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BFH-Urteil vom 29.11.1983 (VIII R 96/81) BStBl. 1984 II S. 303

1. Die Kosten für die ursprüngliche Planung eines Gebäudes gehören zu den Herstellungskosten, wenn später ein die beabsichtigten Zwecke erfüllendes Gebäude erstellt wird.

2. Handelt es sich bei dem ursprünglich geplanten Gebäude und dem errichteten Gebäude nach Zweck und Bauart um zwei völlig verschiedene Bauwerke, gehören die Kosten für die ursprüngliche Planung ganz oder teilweise zu den Herstellungskosten des Gebäudes, wenn sie in irgendeiner Form der Errichtung des Gebäudes gedient haben. Es genügt, daß Erfahrungen für die Planung und Errichtung des Gebäudes gewonnen werden. Erfahrungen, die lediglich für die Finanzierung des Gebäudes Bedeutung haben, reichen unter diesen Umständen nicht aus.

EStG §§ 7, 9, 21.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), die im Streitjahr zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden, besitzen in B, L-Straße, ein 1964 errichtetes Einfamilienhaus, das sie auch beruflich für ihre Arztpraxis nutzen. Daneben gehört ihnen noch ein weiteres unbebautes Grundstück in der H-Straße 1.

Im Jahr 1972 entschlossen sich die Kläger, das Grundstück H-Straße 1 mit einem siebengeschossigen Terrassenhaus mit 12 bis 15 Wohneinheiten und Schwimmbad zu bebauen. Im Erdgeschoß sollte es die Arztpraxis der Kläger aufnehmen. Da sich das Grundstück an einem Steilhang befindet, wurden 1972 Bodengutachten sowie Aufnahmen und Zeichnungen von Geländeprofilen erstellt, die die Eignung des Grundstücks für den beabsichtigten Bau zum Gegenstand hatten. Dafür entstanden Kosten von 3.200 DM. Außerdem wurden für eine Bauherrenhaftpflichtversicherung 598,50 DM und für Rodungsarbeiten 110 DM aufgewendet. 1973 entstanden Planungskosten (für Architekten, Statiker, Elektroinstallationen, Prüfgebühren und ähnliches) in Höhe von 77.529,99 DM.

Nach der Ausschreibung stellten die Kläger fest, daß das siebengeschossige Gebäude um etwa 50 v.H. teurer als ursprünglich veranschlagt kommen würde. Wegen der stark gestiegenen Zinsen und der gesunkenen Nachfrage nach entsprechenden Mietobjekten erschien den Klägern die Rentabilität des geplanten Objekts nicht mehr gewährleistet. Sie nahmen daher von einer Verwirklichung der ursprünglichen Planung Abstand. Statt dessen errichteten sie 1975 auf dem Grundstück ein zweigeschossiges Gebäude. Dieses enthält im Erdgeschoß die Arztpraxis der Kläger und im ersten Stock drei Wohnungen.

In ihren Einkommensteuererklärungen für 1972 und 1973 machten die Kläger die genannten Aufwendungen in voller Höhe als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung geltend. Der Abzug dieser Aufwendungen wurde vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) zunächst anerkannt. Nach einer Betriebsprüfung im Jahr 1975 ließ das FA den Abzug jedoch nicht mehr zu, weil die in 1972 und 1973 entstandenen Planungskosten zu den Herstellungskosten des 1975 errichteten Gebäudes gehören würden. Der Einspruch gegen die geänderten Bescheide blieb erfolglos.

Die Klage, mit der der Abzug aller in 1972 und 1973 entstandenen Aufwendungen in Höhe von 81.437 DM für das Jahr 1973 geltend gemacht wurde, hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führt in seiner in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1981, 502 veröffentlichten Entscheidung aus: Bei dem Aufwand der Kläger für das nicht durchgeführte Bauvorhaben handele es sich um vergebliche Werbungskosten, die zum Erwerb von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung gemacht wurden. Vorab entstandener vergeblicher Aufwand könne nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (z.B. Urteil vom 13. November 1973 VIII R 157/70, BFHE 110, 556, BStBl II 1974, 161) auch dann als Werbungskosten Berücksichtigung finden, wenn im Zeitpunkt des Aufwands noch keine Einnahmen erzielt würden. Die Planungskosten für das Terrassenhaus gehörten nicht zu den Herstellungskosten des später errichteten Hauses. Den BFH-Urteilen vom 6. März 1975 IV R 146/70 (BFHE 115, 438, BStBl II 1975, 574) und vom 11. März 1976 IV R 176/72 (BFHE 119, 240, BStBl II 1976, 614) könne nicht gefolgt werden. Nach diesen Entscheidungen seien die Kosten einer nutzlosen Planung selbst dann zu den Herstellungskosten eines später errichteten Gebäudes zu rechnen, wenn dieses aufgrund einer völlig neuen Planung errichtet worden sei. Entscheidend könne nur sein, ob die erste Planung der Herstellung des später errichteten Gebäudes gedient habe. Sei dies nicht der Fall, könnten die Planungskosten des ursprünglich beabsichtigten Bauvorhabens nicht zu den Herstellungskosten des später errichteten Gebäudes gerechnet werden. Die Planung eines siebengeschossigen Terrassenhauses mit 12 bis 15 Wohneinheiten, Praxis und Schwimmbad als Renditeobjekt sei vom Zweck her etwas anderes als ein zweigeschossiges Haus mit nur drei Wohnungen und Praxis, das mehr unter dem Aspekt der Eigennutzung stehe.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung der §§ 7, 9, 21 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Es hält daran fest, daß die Aufwendungen für das geplante Terrassenhaus zu den Herstellungskosten des errichteten Gebäudes gehören. Dieses erfülle den gleichen Zweck, den auch das ursprünglich geplante Gebäude erfüllen sollte, nämlich Unterbringung der Arztpraxis der Kläger und Schaffung von Wohnraum. Das Gebäude sei in herkömmlicher Massivbauweise, also in der gleichen Bauart, in der auch das ursprünglich geplante Terrassenhaus ausgeführt werden sollte, errichtet worden. Ein Übergang von einem siebengeschossigen Terrassenbau zu einem zweigeschossigen Hochbau sei keine Herstellung in gänzlich anderer Bauart.

Das FA beantragt, die Klage unter Aufhebung des FG-Urteils abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Sie sind der Auffassung, daß die Vorentscheidung geltendes Recht nicht verletze. Das FG habe die vergeblichen Planungskosten für das Terrassenhaus mit Recht nicht zu den Herstellungskosten des drei Jahre später errichteten Gebäudes gerechnet. Die Planung und die andere Bauvorbereitung für das Terrassenhaus hätten bei dem später tatsächlich errichteten Gebäude keinerlei Verwendung gefunden. Ein zweigeschossiges Gebäude mit Praxis und drei kleinen Wohnungen erfülle nicht den gleichen Zweck wie ein an einem Hang errichtetes Terrassenhaus mit dem fünf- bis sechsfachen Wohnraum und einem Schwimmbad. Für das Terrassenhaus sei Sichtbetonbauweise vorgesehen gewesen. Das errichtete zweigeschossige Gebäude sei ebenerdig mit Fertigteilen innerhalb von ca. vier Monaten schlüsselfertig erstellt worden.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Werbungskosten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Dabei können die Werbungskosten schon zu einem Zeitpunkt anfallen, in dem mit dem Aufwand zusammenhängende Einnahmen noch nicht erzielt werden.

Voraussetzung für die Anerkennung solcher vorab entstandener Werbungskosten ist allerdings, daß ein ausreichend bestimmter wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und der Einkunftsart, in deren Rahmen ein Abzug begehrt wird, besteht (BFH-Urteile vom 6. März 1975 IV R 146/70, BFHE 115, 438, BStBl II 1975, 574; vom 22. April 1975 VIII R 110/70, BFHE 115, 479, BStBl II 1975, 663; vom 15. Dezember 1981 VIII R 107/79, BFHE 135, 431, BStBl II 1982, 495). Ein solcher Zusammenhang zwischen den Aufwendungen und späteren Einkünften besteht von dem Zeitpunkt an, zu dem sich anhand objektiver Umstände feststellen läßt, daß ein Steuerpflichtiger den Entschluß, durch die Errichtung oder den Erwerb eines Gebäudes die Einkunftsart Vermietung und Verpachtung zu begründen, endgültig gefaßt hat (BFH-Urteile vom 13. November 1973 VIII R 157/70, BFHE 110, 556, BStBl II 1974, 161; vom 10. März 1981 VIII R 195/77, BFHE 133, 189, BStBl II 1981, 470).

Nicht abziehbar sind Aufwendungen, die sich auf die Anschaffung des Grund und Bodens beziehen, oder Aufwendungen, die zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines anderen als des ursprünglich geplanten Hauses gehören (BFH-Urteile vom 14. Februar 1978 VIII R 9/76, BFHE 125, 153, BStBl II 1978, 455; vom 25. Juli 1978 VIII R 42/76, BFHE 126, 18, BStBl II 1979, 14; vom 9. September 1980 VIII R 44/78, BFHE 131, 479, BStBl II 1981, 418).

2. Der BFH hat in den vom FG angeführten Urteilen in BFHE 115, 438, BStBl II 1975, 574 und in BFHE 119, 240, BStBl II 1976, 614 dazu Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen Aufwendungen für nicht verwirklichte Baupläne zu den Herstellungskosten eines später errichteten Gebäudes zu rechnen sind. Danach gehören auch die Kosten für die ursprüngliche Planung zu den Herstellungskosten, wenn die Errichtung eines für bestimmte Zwecke vorgesehenen Gebäudes aufgrund der zunächst beabsichtigten Planung nicht durchgeführt wird, dann aber doch ein die beabsichtigten Zwecke erfüllendes Gebäude erstellt wird. Die Kosten für nicht verwirklichte Baupläne rechnen nur dann nicht zu den Herstellungskosten des Gebäudes, wenn es sich bei dem ursprünglich geplanten Gebäude und bei dem errichteten Gebäude nach Zweck und Bauart um zwei völlig verschiedene Bauwerke handelt (z.B. anstelle eines ursprünglich geplanten Wohngebäudes wird eine Fabrikhalle errichtet) und die erste Planung in keiner Weise der Errichtung des neuen Gebäudes dient. Diese Auffassung beruht auf der Überlegung, daß bei gleichem Zweck und bei gleicher Bauart des ursprünglich geplanten und des errichteten Gebäudes auch die Kosten der ursprünglichen Planung wertbestimmend in das neue Gebäude eingehen (BFHE 131, 479, BStBl II 1981, 418).

3. Das FG ist von den Urteilen in BFHE 115, 438, BStBl II 1975, 574 und in BFHE 119, 240, BStBl II 1976, 614 bewußt abgewichen. Die Ausführungen des FG geben dem Senat keinen Anlaß, die bisherige Rechtsprechung des BFH aufzugeben.

Der Senat ist der Ansicht, daß das FG dem Begriff der Herstellungskosten nicht gerecht wird, wenn es zu den Herstellungskosten eines Gebäudes nur Kosten für solche Planungen rechnen will, welche verwirklicht worden sind. Es ist nichts Ungewöhnliches, daß vor der Verwirklichung eines Projekts mehrere Planungen durchgeführt werden, um die Lösung zu finden, die den Erfordernissen und den vorhandenen Möglichkeiten am besten entspricht.

4. Die Kosten für die Planung des Terrassenhauses können den Herstellungskosten des zweigeschossigen Gebäudes allerdings nicht schon deshalb zugerechnet werden, weil auf dem Grundstück der Kläger später ein Gebäude errichtet worden ist. Das geplante Terrassenhaus mit sieben Geschossen kann dem später errichteten zweigeschossigen Gebäude nicht gleichgesetzt werden. Es handelt sich - entgegen der Auffassung des FA - im Sinne der Rechtsprechung des BFH um völlig verschiedene Bauwerke. Das Terrassenhaus und das später errichtete Gebäude waren zwar beide dazu bestimmt, die Praxisräume der Kläger aufzunehmen und durch die Vermietung von Wohnungen eine Rendite zu erzielen. Geplanter und durchgeführter Zweck stimmen aber nur im Grundsatz überein. Im Ausmaß sind sie völlig verschieden. Auch die Bauart ist grundlegend anders. Dem entsprechen die Feststellungen des FG, das nach Vorführung des Terrassenhaus-Modells in der mündlichen Verhandlung den Eindruck gewonnen hat, daß etwas gänzlich anderes, als ursprünglich geplant, zur Ausführung gekommen sei.

5. Auch wenn das ursprünglich vorgesehene und das tatsächlich errichtete Gebäude völlig verschieden sind, können die Kosten für die ursprüngliche Planung entgegen der Auffassung des FG ganz oder teilweise zu den Herstellungskosten des errichteten Gebäudes gehören. Eine Zurechnung entfällt unter diesen Umständen zwar, wenn die erste Planung in keiner Weise der Errichtung des Gebäudes gedient hat. Die vergeblichen Planungskosten gehören aber ganz oder teilweise zu den Herstellungskosten des errichteten Gebäudes, wenn sie in irgendeiner Form der Errichtung des Gebäudes gedient haben. Die vergeblichen Planungskosten müssen nicht zu einer meßbaren Wertbestimmung führen. Es genügt für die Annahme von Herstellungskosten, daß Erfahrungen für die Planung und Errichtung des Gebäudes gewonnen werden. Erfahrungen, die lediglich für die Finanzierung des Gebäudes Bedeutung haben, reichen unter diesen Umständen nicht aus. Im Streitfall erscheint es denkbar, daß die ursprünglichen Planungskosten wenigstens teilweise Herstellungskosten geworden sind, soweit baurechtliche, statische und architektonische Elemente der ursprünglichen Planung in die endgültige Gebäudeausführung eingegangen sind.

6. Die Sache geht an das FG zurück, das die erforderlichen Feststellungen nachzuholen hat. Soweit die Planungskosten keine Herstellungskosten sind, sind sie nach den Grundsätzen des Senatsurteils in BFHE 110, 556, BStBl II 1974, 161 als Werbungskosten abziehbar.

7. Das FG wird zu berücksichtigen haben, daß die Kosten für die Bauherrenhaftpflichtversicherung nicht zu den Herstellungskosten, sondern zu den sofort abziehbaren Werbungskosten i. S. des § 9 Abs. 1 Nr. 2 EStG gehören (vgl. BFH-Beschluß vom 25. Februar 1976 VIII B 81/74, BFHE 129, 540, BStBl II 1980, 294; Schreiben des Bundesministers der Finanzen vom 13. August 1981 IV B 1 - S 2.253a - 3/81 unter 2k, BStBl I 1981, 604). Da diese Ausgaben bereits 1972 gemacht worden sind, kommt ein Abzug im Jahr 1973 nach § 11 Abs. 2 EStG nicht in Betracht.