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BFH-Urteil vom 26.10.1984 (VI R 199/80) BStBl. 1985 II S. 57

Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit, die in dem nach § 11 MuSchG gezahlten Mutterschutzlohn enthalten sind, sind nicht nach § 3b EStG steuerfrei.

EStG § 3b, GG Art. 6 Abs. 4; MuSchG §§ 8 und 11.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute. Die Ehefrau (Klägerin) war als Angestellte bei einer Fluggesellschaft tätig. Sie arbeitete auch im Schichtdienst. Dafür erhielt sie eine nach § 3b Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfreie Schichtzulage. Nachdem sie dem Arbeitgeber Anfang 1976 von ihrer Schwangerschaft Mitteilung gemacht hatte, wurde sie nur noch im Tagesdienst eingesetzt, weil Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gemäß § 8 Abs. 1 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) verboten sind. Der Arbeitgeber zahlte der Klägerin gemäß § 11 Abs. 1 MuSchG den vollen Bruttolohn einschließlich der Schichtzulage weiter, unterwarf den der Schichtzulage entsprechenden Betrag in Höhe von 2.196,39 DM aber der Lohnsteuer und führte die Steuer an den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) ab.

Bei der Einkommensteuerveranlagung für das Jahr 1976 begehrten die Kläger, den Betrag von 2.196,39 DM steuerfrei zu belassen, da andernfalls eine vom MuSchG nicht gewollte finanzielle Schlechterstellung für werdende Mütter einträte.

Das Finanzgericht (FG) wies die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage mit der nachfolgenden Begründung ab: Da die Klägerin nicht tatsächlich Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit geleistet habe, sei der Wortlaut des § 3b Abs. 1 EStG nicht erfüllt. Es sei nach § 11 Abs. 1 MuSchG lediglich ein Ausgleich für die durch den Wegfall der Schichtzulage eingetretene Verdienstminderung gewährt worden. Diese Ausgleichszahlung unterliege mangels einer gesetzlichen Bestimmung der normalen Besteuerung. Das MuSchG überlagere nicht das Steuerrecht. § 11 Abs. 1 MuSchG regele die Ansprüche der schwangeren Arbeitnehmerin gegenüber dem Arbeitgeber. Wie diese Ansprüche zu besteuern seien, ergebe sich aus dem Steuerrecht. Ein Zwang zur Steuerfreiheit der Schichtzulage folge auch nicht aus Art. 6 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG). Die in einem Arbeitsverhältnis stehende werdende Mutter sei finanziell dadurch abgesichert, daß sie den Mutterschutzlohn auch ohne entsprechende Arbeitsleistung erhalte. Aus Art. 6 GG lasse sich darüber hinaus nicht die Verpflichtung ableiten, die Zahlungen steuerfrei zu belassen.

Mit ihrer Revision begehren die Kläger weiterhin, den Betrag von 2.196,39 DM steuerfrei zu belassen. Sie sind der Auffassung, § 3b Abs. 1 Satz 1 EStG sei verfassungskonform dahin auszulegen, daß eine infolge Beschäftigungsverbots von der Schwangeren nicht geleistete Schichtarbeit der tatsächlich geleisteten Schichtarbeit gleichgestellt werde. Art. 6 Abs. 4 GG verlange einen umfassenden Entgeltschutz der Mutter.

Die Kläger beantragen sinngemäß, bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit einen um 2.196,39 DM geringeren Betrag der Besteuerung zugrunde zu legen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Nach § 3b Abs. 1 EStG sind u.a. gesetzliche oder tarifliche Zuschläge, die für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit neben dem Grundlohn gezahlt werden, unter den weiteren dort genannten Voraussetzungen steuerfrei. Die Steuerfreiheit tritt nach dem mit dem Gesetzeszweck in Einklang stehenden Wortlaut nur ein, wenn die Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit tatsächlich geleistet worden ist. Durch die Steuerfreiheit soll dem Arbeitnehmer ein finanzieller Ausgleich für die besonderen Erschwernisse und Belastungen, die mit dieser Arbeit verbunden sind, gewährt werden. Die Klägerin war nach § 8 Abs. 1 MuSchG von der Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit freigestellt. Die früher für die tatsächlich von ihr geleistete Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit gezahlten Zuschläge sind in die Bemessungsgrundlage für die Berechnung des der Klägerin nach § 11 MuSchG zustehenden Mutterschutzlohnes eingeflossen. Die Klägerin hat damit die strittigen Zuschläge nicht für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit erhalten.

§ 3b EStG kann nicht gegen seinen mit dem Gesetzeszweck übereinstimmenden Wortlaut dahin ausgelegt werden, die einer werdenden Mutter nach § 11 MuSchG vom Arbeitgeber gezahlten Zuschläge als für tatsächlich geleistete Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit gezahlt anzusehen. Der Senat sieht auch keine Möglichkeit, das von den Klägern erstrebte Ziel im Wege der Rechtsfortbildung zu erreichen. Der Gesetzgeber hatte in § 17 MuSchG (seit 1979 in § 3 Nr. 1 Buchst. d EStG) gewisse Leistungen als steuerfrei bestimmt. Er hat in Kenntnis des Umstandes, daß Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit weitgehend unter die Steuerbefreiungsnorm des § 3b EStG fallen, keine Regelung getroffen, die auch die einer werdenden Mutter für nicht geleistete Arbeiten der vorgenannten Art gezahlten Zuschläge von der Einkommensteuerpflicht freistellt. Der Gesetzgeber hat damit eine eindeutige Entscheidung dahin getroffen, daß es in Fällen wie dem vorliegenden bei dem Grundsatz bleibt, daß Lohnzuschläge regelmäßig zum steuerpflichtigen Arbeitslohn gehören (ebenso Bulla/Buchner, Mutterschutzgesetz, Kommentar, 5. Aufl., § 11 Anm. 62). Mit dieser Entscheidung liegt der Senat auf der Linie seines Urteils vom 3. Mai 1974 VI R 211/71 (BFHE 112, 478, BStBl II 1974, 646), nach welchem die Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit, die ein von der betrieblichen Arbeit freigestelltes Betriebsratsmitglied vom Arbeitgeber erhält, nicht steuerfrei sind.

Die genannte gesetzgeberische Entscheidung verstößt nicht gegen Art. 6 Abs. 4 GG. Nach dieser Bestimmung hat jede Mutter Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft. Bei der Entscheidung, wie und in welchem Umfang er die in einem Arbeitsverhältnis stehende werdende Mutter finanziell absichern soll, steht dem Gesetzgeber ein gesetzgeberisches Ermessen zu, innerhalb dessen Grenzen er sich hier gehalten hat. Es ist zuzugeben, daß die werdende Mutter finanzielle Einbußen dadurch erleidet, daß ihr wegen § 8 MuSchG nicht mehr erlaubt ist, Sonntags-, Feiertags- oder Nachtarbeit tatsächlich zu leisten, und damit der in den Mutterschutzlohn des § 11 MuSchG enthaltene Zulagenanteil nunmehr mit Einkommensteuer belastet ist. Durch diese finanzielle Einbuße wird jedoch nicht in den Kernbereich der finanziellen Absicherung der werdenden Mutter eingegriffen.