| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BFH-Urteil vom 25.8.1983 (IV R 99/80) BStBl. 1984 II S. 31

Antragsberechtigt nach § 55 Abs. 5 EStG 1971 sind neben den Eigentümern der betreffenden Betriebsgrundstücke zum 1. Juli 1970 auch die Steuerpflichtigen, die während der Antragsfrist des § 55 Abs. 5 EStG durch Gesamtrechtsnachfolge oder durch unentgeltlichen Erwerb nach § 7 Abs. 1 EStDV Eigentümer der betreffenden Betriebsgrundstücke geworden sind.

EStG 1971 § 55 Abs. 2.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

I.

Der Kläger und seine zum Verfahren beigeladene Mutter betrieben als Gesellschaft bürgerlichen Rechts - GbR - (vgl. Vertrag vom 18. Januar 1952) vom Januar 1952 bis zum 31. März 1971 einen Gartenbaubetrieb. An den Gewinnen aus Land- und Forstwirtschaft waren der Kläger und seine Mutter je zur Hälfte beteiligt. Diesem Gartenbaubetrieb dienten am Stichtag 1. Juli 1970 folgende Parzellen:

1. Flurstück 22 mit 724 qm zu 2/3;

2. Flurstück 23/1 mit 6.528 qm;

3. Flurstück 16/9 mit 199 qm;

4. Flurstück 25/5 mit 1.157 qm.

Eigentümer dieser Grundstücke waren zum 1. Juli 1970 folgende Personen:

Grundstücke zu 1. bis 3.: Zu je 1/2 die Mutter des Klägers und an Stelle ihres verstorbenen Ehemannes der Kläger und seine Mutter in ungeteilter Erbengemeinschaft aufgrund des Erbscheins vom 26. Juli 1941;

Grundstück zu 4.: Zu je 1/2 der Kläger und seine Ehefrau.

Durch notariellen Grundstücksübertragungs- und Unterhalts- bzw. Rentenvertrag vom 30. März 1971 übertrug die Mutter des Klägers ihre Eigentumsanteile bzw. ihre Rechte aus der ungeteilten Erbengemeinschaft an den vorbezeichneten Grundstücken auf den Kläger. Die Ehefrau des Klägers ist im November 1970 verstorben und wurde durch den Kläger und die gemeinsame Tochter Karin aufgrund gesetzlicher Erbfolge beerbt.

Mit Schreiben vom 22. Mai 1973 teilte die Buchstelle ... dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) u.a. mit, der Kläger habe durch Vertrag vom 30. März 1971 den Gartenbaubetrieb als Alleineigentümer übernommen. Am 10. Mai 1971 habe der Kläger ein Grundstück mit einer Fläche von 5.662 qm, bestehend aus dem Flurstück 25/5 (1.157 qm) und einer Teilfläche des Flurstücks 23/1 von 4.505 qm zu 150 DM pro Quadratmeter, an eine Baugesellschaft veräußert. Für diese Flächen werde beantragt, den Teilwert gemäß § 55 Abs. 5 EStG auf 150 DM pro Quadratmeter festzusetzen.

In einem am 29. Dezember 1975 beim FA eingegangenen Antrag beantragte der Kläger persönlich die Feststellung eines höheren Teilwerts für seinen gesamten land- und forstwirtschaftlich genutzten Grund und Boden. Auf ein Aufklärungsschreiben des FA vom 3. August 1976 hinsichtlich der Eigentumsverhältnisse und der Teilwerte der betroffenen Grundstücke teilte die Buchstelle ... am 18. August 1976 dem FA mit, zum land- und forstwirtschaftlichen Betrieb hätten am Stichtag des 1. Juli 1970 die Flurstücke 25/5 (867,75 qm = der nach dem Tod der Ehefrau im Eigentum des Klägers befindliche 3/4-Anteil der Gesamtfläche des Grundstücks von 1.157 qm), 23/1 (6.528 qm), 16/9 (199 qm) und 22 (482,66 qm) gehört.

In dem Feststellungsbescheid vom 20. August 1976 setzte das FA unter Bezugnahme auf den Antrag des Klägers vom 29. Dezember 1975 "die Teilwerte für den in der nachstehenden Übersicht aufgeführten und zum Anlagevermögen des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes gehörenden Grund und Boden" auf je 120 DM pro Quadratmeter fest.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Mit der Klage beantragte der Kläger, den angefochtenen Feststellungsbescheid vom 20. August 1976 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung mit der Maßgabe zu ändern, daß a) unter Berichtigung des ursprünglichen Antrags die Feststellung der laufenden Nr. 1 des Bescheides auf die ideelle Hälfte des Flurstückes 25/5, das sind 578,5 qm von insgesamt 1.157 qm, beschränkt wird, und b) die Teilwerte sämtlicher angeführten Grundstücke zum 1. Juli 1970 auf je 150 DM pro Quadratmeter festgesetzt werden.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen.

Es hat im wesentlichen ausgeführt: Im Feststellungsverfahren nach § 55 Abs. 5 EStG 1971 könnten die festgestellten Besteuerungsgrundlagen selbständig angefochten werden, also nicht nur der Höhe, sondern auch dem Grunde nach. Das bedeute, die Überprüfung eines Antrages auf Teilwertfeststellung müsse sich auch darauf erstrecken, ob sich die Grundstücke, für die die Teilwertfeststellung beantragt werde, am Stichtag des 1. Juli 1970 im Anlagevermögen des Steuerpflichtigen befunden hätten. Im vorliegenden Falle hätte die Prüfung dieser Frage zu dem Ergebnis kommen müssen, daß ein Teilwert nach § 55 Abs. 5 EStG 1971 überhaupt nicht festzustellen sei, weil der betreffende Grund und Boden an diesem Stichtag nicht Teil des Betriebsvermögens des Steuerpflichtigen gewesen sei. Das FG habe sich anhand der Steuerakten der Erwerbsgemeinschaft M & Sohn und der in den Einheitswertakten befindlichen notariellen Verträge davon überzeugt, daß sich die Grundstücke, für die der Kläger die Teilwertfeststellung beantragt habe, am Stichtag im Anlagevermögen der Erwerbsgemeinschaft M & Sohn befunden hätten. Ein Antrag, den Teilwert gemäß § 55 Abs. 5 EStG 1971 für diese Grundstücke festzustellen, sei aber weder vom Kläger noch von der Beigeladenen gestellt worden. Denn keiner der oben angeführten Feststellungsanträge könne dahingehend ausgelegt werden, daß sich die Teilwertfeststellung auf diese Grundstücke beziehen sollte. Vielmehr habe der Kläger immer angegeben, die Teilwertfeststellung werde für Grundstücke beantragt, die sich am Stichtag im Anlagevermögen seines land- und forstwirtschaftlichen Betriebes befunden hätten. Die Klage könne schon aus diesem Grunde keinen Erfolg haben.

Der Teilwertfeststellungsbescheid des FA vom 20. August 1976 habe die Fehler der Antragstellung durch den Kläger übernommen. Dennoch komme eine Aufhebung des rechtswidrigen Feststellungsbescheides vom 20. August 1976 und der dazugehörigen Einspruchsentscheidung nicht in Frage, weil dies eine Änderung zum Nachteil des Klägers (Verböserung) bedeuten würde.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung des § 55 Abs. 5 EStG. Er beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Klägers ist begründet:

1. § 55 EStG 1971 wurde durch Art. 1 Nr. 12 des Zweiten Steueränderungsgesetzes vom 10. August 1971 (BGBl I, 1266, BStBl I, 373) in das EStG eingefügt. Veranlaßt war diese Einfügung durch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 11. Mai 1970 1 BvL 17/67 (BVerfGE 28, 227 ff., BStBl II 1970, 579), durch die § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG a.F. wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) für verfassungswidrig erklärt wurde. Im Anschluß an diese Entscheidung des BVerfG ist daher in § 55 Abs. 7 EStG 1971 bestimmt, daß der Grund und Boden, der nach § 4 Abs. 1 Satz 5 EStG a.F. bisher nicht anzusetzen war, am 1. Juli 1970 wie eine Einlage zu behandeln sei; dabei war der Grund und Boden entweder nach § 55 Abs. 1 oder nach § 55 Abs. 5 EStG zu bewerten. Nach § 55 Abs. 1 i.V.m. den Abs. 2 und 3 EStG ist bei dem zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehörenden Grund und Boden als Wert das Zweifache des pauschal zu ermittelnden Ausgangsbetrages anzusetzen. Gemäß § 55 Abs. 5 EStG ist auf Antrag des Steuerpflichtigen der Teilwert als Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen, wenn der Steuerpflichtige nachweist, daß der Teilwert für den Grund und Boden i.S. des Abs. 1 am 1. Juli 1970 höher war als das Zweifache des Ausgangsbetrages.

Nicht besonders geregelt ist das Antragsrecht nach § 55 Abs. 5 EStG in den Fällen, in denen der Inhaber des Betriebes, zu dem der betreffende Grund und Boden gehörte, zwischen dem 1. Juli 1970 und dem Inkrafttreten des § 55 EStG am 10. August 1971 (und ebenso bis zum Ablauf des Antragsrechtes am 31. Dezember 1975) gewechselt hat, oder der betreffende Grund und Boden durch Eigentumswechsel aus dem betreffenden Betriebsvermögen ausgeschieden ist. Der Senat vertritt dazu folgende aus dem Sinn und Zweck des Gesetzes abgeleitete Auffassung:

a) Antragsberechtigt bleibt in jedem Fall der Betriebsinhaber, zu dessen Betriebsvermögen der betreffende Grund und Boden zum 1. Juli 1970 gehört hat.

b) Hat der neue Eigentümer des betreffenden Grund und Bodens die Buchwerte seines Rechtsvorgängers fortzuführen, wie in den Fällen des § 7 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV), dann erfordert diese Interessenlage, daß auch er antragsberechtigt ist.

c) Antragsberechtigt muß aber in jedem Fall auch der Gesamtrechtsnachfolger sein. Denn der Gesamtrechtsnachfolger tritt durch Universalsukzession materiell- und verfahrensrechtlich voll in die abgabenrechtliche Rechtsstellung seines Rechtsvorgängers ein. Er setzt die Person seines Rechtsvorgängers fort (vgl. u.a. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. März 1969 VI R 208/67, BFHE 96, 19, BStBl II 1969, 520).

2. Daraus ergibt sich für den Streitfall, daß der Kläger kraft eigenen Rechtes als Eigentümer sämtlicher Grundstücke, die zum 1. Juli 1970 zum Betriebsvermögen der BGB-Gesellschaft gehört haben, berechtigt war, den Antrag nach § 55 Abs. 5 EStG zu stellen. Denn der Kläger hat zu seinem Eigentum durch den Übergabevertrag vom 30. März 1971 auch den Mitunternehmeranteil seiner Mutter gemäß § 7 Abs. 1 EStDV unentgeltlich erworben, wodurch er verpflichtet war, die Buchwerte fortzuführen. Sein Antragsrecht bezieht sich daher auf sämtliche Grundstücke, die zum 1. Juli 1970 zum Betriebsvermögen der BGB- Gesellschaft gehört haben. Davon ist ursprünglich auch das FA in dem angefochtenen Feststellungsbescheid und in der Einspruchsentscheidung zutreffend ausgegangen.

Die Vorentscheidung war daher wegen Rechtsirrtums aufzuheben. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, damit es als Tatsacheninstanz die Einwände des Klägers gegen die vom FA angesetzten Teilwerte prüfen und erneut entscheiden kann.