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BFH-Urteil vom 12.10.1983 (II R 18/82) BStBl. 1984 II S. 116

Zur Behandlung von Sicherungsgrundschulden, die nach den Versteigerungsbedingungen bestehenbleiben, als Teil der Gegenleistung bei Abgabe des Meistgebots.

GrEStG NW § 11 Abs. 1 Nr. 4 (= GrEStG 1983 § 9 Abs. 1 Nr. 4).

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Die Klägerin war zusammen mit ihrem Ehemann hälftige Miteigentümerin verschiedener Grundstücke. Die Grundstücke waren u. a. mit einem Wegerecht und mit Grundschulden zugunsten der Stadtsparkasse A. in Höhe von 470.000 DM belastet.

Wegen des Grundstücksmiteigentumsanteils des Ehemanns der Klägerin wurde die Zwangsversteigerung angeordnet. In dem Versteigerungstermin vom 14. Oktober 1976 gab die Klägerin das Meistgebot ab. Bestehenblieben das Wegerecht und Grundschulden in Höhe von 160.000 DM und 140.000 DM. Diese Grundschulden hafteten für zwei von der Klägerin und ihrem Ehemann in gleicher Höhe aufgenommene Darlehen, auf deren Rückzahlung sie gesamtschuldnerisch verhaftet waren.

Das beklagte Finanzamt (FA) setzte gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer fest. Als Gegenleistung setzte es das Bargebot, das bestehenbleibende Wegerecht (2.000 DM) und die bestehenbleibenden Grundschulden mit ihrem Nennwert an.

Der Einspruch der Klägerin hatte z. T. Erfolg. Das FA rechnete die bestehenbleibenden Rechte nur noch mit der Hälfte ihres Wertes (151.000 DM) zur Gegenleistung.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin beantragt, die Grunderwerbsteuer nur nach dem Bargebot zu berechnen. Sie hat die Auffassung vertreten, daß die bestehenbleibenden Rechte nicht als Teil der Gegenleistung anzusetzen seien. Über das Meistgebot hinaus sei durch den Zuschlag keine finanzielle Mehrbelastung für die Klägerin entstanden. Ihr Ehemann erbringe die Leistungen auf die persönliche Schuld, die den beiden Grundschulden zugrunde liege.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung seines Urteils hat es ausgeführt:

Das FA habe zu Recht neben dem Bargebot weitere 151.000 DM in die Gegenleistung einbezogen. Die bestehenbleibenden Rechte gehörten gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) zur Gegenleistung. Es sei jedoch anerkannt, daß die bestehenbleibenden Rechte insoweit nicht in die Gegenleistung einzubeziehen seien, als sie für den Ersteher keine Mehrbelastung darstellen. Die bestehenbleibenden Rechte von nominell 302.000 DM stellten jedoch zumindest in Höhe von 151.000 DM eine wirtschaftliche Mehrbelastung der Klägerin dar.

Selbst wenn dem Vortrag der Klägerin gefolgt werde, ihr Ehemann habe die Darlehensverpflichtungen der Bank gegenüber im Innenverhältnis allein zu tragen, sei davon auszugehen, daß etwaige Ausgleichsansprüche der Klägerin gegenüber ihrem Ehemann, falls sie trotz der Regelung des § 53 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG) überhaupt noch Bestand haben sollten, wertlos seien.

Die Klägerin hat Revision eingelegt.

Entscheidungsgründe

Ihre Revision ist unbegründet.

Der erkennende Senat vermag nicht der Auffassung der Klägerin zu folgen, daß die beiden bei der Ersteigerung bestehengebliebenen Grundschulden überhaupt nicht in die Berechnung der Gegenleistung einzubeziehen seien.

Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG in der seinerzeit in Nordrhein-Westfalen geltenden Fassung gehörten zur Gegenleistung beim Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren auch die Rechte, die nach den Versteigerungsbedingungen bestehenblieben. Diese Vorschrift trug dem Umstand Rechnung, daß die Übernahme der dinglichen Rechte durch den Ersteigerer einen Teil des Versteigerungserlöses bildete (vgl. Kammergericht in HRR 1929 Nr. 958 und Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 19. März 1971 V ZR 166/68, BGHZ 56, 22, 24). Die beiden Grundschulden waren als Gesamtgrundschulden anzusehen, da sie das ganze Grundstück und nicht nur einen Miteigentumsanteil belasteten (vgl. Urteil des Reichsgerichts - RG - vom 25. Januar 1935 V 307/34, RGZ 146, 363).

Das FA hat dies zum Anlaß genommen, im Anschluß an Boruttau/Egly/Sigloch, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 11. Aufl., § 11 Tz. 241 (vgl. zum früheren Recht auch das Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 8. Oktober 1930 II A 427/30, RFHE 27, 194) die bestehenbleibenden Grundschulden als Teil der Gegenleistung für den ersteigerten hälftigen Miteigentumsanteil mit der Hälfte ihres Nennwertes anzusetzen. Wenn die Klägerin demgegenüber meint, daß diese Grundschulden überhaupt nicht in die Gegenleistung einzubeziehen seien, weil sie für sie keine (zusätzliche) wirtschaftliche Belastung darstellten, so kann ihr hierin nicht gefolgt werden.

Die Klägerin haftete zwar für die beiden Grundschulden auch mit dem hälftigen Miteigentumsanteil, der ihr bereits vor der Ersteigerung des anderen Miteigentumsanteils gehörte, im Umfang des Nennbetrages der Grundschulden. Die ersteigerte Grundstückshälfte war aber ebenfalls durch die Grundschulden belastet, so daß die Klägerin nach dem Zuschlag nicht nur mit ihrem bisherigen Miteigentumsanteil, sondern auch mit dem ersteigerten Miteigentumsanteil für die Grundschulden haftete. Dies rechtfertigt es jedenfalls, den halben Nennwert der bestehengebliebenen Grundschulden in die Gegenleistung einzubeziehen.

Dafür, daß die Grundschulden für die Klägerin überhaupt keine wirtschaftliche Belastung darstellten und deshalb nicht zum Ansatz gelangen können, gibt es keinen rechtlichen Gesichtspunkt.

Auszugehen ist davon, daß die Ehegatten nach den vertraglichen Vereinbarungen mit der Bank Gesamtschuldner der Darlehensverbindlichkeiten waren, die durch die beiden Grundschulden gesichert wurden.

Wird unterstellt, daß der Ehemann der Klägerin seine Darlehensverpflichtungen gemäß § 53 Abs. 2 ZVG vor der Aufforderung zur Abgabe von Geboten angemeldet hat, so hätte die Klägerin die Darlehensverbindlichkeiten nach dem Zuschlag (jedenfalls im Innenverhältnis) allein zu zahlen. Die sichernden Grundschulden wären somit eine echte Belastung für sie.

Nichts anderes gilt im Ergebnis für den Fall, daß der Ehemann entsprechend dem Vortrag der Klägerin im Innenverhältnis schon immer allein für die Darlehensverbindlichkeiten hätte einstehen müssen und daß er eine Anmeldung dieser Verbindlichkeiten gemäß § 53 Abs. 2 ZVG unterlassen haben sollte. In diesem Falle stände ihm nach der Rechtsprechung des BGH bei Erfüllung der Darlehensverbindlichkeiten durch ihn ein Anspruch gegen die Klägerin auf ungerechtfertigte Bereicherung zu (vgl. BGHZ 56, 22). Dabei kann offenbleiben, ob der Bereicherungsanspruch möglicherweise nur in Höhe der Hälfte der Darlehensverpflichtungen bestehen würde, weil die Klägerin nur den einen Grundstücksmiteigentumsanteil und damit nur einen Teil des Pfandobjektes ersteigert hat. Denn das FA hat nur die Hälfte des Nennwertes der Grundschulden zur Gegenleistung gerechnet. Daraus ergibt sich, daß auch in diesem Falle die bestehengebliebenen Grundschulden für die Klägerin (jedenfalls in Höhe des halben Nennwertes) eine wirtschaftliche Belastung darstellten.

Im übrigen weist der Senat noch darauf hin, daß dem Ehegatten die Rückgewähransprüche hinsichtlich der Grundschulden (aufschiebend bedingt durch die Tilgung der Darlehensverbindlichkeiten) gemeinschaftlich, d. h. je zur Hälfte, zustanden (vgl. Palandt, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 42. Aufl., § 1191 Anm. 3 e). Hieran würde sich für den Fall nichts ändern, daß der Ehemann die Darlehensverbindlichkeiten nicht gemäß § 53 Abs. 2 ZVG anmeldete (vgl. Huber, Die Sicherungsgrundschuld, S. 132 Fußnote 45). Dies würde bedeuten, daß dem Ehemann der Klägerin nicht nur ein Bereicherungsanspruch, sondern auch weiterhin ein Anspruch auf Rückgewähr der Grundschulden in Höhe der Hälfte zustand.

Falls der Ehemann die Darlehensverbindlichkeiten angemeldet haben sollte, wäre zwar ein gesetzlicher Übergang des Rückgewähranspruchs auf die Klägerin allein anzunehmen (vgl. Huber, a. a. O.). Die wirtschaftliche Belastung der Klägerin ergäbe sich aber in diesem Falle bereits aus der schon erörterten Tatsache des gesetzlichen Schuldübergangs (jedenfalls im Innenverhältnis) gemäß § 53 Abs. 2 ZVG.

Ob der Ehemann etwa später von dem ihm gegenüber der Klägerin als Ersteherin zustehenden Recht Gebrauch macht oder nicht, ist eine andere Frage, die für die Anwendung des § 11 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG ohne Bedeutung ist.