| Home | Index | EStG | Neuzugang | Impressum  
       

 

 

 

 

 

 

BVerwG-Urteil vom 21.10.1983 (8 C 162.81) BStBl. 1984 II S. 244

Für die Entscheidung über den Billigkeitserlaß der Gewerbesteuer bei Gewerbebetrieben in Sanierungsgebieten (§ 79 StBauFG) sind die Gemeinden zuständig.

Die unverkürzte Einziehung der Gewerbesteuer bei Gewerbebetrieben in Sanierungsgebieten ist eine unbillige Härte im Sinne des § 79 StBauFG, wenn bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlage des Gewerbeertrags sanierungsbedingte Dauerschuldzinsen dem Gewinn hinzugerechnet worden sind und die daraus folgende Erhöhung der Gewerbesteuer nicht durch eine sanierungsbedingte Gewinnerhöhung aufgefangen wird.

Vorinstanz: OVG Münster

Sachverhalt

I.

Der Kläger betreibt auf seinem Grundstück in St ein Handelsunternehmen. Das Grundstück liegt im Bereich der Innenstadtsanierung. In den Jahren 1975/76 ließ der Kläger das auf dem Grundstück vorhandene Wohn- und Geschäftshaus abbrechen und durch ein neues Wohn- und Geschäftshaus ersetzen. Zur Finanzierung des Bauvorhabens nahm er bis zum 31. Dezember 1976 Kredite von 430.386,83 DM auf, welche ihn für 1976 mit Dauerschuldzinsen von 7.445,52 DM belasteten. Der Beklagte bescheinigte durch Verfügung vom 12. Juni 1979, daß der Gewerbebetrieb des Klägers in einem förmlich festgelegten Sanierungsgebiet liegt.

Das Finanzamt stellte durch Außenprüfung beim Kläger folgende Umsätze und Gewinne fest:

Jahr

Umsatz in DM

Gewinn in DM

   

1970

277.000,-

59.000,-

1971

319.000,-

58.000,-

1972

338.000,-

78.000,-

1973

379.000,-

86.000,-

1974

383.000,-

87.000,-

1975

430.000,-

79.000,-

1976

389.000,-

64.000,-

1977

537.000,-

65.000,-

Mit Gewerbesteuermeßbescheid vom 12. Dezember 1977 rechnete das Finanzamt dem Gewerbeertrag für 1976 die Dauerschuldzinsen von 7.445, - DM hinzu und ermittelte danach einen einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag von 1.606, - DM. Auf der Grundlage dieses Meßbescheides veranlagte der Beklagte den Kläger durch Bescheid vom 1. Februar 1978 zur Gewerbesteuer für 1976 von 4.818, - DM.

Der Kläger hat nach erfolglosem Vorverfahren Klage erhoben mit dem Antrag, von der Gewerbesteuer 1976 einen Betrag von 1.125, - DM gemäß § 79 StBauFG zu erlassen. Er hat geltend gemacht, es bedeute eine unbillige Härte, wenn die Dauerschuldzinsen dem Gewerbeertrag 1976 zugerechnet würden. Die Belastung mit Dauerschuldzinsen sei auf eine Kapitalaufnahme zurückzuführen, die ausschließlich der Durchführung der Sanierung diene.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Urteil vom 5. April 1979 abgewiesen.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung des Klägers mit dem Antrag, das angefochtene Urteil zu ändern und den Gewerbesteuerbescheid 1976 des Beklagten vom 1. Februar 1978 und den Widerspruchsbescheid vom 26. April 1978 aufzuheben, soweit die festgesetzte Gewerbesteuer 3.693, - DM übersteigt, durch Urteil vom 6. Juli 1981 zurückgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:

Der Kläger habe die Klage im Berufungsverfahren zutreffend in eine Anfechtungsklage umgestellt. Denn ein Heranziehungsbescheid sei auf eine Anfechtungsklage aufzuheben, wenn die Behörde eine nach Lage der Sache gebotene vorherige Entscheidung über einen Erlaß der Abgaben wegen Unbilligkeit unterlassen habe. Da § 79 StBauFG keine Regelung des steuerrechtlichen Verfahrens enthalte, sei für dieses auf die für die Gewerbesteuer entsprechend geltenden verfahrensrechtlichen Vorschriften der Abgabenordnung, hier auf die verfahrensrechtliche Regelung des § 163 AO zurückzugreifen. § 163 AO biete die Möglichkeit zu einer Billigkeitsentscheidung im Festsetzungsverfahren.

Der angefochtene Gewerbesteuerbescheid sei rechtmäßig. Er beruhe auf § 16 GewStG 1974 i.V.m. den ordnungsgemäß festgesetzten gemeindlichen Hebesätzen. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf teilweisen Erlaß der Gewerbesteuer weder nach § 79 StBauFG noch nach § 163 AO zu.

Nach § 79 StBauFG sei bei Gewerbebetrieben in Sanierungsgebieten die Gewerbesteuer zu erlassen, soweit ihre Einziehung nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Gewerbebetriebs eine unbillige Härte darstelle. § 79 StBauFG enthalte gegenüber den §§ 163, 227 AO eine spezielle Regelung, die bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen eine Rechtspflicht zum Erlaß begründe. Der Beklagte könne jedoch einen Steuererlaß nach § 79 StBauFG nicht aussprechen, weil für eine solche Entscheidung nicht die Gemeinde, sondern das Finanzamt zuständig sei.

Gemäß § 184 Abs. 2 AO schließe die Befugnis des Finanzamts zur Festsetzung der Steuermeßbeträge auch die Befugnis zu Billigkeitsmaßnahmen nach § 163 AO ein, soweit für solche Maßnahmen in einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung oder einer obersten Landesfinanzbehörde Richtlinien aufgestellt worden seien. § 184 Abs. 2 AO solle sicherstellen, daß die der Festsetzung des Steuermeßbetrages vorausgehenden, durch Gesetz und verbindliche Richtlinien gebundenen Rechtsentscheidungen von den dafür sachverständigen und mit dem notwendigen Tatsachenwissen ausgestatteten Finanzämtern getroffen würden und daß den Gemeinden die Entscheidungskompetenz nur bei noch verbleibenden Ermessensentscheidungen zustehe. Verwaltungsvorschriften oder Richtlinien nach § 184 Abs. 2 AO könnten das in § 163 AO eingeräumte Verwaltungsermessen lenken und binden; sie höben in ihrer Regelungsreichweite das Ermessen der für die Entscheidung zuständigen Behörde auf. Diese Ermessensreduzierung bewirke nach § 184 Abs. 2 AO die Zuständigkeit des Finanzamts.

Danach sei die im Fall des § 79 StBauFG zu treffende Billigkeitsentscheidung dem Finanzamt aufgegeben. § 79 StBauFG stehe im Range über den in § 184 Abs. 2 AO vorausgesetzten Verwaltungsvorschriften. Er regele bundeseinheitlich die Kriterien einer sachlichen, durch Sanierungsmaßnahmen verursachten Unbilligkeit und räume ein Ermessen nicht ein. Infolgedessen bleibe insoweit für eine individuelle, die Autonomie der Gemeinde wahrende Zuständigkeit materiell kein Raum. Da die Entscheidung in § 79 StBauFG - anders als in § 163 AO - schon durch Gesetz strikt vorgeschrieben sei, enthalte dieses selbst die Vorgabe, an die § 184 Abs. 2 AO die Zuständigkeit der Finanzbehörden knüpfe. Hinzu komme, daß die Finanzbehörden im Rahmen der Meßbetragsfestsetzung bereits über die Daten verfügten, die einen Steuererlaß nach § 79 StBauFG rechtfertigen könnten und ein Interessenkonflikt innerhalb der Gemeindeverwaltung - Zusage ungerechtfertigter Billigkeitsmaßnahmen zwecks Förderung erwünschter Sanierungen - ausgeschlossen werde.

Die Hinzurechnung der Dauerschuldzinsen zu dem Gewerbeertrag begründe auch nach § 163 AO keine Verpflichtung zum Steuererlaß.

Eine sachliche Unbilligkeit im Sinne des § 163 AO liege nicht vor. Mit seinem Begehren, Dauerschuldzinsen dem Gewerbeertrag nicht zuzurechnen, verlange der Kläger, eine vom Gesetz (§ 8 Nr. 1 GewStG) getroffene Entscheidung als unbillige Härte zu werten. Diese Härte sei jedoch vom Gesetzgeber gewollt. Die Gewerbesteuer sei eine Objektsteuer. Der Bemessungsfaktor Gewerbeertrag gehe vom Ist-Ertrag aus und objektiviere ihn durch Hinzurechnungen und Kürzungen. Die Hinzurechnungen und die Kürzungen hätten den Zweck, die objektive Ertragskraft des Gewerbebetriebes zu erfassen. Hinzuzurechnen seien insbesondere Dauerschuldzinsen, d.h. Zinsen aus Fremdkapital, das der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals diene. Das langfristige Fremdkapital werde wie Eigenkapital behandelt. Mit der Rüge, durch die Hinzurechnungen würden Scheingewinne besteuert, greife der Kläger eine prinzipielle Kritik an dem Gewerbesteuergesetz auf. Rechtliche Bedenken gegen diese Grundsatzentscheidung des Gesetzes könnten indessen nicht im Wege des Billigkeitserlasses zur Geltung gebracht werden, weil ein Erlaß nur die Unbilligkeit im Einzelfall ausgleichen, nicht aber generalisierend Wertungen des Gesetzgebers korrigieren dürfe.

Die Steuererhebung stelle auch keine persönliche Unbilligkeit im Sinne des § 163 AO dar. Der Kläger habe durch seine Sanierungsaufwendungen einen Gewinnrückgang von 20 v.H. im Verhältnis zum Vorjahr erlitten. Die wirtschaftliche Erwerbsgrundlage des Klägers sei damit angesichts seiner starken Verschuldung und der insgesamt hinter den Erwartungen zurückbleibenden Gesamtsanierung der Innenstadt nicht befriedigend. Dennoch sei der erzielte Gewinn im Jahr 1976 nicht so gering, daß die wirtschaftliche Existenz des Klägers und der drei im Betrieb mitarbeitenden Familienmitglieder bedroht sei. Der den beiden im Gewerbebetrieb des Klägers zusammenarbeitenden Familien nach Erfüllung der Zins- und Tilgungsverpflichtungen verbleibende Gewinn sei eine ausreichende Grundlage, um den Gewerbebetrieb in der bisherigen Weise fortzusetzen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit welcher dieser die Verletzung materiellen Bundesrechts rügt und die teilweise Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen, die teilweise Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide des Beklagten sowie die Verpflichtung des Beklagten zum Erlaß der Gewerbesteuer 1976 in Höhe von 1.116,75 DM begehrt. Die Abweichung von dem bisherigen Antrag (1.125 DM) beruht auf dem Ergebnis einer nachträglichen Betriebsprüfung.

Der Beklagte tritt der Revision entgegen.

Der Oberbundesanwalt beim Bundesverwaltungsgericht und der Vertreter des öffentlichen Interesses beim Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen beteiligen sich am Verfahren.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision hat Erfolg. Das Urteil des Berufungsgerichts verletzt Bundesrecht. Der Kläger hat aus § 79 StBauFG Anspruch auf den begehrten Erlaß der Gewerbesteuer (§§ 144 Abs. 3 Nr. 1, 137 Abs. 1 VwGO).

Der Kläger verfolgt sein Erlaßbegehren im Revisionsverfahren zutreffend mit der Verpflichtungsklage. Die Auffassung des Berufungsgerichts, die auf den Steuererlaß gerichtete Klage sei als Anfechtungsklage zulässig, wird dem Begehren des Klägers nicht gerecht. Das Berufungsgericht führt zur Begründung seiner Auffassung aus: Das Städtebauförderungsgesetz enthalte keine Regelung des steuerrechtlichen Verwaltungsverfahrens. Es greife deshalb die jeweilige Regelung des Gewerbesteuerrechts, hier mithin § 163 AO ein. Gemäß § 163 Abs. 1 AO könne eine Behörde die Billigkeitsgründe bereits im Steuerfestsetzungsverfahren prüfen. Unterlasse eine Behörde im Festsetzungsverfahren eine nach der Sachlage gebotene Entscheidung über einen Billigkeitserlaß, sei der Festsetzungsbescheid auf eine Anfechtungsklage aufzuheben. Das geht fehl.

Zwar trifft die Auffassung des Berufungsgerichts zu, daß das Städtebauförderungsgesetz keine Regelung des steuerrechtlichen Verwaltungsverfahrens enthält. § 79 StBauFG regelt allein die materiellen Voraussetzungen für den Erlaß der Gewerbesteuer bei Gewerbebetrieben in Sanierungsgebieten, nicht dagegen, mit welcher Verwaltungsmaßnahme die Entscheidung über den Steuererlaß zu geschehen hat. Insbesondere regelt § 79 StBauFG nicht, ob die Entscheidung über einen Steuererlaß im Festsetzungsverfahren, im Erhebungsverfahren oder in beiden Verfahren erfolgen kann. Es ist deshalb in der Tat auf die für das Verfahren bei der Festsetzung und Erhebung von Gewerbesteuern allgemein geltenden Vorschriften zurückzugreifen. Die insoweit gemäß § 1 Abs. 2 Nrn. 4 und 5 AO anzuwendenden §§ 163 und 227 AO lassen die Entscheidung über einen Steuererlaß sowohl im Festsetzungs- als auch im Erhebungsverfahren zu. Das führt im vorliegenden Fall zur entsprechenden Anwendbarkeit von § 163 AO. Zu dieser Vorschrift hat der Senat bereits in seinem Urteil vom 4. Juni 1982 - BVerwG 8 C 90.81 - (Buchholz 401.0 § 163 AO Nr. 1 S. 1 (2)) entschieden, daß das Interesse an einem Billigkeitserlaß nicht mit einer gegen die Steuerfestsetzung gerichteten Anfechtungsklage verfolgt werden kann. Der Senat hat dies damit begründet, daß die Steuerfestsetzung als solche nicht gleichzeitig eine Entscheidung über die "abweichende" (niedrigere) Steuerfestsetzung im Sinne des § 163 Abs. 1 AO enthalte. Die Billigkeitsentscheidung, welche die vollständige oder teilweise Freistellung des Steuerpflichtigen von einer nach dem Gesetz entstandenen Steuerschuld zum Gegenstand hat, sei vielmehr ein gegenüber der Steuerfestsetzung selbständiger Verwaltungsakt, was auch daraus deutlich werde, daß diese "Entscheidung über die abweichende Festsetzung" mit der Steuerfestsetzung (äußerlich) verbunden werden könne, nicht aber verbunden werden müsse (§ 163 Abs. 1 Satz 3 AO). Daran ist festzuhalten.

Der Kläger hat der sich daraus ergebenden Rechtslage dadurch Rechnung getragen, daß er seinen Klageantrag wieder als Verpflichtungsantrag gefaßt hat. Diese Änderung begegnet (auch) revisionsrechtlich keinen Bedenken. § 142 VwGO steht schon deshalb nicht entgegen, weil das Verpflichtungsbegehren von Anfang an das Rechtsschutzziel des Klägers gewesen ist (vgl. § 88 VwGO). Den §§ 68 ff. VwGO ist ebenfalls genügt. Der Kläger hat mit seinem gegen den Gewerbesteuerbescheid 1976 gerichteten Widerspruch einen Steuererlaß nach § 79 StBauFG beantragt. Der Beklagte hat durch seinen Widerspruchsbescheid u.a. den begehrten Steuererlaß abgelehnt. Der dagegen gebotene Widerspruch kann nach Lage der Dinge in der Klageschrift, die Bescheidung dieses Widerspruchs in der Klageerwiderung des Beklagten gesehen werden.

Das Berufungsgericht hat in der Sache angenommen, der Beklagte könne einen Steuererlaß nach § 79 StBauFG nicht aussprechen, weil für eine solche Entscheidung nicht die Gemeinde, sondern gemäß entsprechender Anwendung des § 184 Abs. 2 Satz 1 AO das Finanzamt zuständig sei. Das verletzt Bundesrecht.

Für Entscheidungen über einen Billigkeitserlaß der Gewerbesteuer bei Gewerbebetrieben in Sanierungsgebieten nach § 79 StBauFG sind entsprechend § 163 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 AO in Verbindung mit dem NW Gesetz über die Rückübertragung der Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag und nach dem Gewerbekapital auf die Gemeinden vom 8. Juni 1949 (GV. NW. S. 113), nunmehr in Verbindung mit dem NW Gesetz über die Zuständigkeit für die Festsetzung und Erhebung der Realsteuern vom 16. Dezember 1981 (GV. NW. S. 732), die Gemeinden zuständig. Soweit dies aus irrevisiblem Recht folgt, ist der erkennende Senat an der Anwendung der einschlägigen landesrechtlichen Vorschriften nicht gehindert, weil diese dem angefochtenen Berufungsurteil nicht zugrunde liegen (vgl. §§ 173 VwGO, 562 ZPO: Urteil vom 22. Mai 1980 - BVerwG 7 C 73.78 - Buchholz 415.1 AllgKommR Nr. 32 S. 49 [51]).

Im einzelnen gilt:

Da § 79 StBauFG nicht regelt, wer für die in seinem Anwendungsfall zu treffenden Entscheidungen zuständig ist, muß für die Frage nach der Zuständigkeit ebenso wie für die Frage nach dem im übrigen anzuwendenden Verwaltungsverfahren auf die für die Gewerbesteuer allgemein maßgebenden Vorschriften zurückgegriffen werden, d. h. auf die gemäß § 1 Abs. 2 AO für die Realsteuern entsprechend geltenden Vorschriften der Abgabenordnung.

Die Entscheidung im Sinne des § 163 Abs. 1 Satz 1 AO, Steuern niedriger festzusetzen oder einzelne Besteuerungsgrundlagen, die die Steuern erhöhen, bei der Festsetzung der Steuer unberücksichtigt zu lassen, steht nach § 163 Abs. 2 Satz 1 AO der obersten Finanzbehörde, die die Steuer verwaltet, oder den von ihr bestimmten Finanzbehörden zu. Das Grundgesetz weist die Verwaltungskompetenz für die Realsteuern den Landesfinanzbehörden zu (Art. 108 Abs. 2 Satz 1 GG i. d. F. des Finanzreformgesetzes vom 12. Mai 1969, BGBl. I S. 359 - GG 1969 -) und bestimmt, daß die Verwaltung der den Gemeinden allein zufließenden Steuern durch die Länder ganz oder zum Teil der Gemeinden übertragen werden kann (Art. 108 Abs. 4 Satz 2 GG 1969). Diese Voraussetzungen sind erfüllt An der alleinigen Ertragshoheit der Gemeinden ändert nichts, daß aufgrund des Gemeindefinanzreformgesetzes vom 8. September 1969 (BGBl. I S. 1587) Bund und Länder durch eine Umlage an dem Aufkommen der Gewerbesteuer beteiligt werden (Urteil vom 29. September 1982 - BVerwG 8 C 48.82 - Buchholz 401.0 § 227 AO Nr. 6 S. 6 [10]). Das Land Nordrhein-Westfalen hat von der ihm durch das Grundgesetz eingeräumten Befugnis Gebrauch gemacht und durch Gesetz vom 8. Juni 1949 die Verwaltungskompetenz teilweise, nämlich hinsichtlich der "Festsetzung und Erhebung der Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag und dem Gewerbekapital" auf die hebeberechtigten Gemeinden übertragen. An die Stelle dieses Gesetzes ist das Gesetz vom 16. Dezember 1981 getreten, das die Verwaltungskompetenz "für die Festsetzung und Erhebung der Realsteuern" den hebeberechtigten Gemeinden überträgt. Aus diesen Landesgesetzen folgt in Verbindung mit Art. 108 Abs. 2 Satz 1 GG 1969, daß die Verwaltungskompetenz den Landesfinanzbehörden nur für die der Steuerfestsetzung vorausgehenden Verwaltungsmaßnahmen, d. h. nur für die Maßnahmen bis einschließlich zur Festsetzung des Gewerbesteuermeßbetrags, zusteht (vgl. §§ 179 Abs. 1, 180 Abs. 1, 184 Abs. 1 AO). Zwar werden danach die Besteuerungsgrundlagen, um die es im vorliegenden Verfahren insofern geht, als der Kläger begehrt, von einer Hinzurechnung der sanierungsbedingten Dauerschuldzinsen zum Gewinn (§ 8 Nr. 1 GewStG) im Billigkeitswege abzusehen, von den Landesfinanzbehörden (Finanzämtern) festgestellt. Gleichwohl ist für die vom Kläger begehrte Billigkeitsentscheidung die Gemeinde zuständig, weil der in den Fällen des § 79 StBauFG insoweit entsprechend anzuwendende § 163 Abs. 1 Satz 1 AO die aus Billigkeitsgründen mögliche Nichtberücksichtigung einzelner Besteuerungsgrundlagen "bei der Festsetzung der Steuer" vorsieht, und diese Festsetzung, wie bereits dargelegt, in Nordrhein-Westfalen durch Landesgesetz den Gemeinden übertragen worden ist (vgl. für die Rechtslage nach § 131 RAO: Urteil vom 10. Juli 1964 - BVerwG VII C 35.62 - BVerwGE 19, 125 [126]; BFH, Urteile vom 9. Januar 1962 - I 101/60 S - BStBl 1962 III S. 238 [239 f.] und vom 24. Oktober 1972 - VIII R 32/67 - BStBl 1973 II S. 233 [235]). Die Gemeinden müssen daher, soweit aus Billigkeitsgründen eine abweichende Steuerfestsetzung durch (teilweise) Nichtberücksichtigung von Besteuerungsgrundlagen in Betracht kommt, vor der Anwendung des Hebesatzes auf den einheitlichen Steuermeßbetrag (§ 16 Abs. 1 GewStG) die vom Finanzamt in dem Grundlagenbescheid festgesetzten Besteuerungsgrundlagen entsprechend der Billigkeitsentscheidung umrechnen.

Die Annahme des Berufungsgerichts, für die Entscheidung über den Erlaß der Gewerbesteuer nach § 79 StBauFG sei gleichwohl gemäß § 184 Abs. 2 Satz 1 AO die Landesfinanzbehörde (das Finanzamt) zuständig, geht fehl. Seine Ansicht, § 79 StBauFG sei deshalb einer Richtlinie im Sinne des § 184 Abs. 2 Satz 1 AO gleichzustellen, weil Richtlinien eine Ermessensreduzierung bewirken, § 79 StBauFG ein Ermessen aber gar nicht erst einräume, ist mit § 184 Abs. 2 Satz 1 AO nicht vereinbar.

Nach § 184 Abs. 2 Satz 1 AO schließt die Befugnis (der Finanzämter), Realsteuermeßbeträge festzusetzen, die Befugnis zu Maßnahmen nach § 163 Abs. 1 Satz 1 AO ein, soweit für solche Maßnahmen in einer allgemeinen Verwaltungsvorschrift der Bundesregierung oder einer obersten Landesfinanzbehörde Richtlinien aufgestellt worden sind. Eine unmittelbare Anwendung dieser Vorschrift scheidet, wie das Berufungsgericht nicht verkennt, hier schon deshalb aus, weil weder die Bundesregierung noch die oberste Landesfinanzbehörde einschlägige Richtlinien zu § 79 StBauFG (oder zu § 163 AO) aufgestellt haben. Auch eine entsprechende Anwendung des § 184 Abs. 2 Satz 1 AO kommt jedoch entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht in Betracht. Die Interessenlage ist in den Fällen des § 79 StBauFG eine andere. § 184 Abs. 2 Satz 1 AO will die Fälle der Gruppenunbilligkeit erfassen und knüpft dabei an die Tatsache an, daß Billigkeitsentscheidungen nach § 163 AO Ermessensentscheidungen sind. Sinn des § 184 Abs. 2 Satz 1 AO ist es, in den Fällen der Gruppenunbilligkeit, für die Ermessensrichtlinien aufgestellt worden sind, durch die Verlagerung der Zuständigkeit auf die Landesfinanzbehörden (Finanzämter) im Interesse der Gleichmäßigkeit der Besteuerung eine weitgehend gleiche Ermessensausübung zu gewährleisten. Nicht dagegen hat die Vorschrift, wie das Berufungsgericht annimmt, den Zweck, aus dem Bereich des Billigkeitserlasses nur die Ermessensentscheidungen bei den Gemeinden zu belassen und rechtlich gebundene oder durch Richtlinien gelenkte Ermessensentscheidungen in die Zuständigkeit der Landesfinanzbehörden zu verweisen. Daraus folgt, daß im Anwendungsbereich des § 79 StBauFG eine Zuständigkeitsverlagerung nach § 184 Abs. 2 Satz 1 AO nicht stattfindet. Entscheidungen nach § 79 StBauFG haben regelmäßig Fälle der Individualunbilligkeit, nicht dagegen solche der Gruppenunbilligkeit zum Gegenstand. Überdies fehlt es § 79 StBauFG nicht nur formal, sondern auch inhaltlich am Charakter einer Richtlinie. Diese Vorschrift regelt nicht, wie das bei Richtlinien der Fall zu sein pflegt, mehr oder weniger abschließend, was bei einem Erlaß der Gewerbesteuer im einzelnen zu prüfen und zu erwägen ist. Er verhält sich nicht dazu, unter welchen Voraussetzungen die Einziehung der Gewerbesteuer bei Gewerbebetrieben in Sanierungsgebieten "nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Gewerbebetriebes eine unbillige Härte darstellen würde"; er stellt diese Anforderungen auf, überläßt damit jedoch ihre Ausfüllung und Auslegung der Rechtsanwendung im Einzelfall.

Die dem Kläger einen Steuererlaß bereits aus Zuständigkeitsgründen versagende Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich nicht aus anderen Gründen als richtig dar. Bei der vollen Abweisung der Klage müßte es bleiben, wenn sich ergäbe, daß dem Kläger der begehrte Steuererlaß nach § 79 StBauFG aus anderen Gründen nicht zusteht. Das ist nicht der Fall. Der Kläger hat im Gegenteil gemäß § 79 StBauFG Anspruch darauf, daß bei der Veranlagung der Gewerbesteuer 1976 für seinen im Sanierungsgebiet gelegenen Betrieb die sanierungsbedingten Dauerschuldzinsen der Besteuerungsgrundlage Gewerbeertrag entgegen § 8 Nr. 1 GewStG aus Billigkeitsgründen nicht zugerechnet werden.

Der Gewerbebetrieb des Klägers liegt im Sanierungsgebiet. Die nach Landesrecht zuständige Behörde hat dies bescheinigt (§ 83 Abs. 2 Buchst. b StBauFG). Angesichts dessen hat der Kläger gemäß § 79 StBauFG Anspruch auf Erlaß der Gewerbesteuer, "soweit ihre Einziehung nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Gewerbebetriebs eine unbillige Härte darstellen würde". Diese Voraussetzungen sind in der Höhe erfüllt, in der der Kläger im vorliegenden Verfahren einen Erlaß begehrt.

Zu der nahezu gleichlautenden Vorschrift des § 33 Abs. 1 Satz 2 GrStG (Grundsteuererlaß wegen wesentlicher Ertragsminderung bei eigengewerblich genutzten bebauten Grundstücken) hat der erkennende Senat entschieden, daß bei der Prüfung der Unbilligkeit auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Gesamtunternehmens, nicht auf die der einzelnen Betriebsstätte abzustellen ist, und daß die Einziehung der Grundsteuer "nach den wirtschaftlichen Verhältnissen des Betriebs" nur unbillig sein kann, wenn erstens das Gesamtunternehmen ein negatives Betriebsergebnis erwirtschaftet hat und zweitens die unverkürzte Grundsteuer innerhalb des Gesamtaufwands von nicht ganz geringfügigem Gewicht ist (Urteil vom 29. September 1982 - BVerwG 8 C 50.81 - Buchholz 401.4 § 33 GrStG Nr. 18 S. 1 [2 f.]). In § 79 StBauFG hat der Begriff der unbilligen Härte einen anderen Bezugspunkt und daher auch einen anderen Inhalt: Durch den Gewerbesteuererlaß soll - ebenso wie durch die übrigen Förderungs-) Bestimmungen des Städtebauförderungsgesetzes - die Sanierung gefördert werden (§ 1 Abs. 1 StBauFG). Das Gesetz will auf die Sanierungswilligkeit der von der Sanierung Betroffenen dadurch unterstützend einwirken, daß es die wirtschaftlichen Einbußen, die aus Maßnahmen im Sinne des Städtebauförderungsgesetzes folgen, mildert oder beseitigt. Zu diesen Maßnahmen zählen u. a. "die Beseitigung baulicher Anlagen und Neubebauung" in Sanierungsgebieten (§ 1 Abs. 2 StBauFG).

Diese Zielsetzung schließt erstens die Annahme aus, eine unbillige Härte im Sinne des § 79 StBauFG liege nur dann vor, wenn entweder der Betrieb durch die Einziehung der Steuer in seiner Existenz gefährdet würde, wie das für die persönliche Unbilligkeit in den Fällen der §§ 163 Abs. 1, 227 Abs. 1 AO vorausgesetzt wird, oder wenn das Unternehmen ein negatives Betriebsergebnis erwirtschaftet hat (§ 33 Abs. 1 Satz 2 GrStG) oder wenn es dem Steuerpflichtigen angesichts seiner sonstigen wirtschaftlichen Verhältnisse nicht zugemutet werden kann, die volle Steuer selbst zu tragen. Zweitens folgt aus dem von § 79 StBauFG verfolgten Ziel, daß es bei mehreren Betriebsstätten eines Unternehmens nur auf die Verhältnisse derjenigen Betriebsstätte ankommen kann, die von Sanierungsmaßnahmen betroffen ist. Der Begriff der unbilligen Härte in § 79 StBauFG ist mithin sachbezogen (vgl. Meyer/Stich/Schlichter, Städtebauförderungsgesetz, § 79 Rdn. 2); es kommt objektiv auf die sanierungsbedingte Betroffenheit eines Vermögens(teils) an. Andererseits ergibt sich aus dem Gesetzeswortlaut ("soweit", "unbillige Härte"), daß nach § 79 StBauFG nicht jede wirtschaftliche Einbuße zu einem Anspruch auf Gewerbesteuererlaß führt, zumal sich im Fall eines Rückgangs des Gewinns der Steuermeßbetrag jedenfalls für die Besteuerungsgrundlage des Gewerbeertrags und damit die Gewerbesteuer nach dem Gewerbeertrag ohnedies verringern (§§ 11, 16 GewStG).

Der Kläger hält es für eine unbillige Härte im Sinne des § 79 StBauFG, wenn sanierungsbedingte Dauerschuldzinsen nach Maßgabe des § 8 Nr. 1 GewStG bei der Errechnung des Steuermeßbetrags nach dem Gewerbeertrag dem Gewinn aus Gewerbebetrieb hinzugerechnet werden, obgleich sie ein Teil des "echten" Gewinns gerade nicht sind. Dieser Bewertung ist im Grundsatz beizupflichten. Nimmt ein Gewerbesteuerpflichtiger für die Durchführung einer Sanierungsmaßnahme, wie das hier bei der Beseitigung des alten Hauses und seiner Ersetzung durch ein neues Haus der Fall gewesen ist, Dauerschulden auf und ist infolgedessen der Gewerbebetrieb mit den dafür aufzubringenden Dauerschuldzinsen belastet, wäre es eine unbillige Härte, diese - weder durch die allgemeine wirtschaftliche Lage noch durch eine besondere betriebliche Lage des Steuerpflichtigen, sondern - durch die Sanierung bedingte Belastung bei der Gewerbesteuer außer Betracht zu lassen, d. h. die Dauerschuldzinsen ohne Beachtung und Prüfung der Sachlage des Einzelfalles durch Hinzurechnung zum Gewinn gewerbesteuererhöhend zu berücksichtigen. Eine unbillige Härte ist unter solchen Umständen nur dann nicht gegeben, wenn die sanierungsbedingte Steuererhöhung durch eine sanierungsbedingte Gewinnerhöhung aufgefangen wird. Steigen in den Jahren nach dem Abschluß der Sanierung der Umsatz und der Gewinn und beruht der höhere Gewinn auf den Sanierungsmaßnahmen, so ist es billig, auch die sanierungsbedingt höhere Gewerbesteuer zu entrichten, soweit diese ohne Beeinträchtigung des Betriebs aus dem erhöhten Teil des Gewinns erbracht werden kann. Dabei ist der Durchschnitt des Gewinns der letzten drei vollen Jahre vor Beginn der Sanierungsmaßnahme mit dem Gewinn des Jahres, für das der Gewerbesteuererlaß begehrt wird, zu vergleichen. Dieser Vergleich führt im vorliegenden Fall zu der Annahme, daß eine sanierungsbedingte Gewinnerhöhung nicht gegeben ist. Nach den Feststellungen im Berufungsurteil beträgt der Durchschnitt des Gewinns der Jahre 1972 bis 1974 83.666 DM, der Gewinn des Jahres 1976 dagegen nur 64.000 DM.

Danach hat der Kläger gegen die Stadt nach § 79 StBauFG Anspruch darauf, daß die sanierungsbedingten Dauerschuldzinsen, welche im Jahr 1976 7.445,52 DM ausmachten, bei der Festsetzung der Steuer - rechnerisch bei Ermittlung des Steuermeßbetrags nach dem Gewerbeertrag - unberücksichtigt gelassen werden. Die Nichtberücksichtigung führt zu einem Erlaß (abweichende Steuerfestsetzung) der Gewerbesteuer 1976 in Höhe von 1.116,75 DM. Die vom Berufungsgericht nicht getroffene Feststellung dieses Betrags nimmt der Senat aus Gründen der Prozeßwirtschaftlichkeit vor, weil sie als Tatsache zwischen den Beteiligten unstreitig ist (vgl. Urteil vom 17. Dezember 1968 - BVerwG II C 113.65 - Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 34).