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BFH-Urteil vom 30.6.1983 (IV R 2/81) BStBl. 1983 II S. 715

Die Aufwendungen einer gewerblich tätigen Personengesellschaft für eine überregionale Tageszeitung sind grundsätzlich nicht als Betriebsausgaben abziehbar.

EStG § 4 Abs. 4, § 12 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine OHG, die in X Handelsvertretungen unterhält. Gegenstand ihrer Vertretungen sind Industrieerzeugnisse für ...

Die Klägerin bezieht die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ). Sie annonciert dort auch. Sie läßt Notierungen und Aufsätze aus der FAZ ausschneiden und zur Information an ein von ihr vertretenes österreichisches Unternehmen senden. Die Zeitung verbleibt in den Geschäftsräumen der Klägerin und kann von den Besuchern gelesen werden. Die beiden Gesellschafter der Klägerin halten zu Hause als Tageszeitung die "Westfalen-Post" und die "Westfälische Rundschau".

Im Anschluß an eine Betriebsprüfung erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) im Rahmen der einheitlichen Gewinnfeststellung 1974 bis 1976 die Aufwendungen für den Bezug der FAZ nicht als Betriebsausgaben an und erhöhte demgemäß den Gewinn der Klägerin für die Streitjahre (Bescheide vom 29. November 1977).

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt. Es beurteilte die umstrittenen Aufwendungen als Betriebsausgaben. Die Frage, ob Ausgaben durch den Betrieb veranlaßt sind (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -), sei nach objektiven Merkmalen zu entscheiden. Die FAZ enthalte die für die Klägerin notwendige Information; deswegen werde sie gehalten. Auf den teilweise auch privat interessierenden Inhalt der Zeitung komme es in einem solchen Fall nicht an. Der Bezug der FAZ als einer überörtlichen Tageszeitung sei anders zu beurteilen als der allgemein übliche Bezug von örtlichen Tageszeitungen, die in fast jedem Haushalt aus privaten Gründen gehalten würden und deren Kosten deshalb nach § 12 EStG nicht abziehbar seien. - Das FG ließ die Revision zu.

Gegen das Urteil des FG legte das FA Revision ein. Es rügt die Verletzung des § 12 Nr. 1 EStG. Aufwendungen für die Anschaffung von Wirtschaftsgütern könnten nur dann als Betriebsausgaben berücksichtigt werden, wenn einwandfrei feststehe, daß der betriebliche Verwendungszweck der Wirtschaftsgüter bei weitem überwiege und eine private Mitbenutzung nur von ganz untergeordneter Bedeutung sei. Diene ein Wirtschaftsgut sowohl der privaten Lebensführung als auch betrieblichen Zwecken, so seien die Aufwendungen hierfür nicht abzugsfähig. Danach könnten die Bezugskosten für die FAZ nicht abgezogen werden. Die Klägerin beziehe aus der FAZ zwar Informationen für den Betrieb. Da die Zeitung aber überwiegend nichtwirtschaftliche Themenbereiche beinhalte, widerspreche es der Lebenserfahrung, daß die Klägerin bzw. ihre Gesellschafter die Zeitung nur zu betrieblichen Zwecken benutzen.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Die Auffassung des FG, die Aufwendungen für den Bezug der FAZ seien Betriebsausgaben, vermag der Senat nicht zu teilen.

1. Nach § 4 Abs. 4 EStG ist für die Abziehbarkeit von Aufwendungen als Betriebsausgaben entscheidend, daß sie objektiv durch die besonderen betrieblichen Gegebenheiten des Steuerpflichtigen veranlaßt sind (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. November 1978 GrS 8/77, BFHE 126, 533, BStBl II 1979, 213). Aufwendungen für die Lebensführung kommen als Betriebsausgaben nicht in Betracht, und zwar selbst dann nicht, wenn sie den Beruf oder die Tätigkeit des Steuerpflichtigen fördern. Die Vorschrift des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG verbietet zur Wahrung der steuerlichen Gerechtigkeit die Aufteilung und damit den Abzug von Aufwendungen, die sowohl der Lebensführung dienen als auch den Beruf fördern. Dieses Aufteilungs- und Abzugsverbot ist nur dann nicht anzuwenden, wenn und soweit sich der den Betrieb fördernde Teil der Aufwendungen nach objektiven Maßstäben mit Sicherheit, zutreffend und in leicht nachprüfbarer Weise abgrenzen läßt und wenn außerdem der betriebliche Nutzungsanteil nicht von untergeordneter Bedeutung ist (BFH-Beschluß vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17).

Bei der Prüfung, ob die Anschaffung von Wirtschaftsgütern betrieblich veranlaßt ist, ist grundsätzlich auf die tatsächliche Zweckbestimmung, also die Funktion des Wirtschaftsguts im Einzelfall, abzustellen. Bei der Feststellung des Verwendungszwecks spielt allerdings auch der objektive Charakter des Wirtschaftsguts eine große Rolle. Handelt es sich um ein Wirtschaftsgut, bei dem nicht nachprüfbar oder nicht klar erkennbar ist, ob es mehr dem Betrieb oder mehr den privaten Interessen des Steuerpflichtigen dient, sind die Aufwendungen für die Anschaffung schon aus Gründen der steuerlichen Gerechtigkeit zu den Kosten der Lebensführung zu rechnen (vgl. BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17; BFH-Urteil vom 16. Oktober 1981 VI R 180/79, BFHE 134, 299, BStBl II 1982, 67).

Aufwendungen für den Bezug einer Tageszeitung, die der allgemeinen Information und damit jedenfalls auch der Lebensführung dient, können hiernach grundsätzlich nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden (BFH-Urteil vom 5. April 1962 IV 127/60 U, BFHE 75, 279, BStBl III 1962, 368). Eine Ausnahme von diesem Grundsatz kommt nur dann in Betracht, wenn eine nahezu ausschließliche betriebliche Verwendung der Zeitung nach den besonderen Umständen des Falles als sicher erscheint.

2. Die Voraussetzungen für eine solche Ausnahme haben im Streitfall nicht vorgelegen.

Die Ansicht des FG, eine betriebliche Veranlassung für den Bezug der FAZ liege darin, daß diese Zeitung die für die Klägerin notwendigen Informationen über die Notierung der Metallpreise und über das Angebot an Vertretungen gebracht habe, ist zwar zutreffend. Gleichwohl darf nicht verkannt werden, daß die FAZ darüber hinaus in großem Umfang auch Informationen über Politik, Kultur und Sport enthält. Dies spricht dafür, daß der Bezug der FAZ - zumindest in einem nicht unerheblichen Umfang - auch private Interessen befriedigen soll. Dieser Auffassung steht nicht entgegen, daß der VI. Senat des BFH in seinem Urteil vom 12. November 1982 VI R 193/79 (Der Betrieb - DB - 1983, 372) die Kosten für den Bezug des "Handelsblatts" wegen dessen Ähnlichkeit mit einer Fachzeitschrift als Werbungskosten anerkannt hat. Der erkennende Senat läßt dahinstehen, ob er sich der Entscheidung des VI. Senats anschließen kann. Die Erwägungen des VI. Senats können jedenfalls nicht gelten für den Bezug einer Tageszeitung wie der FAZ. Für die Entscheidung ohne Bedeutung ist der Charakter der FAZ als überörtliche Zeitung. Dem FA ist darin beizupflichten, daß die Unterschiede zwischen lokalen und überörtlichen Zeitungen (im Umfang, Niveau und Verbreitungsgebiet) keine rechtserhebliche Bedeutung für die Frage haben, ob die Aufwendungen hierfür betrieblich oder privat veranlaßt sind.

Auch die Tatsache, daß die beiden Gesellschafter der Klägerin zu Hause jeweils noch die örtlichen Tageszeitungen, nämlich die "Westfalen-Post" und die "Westfälische Rundschau" bezogen haben, kann an der Versagung des Abzugs nichts ändern. Beim Bezug mehrerer Tageszeitungen kann nicht davon ausgegangen werden, daß zumindest eine von diesen Zeitungen ganz überwiegend aus betrieblicher Veranlassung bezogen wurde. Etwas anderes könnte nur dann gelten, wenn ein Steuerpflichtiger dieselbe Zeitung zweifach - nämlich einmal für seine Wohnung und zum anderen für seinen Betrieb (etwa zum Lesen für die Kunden oder seine Arbeitnehmer) bezieht (vgl. Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, § 4 Anm. 99 "Fachliteratur", a. E.). In diesem Fall liegt die ganz überwiegende betriebliche Veranlassung für den Bezug des im Betrieb verwendeten Exemplars auf der Hand.

Schließlich spielt auch der Umstand, daß die Aufwendungen von der Klägerin selbst - also von einer Personengesellschaft - gemacht worden sind, für die Entscheidung keine Rolle. Aufwendungen einer Personengesellschaft, die nicht betrieblich, sondern privat veranlaßt sind, sind mangels anderer Aufteilungsmöglichkeiten den Gesellschaftern anteilig als private Aufwendungen zuzurechnen.