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BFH-Urteil vom 28.6.1984 (IV R 204-205/82) BStBl. 1984 II S. 784

Nimmt das FA durch einen Einzelsteuerbescheid einen von mehreren Miterben als Gesamtschuldner für die Steuerschuld des Erblassers in Anspruch, so gehört die Erwähnung der übrigen Miterben nicht zu dem nach § 157 Abs. 1 AO 1977 notwendigen Inhalt des Steuerbescheids (Anschluß an das BFH-Urteil vom 5. November 1980 II R 25/78, BFHE 132, 114, BStBl II 1981, 176).

AO 1977 § 157 Abs. 1 Satz 2, § 119 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) - A - hat zusammen mit seiner Schwester, B, seinen am 8. November 1971 verstorbenen Vater, C, beerbt. Zum Nachlaß gehörte ein Gewerbebetrieb, den der Kläger fortführte.

Nach einer Betriebsprüfung, die noch die steuerlichen Verhältnisse des Erblassers und seiner bereits im September 1971 verstorbenen Ehefrau betraf, erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gegen den Kläger geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre 1969 und 1970 mit der Adressierung "Herrn A als Erben nach Herrn C".

Mit seinen im Einspruchsverfahren gegen diese Bescheide erhobenen materiell-rechtlichen Einwendungen hatte der Kläger nur teilweise Erfolg.

Im Anschluß daran gab das Finanzgericht (FG) den Klagen aus formellen Gründen statt. Es führte aus, die Änderungsbescheide für 1969 und 1970 seien aufzuheben, weil darin die vollständige Angabe des Steuerschuldners fehle. Erben nach dem verstorbenen C seien nicht nur der Kläger, sondern auch seine Schwester geworden. Deshalb hätte das FA in den angefochtenen Bescheiden die Steuerschuldnerschaft unter Benennung beider Miterben angeben müssen: A und B als Erben nach C. Dies sei nicht geschehen. Die Bescheide müßten daher als inhaltlich nicht hinreichend bestimmt aufgehoben werden.

Mit den Revisionen rügt das FA die Verletzung von § 157 Abs. 1 Satz 2, § 155 Abs. 3 und von § 44 der Abgabenordnung (AO 1977).

Das FA beantragt, die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Sachen zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revisionen sind begründet; sie führen zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sachen an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Die angefochtenen Steuerbescheide wurden vom FG zu Unrecht aufgehoben. Sie enthalten ausreichende Angaben zur Steuerschuldnerschaft.

Nach § 157 Abs. 1 AO 1977 müssen Steuerbescheide u. a. den Steuerschuldner bezeichnen. Ist der Steuerpflichtige vor Durchführung der Einkommensteuerveranlagung verstorben und soll der Erbe als Gesamtrechtsnachfolger für die Steuerschuld des Erblassers in Anspruch genommen werden, so geschieht dies durch einen Steuerbescheid, der den Erfordernissen des § 157 zu genügen hat. Steuerschuldner i. S. des Abs. 1 Satz 2 dieser Vorschrift ist in solchen Fällen der Gesamtrechtsnachfolger. Dieser ist auch noch hinreichend bezeichnet, wenn der Bescheid als Adressaten der Steuerfestsetzung den Rechtsvorgänger zu Händen des Rechtsnachfolgers X als Erben ausweist (vgl. z. B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. März 1973 I R 100/71, BFHE 109, 123, BStBl II 1973, 544; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 45 AO 1977 Tz. 9). Mit dem Hinweis auf die Inanspruchnahme als Erbe wird gleichzeitig der sich aus § 45 Abs. 1 AO 1977 ergebende Rechtsgrund der Steuerschuldnerschaft deutlich gemacht.

Wurde der Erblasser von mehreren Personen beerbt und sind diese deshalb Gesamtschuldner, so steht es dem FA frei, ob es sämtliche Miterben in einem nach § 155 Abs. 3 AO 1977 zusammengefaßten Bescheid heranziehen will (vgl. BFHE 109, 123, BStBl II 1973, 544; Tipke/Kruse, a. a. O., sowie zur Gesamtschuldnerschaft nach dem Grunderwerbsteuergesetz: BFH-Urteil vom 5. November 1980 II R 25/78, BFHE 132, 114, BStBl II 1981, 176). Erläßt das FA gegenüber einem Miterben einen Einzelbescheid, so ist nur der betreffende Erbe in der geschilderten Weise als Steuerschuldner zu bezeichnen. Denn nur ihm gegenüber dient dieser Bescheid als Grundlage der Steuererhebung (§ 218 Abs. 1 AO 1977).

In der Vergangenheit wurde zwar auch bei solchen Einzelbescheiden der Hinweis auf die Inanspruchnahme anderer Gesamtschuldner für erforderlich gehalten, um die Geltendmachung zivilrechtlicher Ausgleichsansprüche gegenüber anderen Gesamtschuldnern zu erleichtern. Diese Rechtsprechung ist aber inzwischen aufgegeben worden (vgl. BFHE 132, 114, BStBl II 1981, 176). Der Senat schließt sich dieser neueren Rechtsprechung an.

Wendet man diese Grundsätze auf den Streitfall an, so sind die angefochtenen Bescheide in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Sie entsprechen den Erfordernissen des § 157 Abs. 1 AO 1977. Das FA hat keine zusammengefaßten, sondern nur gegen den Kläger als Gesamtrechtsnachfolger gerichtete Einzelbescheide erlassen. Darin hat es die Steuerschuldnerschaft des Klägers ausreichend bestimmt. Denn die Bescheide richten sich an den Kläger als Erben nach Herrn C.

Die angefochtenen Urteile sind aufzuheben. Sie gehen von der unzutreffenden Rechtsansicht aus, daß auch in Einzelbescheiden der vorliegenden Art alle Miterben aufgrund der eingetretenen Gesamtrechtsnachfolge als Steuerschuldner zu bezeichnen sind. Da das FG zu den materiell-rechtlichen Einwendungen des Klägers gegen die Rechtmäßigkeit der Steuerbescheide nicht Stellung genommen hat, ist die Sache nicht spruchreif und deshalb zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.