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BFH-Urteil vom 28.6.1984 (IV R 118/82) BStBl. 1984 II S. 782

Eine unter der Geltung des § 161 AO mit einem über 12.000 DM, aber unter 15.000 DM liegenden Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft begründete Buchführungspflicht endete infolge der Anhebung der Gewinngrenze in § 141 AO 1977 a. F. nicht von selbst mit dem Wirtschaftsjahr 1976/77. Es bedurfte auch dazu einer entsprechenden Feststellung des FA nach § 141 Abs. 2 Satz 2 AO 1977.

AO § 161 Abs. 1; LwBuchfV § 1 Abs. 3; AO 1977 § 141 Abs. 1 und 2 Satz 2 a.F.; EGAO 1977 Art. 97 § 19.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Eigentümer eines großen land- und forstwirtschaftlichen Anwesens, das im Streitjahr 1978 einschließlich Pachtflächen rd. 94 ha umfaßte.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stellte im Einkommensteuerbescheid 1972 vom 17. März 1975 den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft auf 12.743 DM (abzüglich 2.000 DM Sonder-AfA nach § 78 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV -) fest. In der Anlage zum Einkommensteuerbescheid 1972 wies das FA den Kläger darauf hin, daß er ab 1. Juli 1975 zur Führung von Büchern und Fertigung von regelmäßigen Abschlüssen verpflichtet sei. Im Einkommensteuerbescheid für 1973 vom 2. Februar 1976 stellte es den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft auf 12.250 DM (abzüglich 2.000 DM Sonder-AfA nach § 78 Abs. 6 EStDV) fest. Die Gewinne für 1972 und 1973 sind nach dem Gesetz über die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittsätzen vom 15. September 1965 - GDL - (BGBl I, 1350) ermittelt. Für 1974 ist im Einkommensteuerbescheid vom 4. Juli 1977 nur noch ein Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft von 6.709 DM festgestellt. Die Minderung des Gewinns beruhte darauf, daß das FA den Gewinn für das Wirtschaftsjahr 1974/75 nach § 13 a des Einkommensteuergesetzes (EStG) i. d. F. vom 17. April 1974 (BGBl I, 949, BStBl I, 233, 249) ermittelte. Im Einkommensteuerbescheid für 1975 vom 25. Januar 1978 stellte das FA einen Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft von 47.917 DM fest. Die Gewinnerhöhung ergab sich daraus, daß das FA ab 1. Juli 1975 von der Buchführungspflicht ausging und deshalb den Gewinn vom Wirtschaftsjahr 1975/76 an nach Richtsätzen der Oberfinanzdirektion (OFD) Hannover schätzte. In der Anlage zum Einkommensteuerbescheid 1975 heißt es u. a.: "Ich weise Sie ausdrücklich darauf hin, daß die Buchführungspflicht auch weiterhin bestehen bleibt." Für 1976 und 1977 ermittelte das FA die Gewinne jeweils nach Richtsätzen der OFD Hannover, und zwar auf 93.481 DM und 79.987 DM.

Das FA ging danach davon aus, daß der Kläger auch im Streitjahr 1978 buchführungspflichtig war. Es schätzte deshalb den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft für die Wirtschaftsjahre 1977/78 und 1978/79 nach den Richtsätzen der OFD Hannover (Einkommensteuer-Kartei der OFD Hannover, Land- und Forstwirtschaft, § 13 EStG Nr. 4.2 a und b) auf 62.000 DM und 85.200 DM. Es setzte die Einkommensteuer für 1978 u. a. nach einem Jahresgewinn von 83.546 DM fest.

Nach erfolglosem Einspruch trug der Kläger mit der Klage vor, er sei 1978 nicht buchführungspflichtig gewesen. Da der vor dem 1. Juli 1977 festgestellte Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft jeweils weniger als 15.000 DM betragen habe, sei er gemäß Art. 97 § 19 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 14. Dezember 1976 - EGAO 1977 - (BGBl I, 3341, BStBl I, 694) seit Ablauf des Wirtschaftsjahres 1976/77 am 30. Juni 1977 nicht mehr buchführungspflichtig. Sein Gewinn müsse daher nach § 13 a EStG a. F. ermittelt werden. Das zu versteuernde Einkommen werde danach 1978 nicht mehr als 7.439 DM betragen. Dementsprechend ergebe sich für 1978 nach der Splittingtabelle keine Einkommensteuer, was zur Folge habe, daß auch keine Einkommensteuervorauszahlungen festzusetzen seien. Der Kläger begehrte daher sinngemäß, die Einkommensteuer für 1978 und die Einkommensteuervorauszahlungen ab III. Quartal 1980 auf 0 DM festzusetzen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab.

Mit der Revision macht der Kläger geltend, die vor dem 1. Juli 1977 festgestellten maßgeblichen Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft hätten mehr als 12.000 DM, aber weniger als 15.000 DM betragen. Die Verpflichtung zur Buchführung nach § 161 der Reichsabgabenordnung (AO) habe somit mit dem 30. Juni 1977 geendet (so auch Felsmann, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, 2. Aufl., Abschn. B Rdnr. 22 q). Eine Verpflichtung zur Buchführung nach § 141 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) habe vor dem 1. Juli 1977 nicht bestanden. Der verzögerte Wegfall der Verpflichtung zur Buchführung nach § 141 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 könne daher in seinem Falle nicht zur Anwendung kommen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, den Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft für die Wirtschaftsjahre 1977/78 und 1978/79 nach § 13 a EStG a. F. zu ermitteln und dementsprechend die Einkommensteuer 1978 und folglich auch die im Einkommensteuerbescheid 1978 festgesetzten Einkommensteuervorauszahlungen auf 0 DM herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Für den Beginn der Buchführungspflicht war unter der Geltung des § 161 AO, d. h. bis zum 31. Dezember 1976, eine Feststellung des FA erforderlich, aus der sich ergibt, daß eine der in § 161 Abs. 1 AO genannten Buchführungsgrenzen überschritten ist. Eine entsprechende, aber hinsichtlich des Zeitpunkts genauere Regelung für den Beginn der Buchführungspflicht für Land- und Forstwirte enthält § 1 Abs. 1 und 4 der Verordnung über landwirtschaftliche Buchführung vom 5. Juli 1935 - LwBuchfV - (RStBl 1935, 955), deren Weitergeltung durch § 16 GDL ausdrücklich bestätigt wurde. Danach beginnt die Buchführungspflicht nach § 161 AO für Land- und Forstwirte mit dem Anfang des für die Gewinnermittlung bei der Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer maßgebenden Wirtschaftsjahres, das auf den Zeitpunkt folgt, an dem erstmalig bei einer Veranlagung zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer oder Umsatzsteuer oder bei der Einheitswertfeststellung oder bei einem Rechtsmittelverfahren, das eine derartige Veranlagung oder Feststellung betrifft, eine Feststellung getroffen wird, wonach eine der in § 161 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a, d oder e AO bezeichneten Voraussetzungen vorliegt und diese Feststellung dem Landwirt durch einen Bescheid bekanntgegeben worden ist.

Über die Erfordernisse des § 161 Abs. 1 Nr. 1 AO i. V. m. § 1 Abs. 1 und 4 LwBuchfV hinaus hat die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) den Grundsatz aufgestellt, daß unter Berücksichtigung von Treu und Glauben bei Steuerpflichtigen mit Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft, vor allem wenn sie steuerlich nicht beraten wurden, die Buchführungspflicht gemäß § 161 Abs. 1 Nr. 1 AO in der Regel erst dann beginnt, wenn der Steuerpflichtige auf diesen Zeitpunkt durch eine besondere Mitteilung des FA hingewiesen worden ist (vgl. Urteile vom 9. Mai 1957 IV 383/55 U, BFHE 65, 151, BStBl III 1957, 291, und vom 22. September 1960 IV 249/59 U, BFHE 71, 716, BStBl III 1960, 516).

Danach ist der Kläger durch den Einkommensteuerbescheid 1972 vom 17. März 1975 buchführungspflichtig geworden. Denn dieser Bescheid enthielt - ohne Berücksichtigung der Sonder-AfA nach § 78 EStDV - die Feststellung eines Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft von 12.743 DM und außerdem den Hinweis, daß der Kläger ab 1. Juli 1975 zur Buchführung und zur Fertigung regelmäßiger Abschlüsse verpflichtet sei.

Die Buchführungspflicht des Klägers begann also am 1. Juli 1975. Die Übergangsregelung des Art. 97 § 19 EGAO 1977, wonach in den Fällen, in denen der nach § 13 a EStG a. F. ermittelte Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft in einem Wirtschaftsjahr, das nach dem 31. Dezember 1973 beginnt, für den einzelnen Betrieb mehr als 12.000 DM beträgt, die Verpflichtung, Bücher zu führen und aufgrund jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen, nur eintritt, wenn die Voraussetzungen des § 141 AO 1977 vorliegen, findet im Streitfall keine Anwendung. Denn der Gewinn des Klägers aus Land- und Forstwirtschaft von 12.743 DM, durch den er buchführungspflichtig geworden ist, lag schon vor 1973.

2. Vor dem Inkrafttreten der AO 1977 endete gemäß § 1 Abs. 3 LwBuchfV die Buchführungspflicht, wenn sich aufgrund einer Feststellung bei einer Veranlagung zur Einkommensteuer, Körperschaftsteuer oder Umsatzsteuer oder aufgrund einer Einheitswertfeststellung oder aufgrund eines eine solche Veranlagung oder Feststellung betreffenden Rechtsbehelfsverfahrens ergibt, daß bei dem Land- und Forstwirt keine der in § 161 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a oder c oder e AO bezeichneten Voraussetzungen mehr vorliegt. Der Wegfall wurde wirksam mit dem Beginn des Wirtschaftsjahres, das auf den Zeitpunkt folgt, an dem die Feststellung getroffen worden ist.

Es ist unstreitig, daß nach dem 1. Juli 1975, dem Zeitpunkt des Beginns der Buchführungspflicht des Klägers, und vor dem 1. Januar 1977, dem Tag des Inkrafttretens der AO 1977, kein Steuerbescheid oder ein Feststellungsbescheid etc. mit einer Feststellung des FA ergangen ist, nach der die Voraussetzung des § 161 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. e AO (Gewinn über 12.000 DM) wieder weggefallen ist.

Eine entsprechende Feststellung erging erst durch den Einkommensteuerbescheid 1974 vom 4. Juli 1977, also unter der Geltung der AO 1977.

Mit dem Inkrafttreten der AO 1977 am 1. Januar 1977 gilt für die Beendigung der Buchführungspflicht ausschließlich die Bestimmung des § 141 Abs. 2 Satz 2 AO 1977. Die Bestimmung besagt in Abweichung zu § 1 Abs. 3 LwBuchfV, daß die Verpflichtung zur Buchführung nicht mit Ablauf des Wirtschaftsjahres endet, in dem das FA eine Feststellung trifft, wonach die Voraussetzungen der Buchführungspflicht nicht mehr vorliegen, sondern erst nach Ablauf eines weiteren Jahres, falls die Voraussetzungen der Buchführungspflicht in diesem weiteren Jahr durch eine entsprechende Feststellung des FA nicht wieder erfüllt sind.

Im Streitfall würde danach die Buchführungspflicht des Klägers erst am 30. Juni 1979 enden, wenn nicht in der Zwischenzeit die Voraussetzungen der Buchführungspflicht erneut eingetreten sind.

Entgegen der Meinung von Felsmann, die er in der 2. Auflage in Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte (Abschn. B Rdnr. 22 q) vertreten, die er aber jetzt in der 3. Auflage (Abschn. B Rdnr. 57/58) aufgegeben hat, endete eine unter der Geltung des § 161 AO mit einem Gewinn von 12.743 DM begründete Buchführungspflicht unter der Geltung der AO 1977 wegen der Anhebung der Gewinngrenze für die Buchführungspflicht von 12.000 DM nach § 161 AO auf 15.000 DM nach § 141 AO 1977 a. F. nicht von selbst mit dem Wirtschaftsjahr 1976/77 am 30. Juni 1977. Auch dazu bedurfte es einer entsprechenden Feststellung des FA. "Von selbst, ohne eine solche Feststellung des FA, kann eine bestehende Buchführungspflicht auch durch eine Änderung der gesetzlichen Buchführungsgrenzen nicht enden" (vgl. BFH-Urteil vom 2. Dezember 1982 IV R 8/82, BFHE 137, 215, BStBl II 1983, 254, 256).

Die Übergangsregelung des Art. 97 § 19 EGAO 1977 enthält keine besonderen Bestimmungen über die Beendigung einer unter der Geltung des § 161 AO entstandenen Buchführungspflicht. Im übrigen setzt auch Art. 97 § 19 EGAO 1977 für den Beginn der Buchführungspflicht eine entsprechende Feststellung des FA voraus. Wenn der Kläger also diese Übergangsregelung im Wege der Auslegung auch für die Beendigung der Buchführungspflicht, die auf einem über 12.000 DM, aber unter 15.000 DM festgestellten Gewinn beruht, heranziehen will, müßte er folgerichtig auch für die Beendigung der Buchführungspflicht eine entsprechende Feststellung des FA voraussetzen. An einer solchen Feststellung fehlt es aber im Streitfall.

Da der Kläger danach im Streitjahr 1978 buchführungspflichtig war, wurden seine Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft mangels Buchführung mit Recht geschätzt. Gegen die Höhe der Schätzungen werden vom Kläger mit der Revision weder Einwände erhoben noch bestehen gegen sie nach Aktenlage Bedenken. Damit ist auch der Antrag des Klägers auf Herabsetzung der Einkommensteuervorauszahlungen ab III. Quartal 1980 unbegründet. Die Revision war demnach insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.