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BFH-Beschluß vom 13.9.1984 (V B 57/82) BStBl. 1984 II S. 806

Die Arbeitnehmer-Sammelbeförderungen zwischen Wohnung und Arbeitsstelle, die vom Arbeitgeber kostenlos durchgeführt werden, sind keine steuerbaren freiwilligen Sachzuwendungen und werden daher von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980 nicht erfaßt. Ob diese Beförderungen der Besteuerung nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b UStG 1980 unterliegen, ist wegen uneinheitlicher Beurteilung ernstlich zweifelhaft im Sinne des § 69 Abs. 3 FGO.

UStG 1980 § 1 Abs. 1 Nr. 1; FGO § 69.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Antragstellerin und Beschwerdegegnerin betreibt ein Bauunternehmen. Nach den Feststellungen einer im Jahre 1981 durchgeführten Außenprüfung hat die Antragstellerin im Jahre 1980 Arbeitnehmer zwischen Wohnung und Baustelle mit eigenen Kraftfahrzeugen befördert, ohne dafür eine Vergütung zu fordern. Die Beförderung auf Fahrzeugen, die nach ihrer Bauart, Ausstattung und tatsächlichen Verwendung in erster Linie dem Werkzeug- und Materialtransport dienten, hat die Außenprüfung für umsatzsteuerrechtlich unbeachtlich angesehen. Dagegen hat sie die Arbeitnehmerbeförderung mit Hilfe eines 9sitzigen VW-Kombi als eine vom Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b UStG 1980 erfaßte Leistung beurteilt. Als Bemessungsgrundlage im Sinne des § 10 Abs. 4 Nr. 2 UStG 1980 hat sie den Wert des geldwerten Vorteils aus der Fahrzeuggestellung angenommen und diesen mit 14.400 DM angesetzt. Das Finanzamt (Antragsgegner und Beschwerdeführer) ist dieser Beurteilung gefolgt und hat dementsprechend bei der Umsatzsteuerfestsetzung für 1980 (Bescheid vom 5. März 1982) eine darauf entfallende Umsatzsteuer von 936 DM berücksichtigt. Hiergegen hat die Antragstellerin Einspruch eingelegt, über den noch nicht entschieden worden ist.

Das Finanzamt hat den mit Schriftsatz vom 8. März 1982 gestellten Antrag, die Vollziehung des USt-Bescheids 1980 möge im Umfang der streitigen Umsatzsteuer gemäß § 361 Abs. 2 AO 1977 ausgesetzt werden, mit Verfügung vom 13. April 1982 abgelehnt.

Dem daraufhin beim Finanzgericht (FG) gemäß § 69 Abs. 3 FGO gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung des USt-Bescheids 1980 in Höhe des Betrages von 936 DM wurde stattgegeben. Das FG kommt bei summarischer Prüfung zu dem Ergebnis, auch für die Rechtslage nach dem UStG 1980 sei unter Beachtung der Grundsätze des BFH-Urteils vom 7. Mai 1981 V R 47/76 (BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495) davon auszugehen, daß Sachzuwendungen an Arbeitnehmer, die - wie im Streitfall - ohne Gegenleistung erbracht würden, nicht der Besteuerung unterliegen (UR 1983, 12).

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Finanzamts. Nach seiner Auffassung ist die im Urteil BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495 geforderte Verknüpfung zwischen einer auf eine Gegenleistung gerichteten Leistung und einer erbrachten Gegenleistung im vorliegenden Fall gegeben. Die Beförderung zur Arbeitsstelle und zurück zur Wohnung sei für die Arbeitnehmer von Vorteil. Sie seien nicht auf die oft umständlichen öffentlichen Verkehrsverbindungen angewiesen und vor den Gefahren geschützt, denen sie bei Fahrten mit eigenem Beförderungsmittel ausgesetzt wären. Außerdem erreichten sie ausgeruht ihren Arbeitsplatz. Mit der vom Arbeitgeber im wohlverstandenen eigenen Interesse erbrachten Beförderung (Vermeidung von Verspätungen und Personalausfällen durch Unfall, Steigerung der Arbeitseffektivität) erbringe dieser zugleich an die Arbeitnehmer eine Leistung, die üblicherweise vergütet würde. Zum BMF-Schreiben vom 11. April 1984 - IV A 2-S 7100-48/84 - (UR 1984, 124, DStR 1984, 285, BB 1984, 838) hat das Finanzamt vorgetragen, der vorliegende Sachverhalt werde von ihm nicht betroffen. Das BMF-Schreiben vom 11. April 1984 behandele nur Fallgestaltungen, in denen es bei Zugrundelegung der Grundsätze des Urteils in BFHE 133, 133 an einem Leistungsaustausch fehle; vorliegend sei er aber gegeben.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde des Finanzamts ist unbegründet.

1. Der erkennende Senat hat im Urteil vom 7. Mai 1981 V R 47/76 (BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495), der ebenfalls einen Fall von Arbeitnehmer-Sammelbeförderung betraf, zur Rechtslage nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 entschieden, daß bei Gewährung betrieblicher Sachzuwendungen ein Leistungsaustausch zu bejahen ist, wenn diese Sachzuwendung Vergütung für geleistete Dienste ist; das ist der Fall, wenn die Sachzuwendung (als Naturallohn) Teil derjenigen Leistungen des Arbeitgebers ist, die von ihm für die ihm versprochene Arbeitsleistung des Arbeitnehmers zu erbringen sind (vgl. auch Beschluß vom 24. März 1983 V B 56/82, BFHE 138, 111, BStBl II 1983, 391, und Urteil vom 6. Juni 1984 V R 33/83, UR 1984, 232, BStBl II 1984, 686). Feststellungen, daß die Arbeitnehmerbeförderungen der Antragstellerin eine von ihr zu erbringende Vergütung für geleistete Dienste sei, liegen nicht vor.

Das Finanzamt sieht nach seinem Vortrag vielmehr eine freiwillige Sachzuwendung als gegeben an, deren Steuerbarkeit es auf das Argument stützt, üblicherweise müsse für die mit der "kostenlosen" Beförderung zugewendeten wirtschaftlichen Vorteile eine Vergütung gezahlt werden. Dieses Vorbringen macht aber lediglich deutlich, daß die Antragstellerin den Arbeitnehmern etwas zugewendet (also an sie etwas geleistet) hat, nicht aber, daß die Arbeitnehmer ihrerseits der Antragstellerin etwas zugewendet haben, was als Gegenleistung feststellbar und bewertbar wäre. Die Fallgestaltung ist keine andere als im Urteil BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495. Der Antragstellerin sind, wie das Finanzamt ausführt, aus der Arbeitnehmerbeförderung bestimmte wirtschaftliche Vorteile erwachsen. Es ist davon auszugehen, daß nach der Beurteilung der Antragstellerin dieser wirtschaftliche Nutzen ihre betrieblichen Aufwendungen in Gestalt der Beförderungskosten rechtfertigte. Eine solche, aus eigenen wirtschaftlichen Beweggründen getroffene Maßnahme konnte ihr Ziel aber nicht erreichen, ohne zugleich den Arbeitnehmern einen wirtschaftlichen Vorteil in Gestalt der kostenlosen Beförderung zuzuwenden. Zur Rechtslage nach dem § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 hat der Senat aber bereits im Urteil BFHE 133, 133, BStBl II 1981, 495 (Entscheidungsgründe Abschn. 3 d a. E.) ausgeführt, daß die Maßnahmen zur Steigerung der Arbeitseffektivität und zur Hebung des Betriebsklimas nicht auf eine erwartbare Gegenleistung abzielen, denn das mit der eigennützigen Freigebigkeit des Arbeitgebers erstrebte Ergebnis könne er bei Arbeitnehmern weder erzwingen noch verlangen. Soweit die Arbeitnehmer den Erwartungen des Arbeitgebers entsprechen sollten (was wiederum von Person zu Person unterschiedlich gelagert sein kann), wäre dieses Verhalten im Rahmen ihrer arbeitsvertraglich zu erbringenden Leistung weder gesondert feststellbar noch quantifizierbar. Damit kann nicht der Auffassung des Finanzamts beigetreten werden, die kostenlose Sammelbeförderung von Arbeitnehmern zwischen Wohnung und Arbeitsstelle sei als eine steuerbare freiwillige Sachzuwendung bereits von § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1980 erfaßt, so daß die Anwendbarkeit des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 Buchst. b UStG 1980 gar nicht in Betracht gezogen werden müsse.

2. In Übereinstimmung mit den obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder (vgl. BMF-Schreiben vom 11. April 1984 a. a. O.) ist der erkennende Senat der Auffassung, daß die Voraussetzungen für die Aussetzung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 FGO in Fällen kostenloser Sammelbeförderung vorliegen. Ernstliche Zweifel im Sinne dieser Vorschrift sind zu bejahen, wenn die Gesetzeslage unklar ist, die streitige Rechtsfrage vom BFH noch nicht entschieden ist und unterschiedlich beurteilt wird (vgl. zuletzt BFH-Beschluß vom 28. November 1974 V B 52/73, BFHE 114, 169, BStBl II 1975, 239). Dies ergibt sich aus den inzwischen vorliegenden Entscheidungen der Finanzgerichte und der von ihnen verarbeiteten Literatur (vgl. Urteil des FG des Saarlandes vom 18. Mai 1983 I 181/82, UR 1983, 169, EFG 1983, 523; Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 22. März 1983 2 K 254/81, UR 1983, 171; Urteil des FG Köln vom 23. November 1983 I K 60/83, UR 1984, 158, EFG 1984, 312; Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 30. Januar 1984 5 K 105/83, UR 1984, 159, EFG 1984, 313, und Urteil des FG Hamburg vom 29. Juni 1983 VII 29/82, UR 1984, 161, EFG 1983, 633).