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BFH-Urteil vom 15.3.1984 (IV R 189/81) BStBl. 1984 II S. 486

Veräußert ein Verlag, der mehrere Fachgebiete verlegerisch betreut, eines der Fachgebiete an einen anderen Verlag, so liegt eine Teilbetriebsveräußerung vor, wenn die verlegerische Betreuung dieses Fachgebiets innerhalb des Verlages als ein mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter, organisch geschlossener Teil des Gesamtbetriebs in Erscheinung trat, der für sich allein lebensfähig war.

EStG 1969 § 16 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

Das Verlagsunternehmen der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer KG, gliederte sich in einen Buchverlag und die verlegerische Betreuung der Fachgebiete X und Y mit den dazugehörigen Fachzeitschriften.

Am 30. Juni des Streitjahres 1970 veräußerte die Klägerin ihr Fachgebiet X mit der gleichnamigen Fachzeitschrift für 110.000 DM an den Z-Verlag. In ihrer Erklärung zur Gewinnfeststellung 1970 beantragte sie, diesen Betrag als steuerbegünstigten Gewinn aus einer Teilbetriebsveräußerung festzustellen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte dies in dem nach einer Betriebsprüfung ergangenen Änderungsbescheid über die einheitliche Gewinnfeststellung 1970 ab.

Die dagegen erhobene Sprungklage der Klägerin hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, daß es sich bei dem Fachgebiet X um einen Teilbetrieb i. S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes 1969 (EStG) gehandelt habe. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1982, 191 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 16 EStG. Zu Unrecht habe das FG den Bereich X als Teilbetrieb im Sinne der genannten Vorschrift angesehen.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Das FG hat zu Recht in dem Verkauf des gesamten Fachgebiets X die Veräußerung eines Teilbetriebs der Klägerin gesehen.

1. Teilbetrieb i. S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG ist ein organisch geschlossener, mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter Teil eines Gesamtbetriebs, der für sich allein lebensfähig ist. Es muß eine Untereinheit im Sinne eines selbständigen Zweigbetriebs im Rahmen des Gesamtunternehmens vorliegen, die als eigenes Unternehmen bestehen könnte (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. Februar 1980 I R 14/77, BFHE 130, 384, BStBl II 1980, 498). Maßgebend ist die Gestaltung der Verhältnisse beim Veräußerer (BFH-Urteil vom 19. Februar 1976 IV R 179/72, BFHE 118, 323, BStBl II 1976, 415). Demnach müssen die veräußerten Wirtschaftsgüter, um einen Teilbetrieb bilden zu können, in ihrer Zusammenfassung einer Betätigung dienen, die sich im Rahmen des Gesamtunternehmens von der übrigen gewerblichen Tätigkeit des Veräußerers deutlich abhebt (BFH-Urteil vom 26. April 1979 IV R 119/76, BFHE 128, 54, BStBl II 1979, 557). Ob diese Voraussetzungen im Einzelfall erfüllt sind, ist nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse zu entscheiden (Urteil in BFHE 130, 384, BStBl II 1980, 498). Als Abgrenzungsmerkmale, denen je nach Beschaffenheit des Betriebs (Produktion, Handel oder Dienstleistung) ein unterschiedliches Gewicht zukommt, gelten das selbständige Auftreten des Betriebsteils in der Art eines Zweigbetriebs, sein personelles Eigenleben innerhalb des Gesamtbetriebs, das Vorhandensein von eigenem Inventar und eigener Buchführung, die Möglichkeit eigener Preisgestaltung, seine örtliche Trennung vom Hauptbetrieb (BFH-Urteile vom 2. August 1978 I R 78/76, BFHE 126, 24, BStBl II 1979, 15, und in BFHE 128, 54, BStBl II 1979, 557) sowie ungleichartige betriebliche Tätigkeiten (BFH-Urteil vom 4. Juli 1973 I R 154/71, BFHE 110, 245, BStBl II 1973, 838) und das Bestehen eines eigenen Kundenkreises (BFH-Urteil vom 26. Juni 1975 VIII R 39/74, BFHE 116, 391, BStBl II 1975, 832).

Es ist allerdings nicht erforderlich, daß sämtliche Merkmale erfüllt sind. Denn die Teilbetriebseigenschaft setzt nur eine gewisse Selbständigkeit voraus. Eine völlig selbständige Organisation würde z. B. schon einen eigenständigen Gesamtbetrieb kennzeichnen (BFH-Urteil vom 24. April 1969 IV R 202/68, BFHE 95, 323, BStBl II 1969, 397).

2. Die Entscheidung der Vorinstanz, die sich von den dargelegten Grundsätzen leiten ließ, ist nicht zu beanstanden.

Es ist zwar zweifelhaft, ob einer von mehreren Zeitschriften im Betrieb eines Verlegers allein deswegen die für einen Teilbetrieb geforderte Selbständigkeit zukommt, weil der Verlagstätigkeit bezogen auf dieses "Unternehmen" bestimmte tatsächliche Werte oder rechtliche Beziehungen zuzuordnen sind, wie etwa im Streitfall der vom FG für die Zeitschrift "X" festgestellte eigene Kundenstamm mit Kundenkartei. Denn der Wert der Kundschaft, Organisation und Konzeption einer Zeitschrift wird regelmäßig von ihrem Verlagswert als einem einheitlichen Wirtschaftsgut erfaßt (BFH-Urteil vom 14. März 1979 I R 37/75, BFHE 127, 386, BStBl II 1979, 470). Die Annahme eines für sich gesehen lebensfähigen Betriebsteils wird aber regelmäßig mehr voraussetzen als einen solchen auf eine bestimmte Zeitschrift entfallenden Verlagswert (vgl. auch BFH-Urteil vom 24. November 1982 I R 123/78, BFHE 137, 59, BStBl II 1983, 113).

Im Streitfall bestehen aber insoweit keine Bedenken. Denn das von der Klägerin veräußerte Fachgebiet X trat nicht nur mit dem zu der gleichnamigen Zeitschrift gehörenden Verlagswert und dem davon erfaßten Kundenstamm, sondern auch in anderer Hinsicht organisatorisch getrennt von der übrigen Tätigkeit der Klägerin in Erscheinung:

a) Der Bereich X war nach den Feststellungen des FG ein mit eigenen Mitarbeitern ausgestattetes Spezialgebiet im Rahmen des Gesamtbetriebs der Klägerin. Die redaktionelle Herstellung der Zeitschrift "X" lag außer Haus in den Händen freier Mitarbeiter. Der Druck der von der Klägerin verlegten Bücher und Zeitschriften erfolgte stets in fremden Betrieben und konnte schon deshalb nicht zu einer organisatorischen Verbindung des Fachgebiets X mit dem Gesamtbetrieb führen. Die Versendung der Zeitschrift "X" wurde nach dem unstreitigen Vorbringen der Klägerin unmittelbar von der Druckerei vorgenommen.

b) Das Fachgebiet X, zu dem das FG zutreffend auch die im Verlag der Klägerin erschienenen einschlägigen Fachbücher zählte, unterschied sich zwar nicht nach örtlichen Gesichtspunkten, wohl aber seiner Art nach vom übrigen Betrieb. Denn der Verlag der Klägerin hat zum weitaus überwiegenden Teil seinen Umsatz aus Veröffentlichungen über das Fachgebiet Y erzielt. Seit der Veräußerung des Fachgebiets X befaßte sich die Klägerin nicht mehr mit der betreffenden Literatur.

c) Schließlich bestand auch in der Buchführung der Klägerin eine Abgrenzung. Zwar wurde für das Fachgebiet X keine eigene Buchführung eingerichtet; es waren aber eigene Aufwands- und Ertragskonten sowie ein besonderer Debitorenbereich vorhanden.

Bei diesen Gegebenheiten ist auch die Feststellung der Vorinstanz zutreffend, daß das Fachgebiet X innerhalb des Gesamtbetriebs der Klägerin einen organisch geschlossenen Teilbereich darstellte, der für sich allein lebensfähig war. Mit der von der Klägerin herausgegebenen Zeitschrift "X" trat dieses Fachgebiet nach außen getrennt von der übrigen Verlagstätigkeit in Erscheinung. Der Bereich X stellte einschließlich der Zeitschrift und der Fachbuchhandlung einen eigenständigen Betriebsteil dar, aus dem die Klägerin jährlich erhebliche Gewinne erwirtschaften konnte und der auch als solcher vom Erwerber hätte fortgeführt werden können. Daß der Käufer mit dem Erwerb ein bereits vorhandenes anderes Fachgebiet erweitert und ergänzt hat, steht der Annahme einer Teilbetriebsveräußerung nicht entgegen.

3. Demgegenüber könnte von einer bloßen Einschränkung des Gesamtbetriebs - wie das FA die Veräußerung ansieht - nur dann die Rede sein, wenn das Fachgebiet X tatsächlich nur eine interne Abteilung ohne wirtschaftliches Eigenleben gewesen wäre. Dies ist aber aus den genannten Gründen zu verneinen.

Zu Unrecht beruft sich das FA für die Ablehnung eines Teilbetriebs auch auf Organisation und Konzeption des Verlages, die es rechtsirrtümlich als einheitliches Ganzes auffaßt. Die Konzeption und Organisation der Verlagstätigkeit ist vor allem auch bezogen auf die einzelne Zeitschrift zu sehen und wird von deren Verlagswert miterfaßt. Aus diesen Merkmalen läßt sich daher kein die Annahme eines Teilbetriebs hindernder Zusammenhang mit dem Gesamtbetrieb ableiten.