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BFH-Urteil vom 3.11.1983 (VII R 38/83) BStBl. 1984 II S. 185

Das FA kann gegen einen Lohnsteuererstattungsanspruch auch dann nicht mit einer Forderung einer anderen Körperschaft des öffentlichen Rechts aufrechnen, wenn es von der zuständigen Behörde dieser Körperschaft (hier Landesarbeitsamt) um die Vollstreckung der Forderung ersucht worden ist.

AO 1977 § 226, § 250, § 252.

Vorinstanz: FG Berlin

Entscheidungsgründe

Der Senat teilt die Auffassung des FG, daß sich aus § 252 AO 1977 die für die Aufrechnung notwendige Identität von Gläubiger und Schuldner nicht herleiten läßt. Nach dieser Vorschrift gilt zwar im Vollstreckungsverfahren die Körperschaft als Gläubigerin der zu vollstreckenden Ansprüche, der die Vollstreckungsbehörde angehört. Daraus folgt aber nicht, daß sie auch zur Aufrechnung befugt ist.

§ 252 AO 1977 enthält lediglich eine Regelung darüber, wer als Gläubiger im Vollstreckungsverfahren gilt. Der Begriff des Gläubigers im Sinne dieser Vorschrift ist danach ein verfahrensrechtlicher Begriff, der nur für die Zwangsvollstreckung Bedeutung hat und der nicht mit der Bezeichnung desjenigen verwechselt werden darf, dem der zu vollstreckende Anspruch materiell-rechtlich zusteht, so daß dieser Gläubiger dem Gläubiger im Zwangsvollstreckungsverfahren gegenübergestellt ist (vgl. Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 252 AO 1977 Anm. 2). Die Bestimmung des Gläubigers für das Zwangsvollstreckungsverfahren in § 252 AO 1977 ist als Sonderregelung anzusehen, deren Sinn und Zweck u. a. darin zu erblicken ist, für die Zwangsvollstreckung die Schwierigkeiten zu beseitigen, die sich ohne diese Regelung daraus ergeben würden, daß eine Vollstreckungsbehörde (FA, Hauptzollamt) i. S. des § 249 AO 1977 für eine andere Körperschaft als materiell-berechtigte Gläubigerin eines Anspruchs Vollstreckungsmaßnahmen auf deren Ersuchen (§ 250 AO 1977) ausführt (vgl. Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., Anm. 1).

Als Gläubigerin im Vollstreckungsverfahren kann die Körperschaft, zu der die Vollstreckungsbehörde gehört, nur Rechte zur Durchsetzung von Vollstreckungsmaßnahmen geltend machen und auch nur aus Vollstreckungsmaßnahmen Rechte erwerben. Die Vollstreckungsmaßnahmen sind im Sechsten Teil der AO 1977 abschließend geregelt (vgl. Schwarz in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a. a. O., Anm. 4). Die Aufrechnung gehört nicht dazu. Sie gehört in den Bereich des Erhebungsverfahrens (vgl. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. Juni 1971 II B 8/68, BFHE 102, 232, BStBl II 1971, 603, und vom 18. März 1976 V R 127/71, BFHE 118, 163, BStBl II 1976, 438) und ist nicht eine Maßnahme der Vollstreckung (Beschluß des erkennenden Senats vom 7. März 1967 VII 164/62, BFHE 88, 311, 313, BStBl III 1967, 381). Im Ergebnis entspricht diese Auffassung auch der weit überwiegend im Zivilrecht vertretenen Meinung, daß die Aufrechnung nicht als Maßnahme der Zwangsvollstreckung anzusehen ist (vgl. u. a. das Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 26. Mai 1971 VIII ZR 137/70, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1971, 1563, m. w. N.; s. auch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - vom 13. Oktober 1971 VI C 137.67, Die Öffentliche Verwaltung - DÖV - 1972, 573). Die Finanzbehörde kann deshalb gegen einen Lohnsteuererstattungsanspruch selbst dann nicht mit der Forderung einer anderen Körperschaft des öffentlichen Rechts aufrechnen, wenn sie von der zuständigen Behörde dieser Körperschaft gemäß § 250 AO 1977 um die Vollstreckung der Forderung ersucht worden ist.