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BFH-Urteil vom 9.11.1983 (II R 157/81) BStBl. 1984 II S. 204

Werden Eheleute wegen ihres gemeinschaftlichen Erwerbs eines Grundstücks durch getrennte Bescheide zur Grunderwerbsteuer herangezogen und erheben sie hierwegen gemeinschaftlich Klage, die durch das FG mit einem einheitlichen Urteil beschieden wird, so sind zur Ermittlung des Wertes des Streitgegenstandes i. S. des Art. 1 Nr. 5 Satz 1 BFH-EntlG die beiden Streitgegenstandswerte zusammenzurechnen (Klarstellung in Beziehung auf die BFH-Urteile vom 14. Januar 1969 II R 71/67, BFHE 95, 227, BStBl II 1969, 408, und vom 12. Juni 1968 II 155, 156/64, BFHE 93, 121, BStBl II 1968, 749).

BFH-EntlG Art. 1 Nr. 5 Satz 1; FGO § 59, § 155; ZPO §§ 3 ff., § 59.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

I.

Auf die - von beiden Klägern wegen der gegen sie erlassenen GrESt-Bescheide gemeinschaftlich erhobene - Klage hat das FG die Bescheide und die Einspruchsentscheidungen aufgehoben. Das FG hat keinen Beschluß über eine Verbindung zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung gefaßt. Das Urteil enthält keinen Ausspruch über eine Zulassung der Revision.

Mit der Revision beantragt das FA sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Klage abzuweisen.

Die Kläger sind der Revision entgegengetreten. Sie haben insbesondere geltend gemacht, die Revision sei unzulässig, weil das FG keinen Verbindungsbeschluß gefaßt habe, so daß die Streitgegenstandswerte nicht zusammengerechnet werden dürften und die Grenze von 10.000 DM nicht überschritten werde.

Entscheidungsgründe

II.

Auf die Revision des FA wird die Vorentscheidung aufgehoben und die Klage abgewiesen (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Entgegen der Annahme der Kläger ist die Revision nicht etwa im Hinblick auf Art. 1 Nr. 5 Satz 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFH-EntlG) unzulässig. Nach dieser Vorschrift findet, abweichend von § 115 Abs. 1 FGO, die Revision ohne Zulassung nur statt, wenn der Wert des Streitgegenstandes 10.000 DM übersteigt. Im vorliegenden Fall übersteigt er diesen Betrag.

Die Berechnung des Wertes des Streitgegenstandes für die Anwendung des Art. 1 Nr. 5 Satz 1 BFH-EntlG richtet sich nicht nach dem Gerichtskostengesetz (GKG), sondern gemäß § 155 FGO nach den §§ 3 ff. der Zivilprozeßordnung - ZPO - (vgl. BFH-Urteil vom 8. März 1977 VII R 3/76, BFHE 122, 8, BStBl II 1977, 614). Hiernach sind mehrere in derselben Klage geltend gemachte Ansprüche zusammenzurechnen (§ 5 erster Halbsatz ZPO). Mehrere Ansprüche in diesem Sinne werden geltend gemacht u. a. im Fall der sog. Klägerhäufung - subjektive Klagehäufung - (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 41. Aufl., § 5 Anm. 2).

Eine subjektive Klagehäufung kann nicht nur dadurch zustande kommen, daß das Gericht gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 FGO durch Beschluß mehrere bei ihm anhängige - selbständige - Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbindet; sie kann auch dann vorliegen, wenn von Anfang an mehrere Personen gemeinschaftlich Klage erheben. Nach § 59 FGO sind die Vorschriften der §§ 59 bis 63 ZPO über Streitgenossen im finanzgerichtlichen Verfahren sinngemäß anzuwenden. Mithin können auch vor den FG mehrere Personen als Streitgenossen gemeinschaftlich klagen, wenn sie aus demselben tatsächlichen und rechtlichen Grunde berechtigt oder verpflichtet sind (§ 59 ZPO). Eine derartige gemeinsame Berechtigung oder Verpflichtung aus demselben tatsächlichen oder rechtlichen Grunde liegt z. B. vor, wenn - wie hier - der umstrittene Steueranspruch vom FA auf einen gemeinsam abgeschlossenen Vertrag zurückgeführt wird (vgl. Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung [AO 1977]/Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 59 FGO Anm. 1). Die mithin zulässige gemeinschaftliche Klageerhebung ist dadurch gegeben, daß beide Kläger ihr Rechtsmittel in einer gemeinschaftlichen Klageschrift angebracht haben.

Die Auffassung, daß die Revision zulässig ist, steht nicht in Widerspruch zu den tragenden Gründen des im BFH-Urteil vom 14. Januar 1969 II R 71/67 (BFHE 95, 227, BStBl II 1969, 408) zitierten BFH-Urteils vom 12. Juni 1968 II 155, 156/64 (BFHE 93, 121, BStBl II 1968, 749). Letzterer Entscheidung lagen getrennt eingelegte Berufungen zugrunde, die durch getrennte finanzgerichtliche Urteile beschieden worden sind. Angesichts dessen kann der in den Gründen enthaltenen Bemerkung, an der gegenteiligen Ansicht des BFH-Urteils vom 11. April 1962 II 248/60 U (BFHE 75, 143, BStBl III 1962, 320) - dort allerdings nur für den nicht vorliegenden Fall bereits vom FG verbundener Verfahren - könne nicht festgehalten werden, keine die Entscheidung beeinflussende Bedeutung beigemessen werden. Der Senat ist in seiner Rechtsprechung seither jedenfalls nicht der Auffassung, daß bei zulässiger Klägerhäufung, sei sie durch gemeinschaftliche Klageerhebung oder durch die Verbindung selbständiger Verfahren zustande gekommen, die Streitgegenstandswerte nicht zusammengerechnet werden dürften.

2. ...