbescheid zu gelten.

Das Einkommen i. S. des § 8 KStG 1977 kann infolge von Verlusten negativ sein. Die Regel des § 47 Abs. 2 Satz 2 KStG 1977, daß der Körperschaftsteuerbescheid hinsichtlich des Einkommens und der Tarifbelastung als Grundlagenbescheid gilt, enthält keine Ausnahme etwa für den Fall, daß das Einkommen negativ ist. Die in § 47 Abs. 1 Nr. 1 KStG 1977 angeführte und in den Feststellungsbescheid aufzunehmende Eigenkapitalgliederung erfaßt nicht nur positive Einkommensteile (§ 30 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 KStG 1977). Nach § 33 KStG 1977 beeinflussen auch Verluste die Eigenkapitalgliederung und damit die Körperschaftsteuerminderungs- und Erhöhungsbeträge bei Gewinnausschüttungen: Der Verlust verringert schon im Entstehungsjahr den Teilbetrag des verwendbaren Eigenkapitals nach § 30 Abs. 2 Nr. 2 KStG 1977 (EK 02). Bei einer Gewinnausschüttung, bei der nach der Fiktion des § 28 Abs. 2 KStG 1977 unter Umständen EK 02 als verwendet gilt, kann es darauf ankommen, ob dieser Teilbetrag für die Ausschüttung ausreicht, oder ob der Teilbetrag nach § 30 Abs. 2 Nr. 3 (EK 03) oder Nr. 4 (EK 04) hinzugenommen werden muß.

Wie sich ein negatives Einkommen (Verlust) bei künftigen Körperschaftsteuerveranlagungen - durch Erhöhung oder Minderung der Körperschaftsteuer im Falle der Ausschüttung (§ 27 KStG 1977) - auswirken wird, ist am Ende des jeweiligen Veranlagungszeitraums nicht abzusehen. Diesem Umstand muß bei der Ermittlung des Streitwerts Rechnung getragen werden. Der Senat hält es für angebracht, in einem Fall, in dem darüber gestritten wird, in welcher Höhe Verluste bei der Körperschaftsteuerveranlagung mit der sich aus § 47 Abs. 2 KStG 1977 ergebenden Bindungswirkung anzusetzen sind, den Streitwert auf 10 v. H. der streitigen Verlustbeträge festzusetzen. Die Klägerin hat den Gesamtbetrag der Verluste, der Gegenstand ihres Streits mit dem FA ist, mit 56.200 DM beziffert. Es kann dahinstehen, ob der aus 1977 vorgetragene Verlust von 9.405 DM und der Verlustrücktrag aus 1979 von 1.095 DM in die Grundlagenfunktion des Körperschaftsteuerbescheids 1978 mit einzubeziehen ist. Jedenfalls ergibt sich bei einem Verlustvolumen von insgesamt 56.200 DM allenfalls ein Streitwert von 5.620 DM. Die vom BFH-EntlG geforderte Revisionssumme von mehr als 10.000 DM ist damit nicht erreicht. Es kann daher auch offenbleiben, ob der Streitwert weiterhin deshalb etwa niedriger festzusetzen ist, weil die Klägerin die Aufhebung der ihren Einspruch als unzulässig verwerfenden Einspruchsentscheidung erstrebt, damit der Weg zu einer materiellen Entscheidung frei wird.

Über die Revision ist nicht allein deshalb sachlich zu entscheiden, weil - so die Klägerin in ihrer Revisionsbegründung - der Rechtssache möglicherweise grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das FG hat die Revision nicht zugelassen; die Klägerin hat keine Nichtzulassungsbeschwerde (§ 115 Abs. 3 FGO), sondern in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise Revision eingelegt. Eine Revision kann nicht in eine Nichtzulassungsbeschwerde umgedeutet werden, weil zwischen Revision und Nichtzulassungsbeschwerde erhebliche rechtliche und verfahrensmäßige Unterschiede bestehen (Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 115 Anm. 22 A I, mit Rechtsprechungsnachweis).

Die nach § 124 FGO unzulässige Revision ist nach alledem durch Beschluß zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 FGO).