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BFH-Urteil vom 24.7.1984 (VIII R 65/84) BStBl. 1985 II S. 85

Der Prokurist einer Personengesellschaft, an der der Vater und die Ehefrau des Prokuristen als Gesellschafter beteiligt sind, ist auch dann kein Mitunternehmer dieser Personengesellschaft, wenn er neben seiner Prokuristentätigkeit ein Einzelunternehmen betreibt, zwischen diesem und der Personengesellschaft eine gegenseitige Abhängigkeit besteht, der Prokurist als Einzelunternehmer verpflichtet ist, die Personengesellschaft zu beraten, das Einzelunternehmen auf den Betrieb der Personengesellschaft zugeschnitten und auf die Mitbenutzung von Betriebsmitteln der Personengesellschaft angewiesen ist.

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1 (Klägerin zu 1), eine OHG, ist mit der Projektierung, der Erstellung und dem Verkauf von Industrieanlagen sowie der Vermittlung des Erwerbs solcher Anlagen befaßt. Ihre Gesellschafter waren im Jahre 1972 der Kläger und Revisionskläger zu 2 (Kläger zu 2) mit einer Gewinnbeteiligung von 30 v. H. und sein Sohn, der Beigeladene, mit einer Gewinnbeteiligung von 70 v. H. Der Beigeladene schied zum 31. Dezember 1972 mit dem Buchwert seines Kapitalkontos aus der Klägerin zu 1 aus. Gleichzeitig trat die Klägerin und Revisionsklägerin zu 3 (Klägerin zu 3), die Ehefrau des Beigeladenen, in die Klägerin zu 1 ein, und zwar mit einer Gewinnbeteiligung von 70 v. H.; nach den Vereinbarungen hatte die Klägerin zu 3 keine Kapitaleinlage zu leisten und auch ihre Arbeitskraft der Klägerin zu 1 nicht zur Verfügung zu stellen.

Der Beigeladene, der unter seinem Namen ein Planungsbüro betrieb, wurde vom 1. Januar 1973 an durch Vertrag zum Prokuristen der Klägerin zu 1 bestellt. Daneben führte er für die Klägerin zu 1 Planungsarbeiten aus, die er ihr in Rechnung stellte. Außerdem war der Beigeladene noch für andere Auftraggeber tätig; da er zur Ausführung dieser Arbeiten Betriebsmittel der Klägerin zu 1 in Anspruch nahm, belastete diese ihn hierfür mit griffweise geschätzten Beträgen.

Nach einer Betriebsprüfung sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) entgegen der Meinung der Kläger für die Streitjahre 1973 bis 1976 nicht die Klägerin zu 3, sondern den Beigeladenen als Mitunternehmer der Klägerin zu 1 an, weil der Gesellschafterwechsel zwischen der Klägerin zu 3 und dem Beigeladenen einen Mißbrauch i. S. des § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) darstelle; die Klägerin zu 3 halte die Beteiligung nur als Treuhänderin des Beigeladenen. Das FA erhöhte demnach in dem geänderten gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid den Gesamtgewinn der Klägerin zu 1 für die Streitjahre 1973 bis 1976 um das dem Beigeladenen zustehende Gehalt für seine Tätigkeit als Prokurist sowie um die Vergütungen für seine Planungsarbeiten zugunsten der Klägerin zu 1. Diese Beträge und den Gewinnanteil der Klägerin zu 3 von 70 v. H. rechnete das FA dem Beigeladenen als Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 (Abs. 1) Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu.

Die Sprungklagen der Kläger hatten nur insoweit Erfolg, als das Finanzgericht (FG) im Einverständnis mit allen Beteiligten den Gesamtgewinn der Klägerin zu 1 um Beträge minderte, die das FA dem Gesamtgewinn wegen der durch den Beigeladenen für Planungsarbeiten zugunsten Dritter erfolgten Inanspruchnahme der Betriebsmittel der Klägerin zu 1 hinzugerechnet hatte. Das FG stellte den Gesamtgewinn der Klägerin zu 1 und die Gewinnanteile einschließlich der Vorabvergütungen des Klägers zu 2 und des Beigeladenen wie folgt fest:

 

1973 / DM

1974 / DM

1975 / DM

1976 / DM

 

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Gesamtgewinn

606.223

534.136

227.245

195.006

Anteil des

       

Klägers zu 2

79.167

68.786

41.057

25.444

Anteil des

       

Beigeladenen

527.056

465.350

186.188

169.562

Mit der Revision machen die Kläger geltend, Mitunternehmer sei in den Streitjahren die Klägerin zu 3 und nicht der Beigeladene gewesen; der Gesamtgewinn der Klägerin zu 1 müsse deshalb um die als Vorabvergütungen behandelten Leistungen an den Beigeladenen gemindert werden. Sie rügen ferner mangelnde Sachaufklärung. Für die Frage, ob der Beigeladene die Geschäfte der Klägerin zu 1 geleitet habe und deshalb Mitunternehmer gewesen sei, sei auch die Gesellschafterstellung des Klägers zu 2, der im kaufmännischen Bereich der Klägerin zu 1 (Organisation, Korrespondenz und Buchhaltung) wesentlich mitgearbeitet habe, zu berücksichtigen gewesen; das FG sei darauf in der Urteilsbegründung nicht eingegangen und habe auch insoweit den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Die Klägerin zu 3 war in den Streitjahren Mitunternehmerin der Klägerin zu 1, der Beigeladene war nicht Mitunternehmer der Klägerin zu 1 (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG).

1. Nach den Feststellungen des FG ist davon auszugehen, daß die Klägerin zu 3 durch Vertrag vom 2. Januar 1973 Gesellschafterin der Klägerin zu 1 geworden ist. Zwar hat das FA dies mit der Begründung in Zweifel gezogen, die Klägerin zu 3 habe keine Einlage und auch keine Dienstleistungen erbracht. Die Frage, ob einzelne Gesellschafter einer OHG generell von der Beitragspflicht ausgenommen werden können, war früher umstritten; auch die höchstrichterliche Rechtsprechung war uneinheitlich (siehe Ulmer, Münchener Kommentar, § 706 BGB, Rdnr. 16 m. w. N.). Hinsichtlich der Beitragsleistung wird nunmehr zwischen Beiträgen in engerem Sinne - z. B. Einbringung von Sachen oder Leistung von Diensten - und Beiträgen im weiteren Sinne - dazu gehören alle Arten von Leistungen, die Gesellschafter zur Förderung des gemeinsamen Zwecks im Gesellschaftsvertrag versprechen (z. B. die persönliche Haftung des Gesellschafters einer OHG; siehe hierzu Fischer in Handelsgesetzbuch, Großkommentar von Staub begründet, neu bearbeitet von Brüggemann u. a. - Großkomm. HGB -, 3. Aufl., § 105 Anm. 17) - unterschieden. Als ausreichend für die Gründung einer Gesellschaft des bürgerlichen Rechts (GbR) oder einer OHG wird nach überwiegender Meinung die Leistung eines Beitrags im weiteren Sinne angesehen (Staudinger-Kessler, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl., § 706 Randziffer 3; Sörgel-Siebert, Bürgerliches Gesetzbuch, 10. Aufl., § 706 Anm. 1; Fischer, a. a. O., 3. Aufl., § 105 Anm. 17). Damit verbinden sich mit der Mitgliedschaft in der GbR oder OHG auch ohne besondere Beitragsfestsetzung im Gesellschaftsvertrag zumindest die aus der Gesellschafterstellung fließenden Förderungspflichten, was die Annahme der Gesellschafterstellung in einer GbR oder OHG begründet (Ulmer, a. a. O., § 706 BGB, Randziffer 16). Aus den Feststellungen des FG und auch aus dem Sachvortrag des FA kann nicht entnommen werden, daß die Klägerin zu 3 zur Förderung des Gesellschaftszwecks im dargestellten Sinne nicht verpflichtet war.

Aus den Feststellungen des FG ergibt sich ferner nicht, daß die der Klägerin zu 3 als Gesellschafterin einer OHG gesetzlich zustehenden Rechte durch vertragliche Abmachungen eingeschränkt waren. Damit ist die Klägerin zu 3 auch als Mitunternehmerin anzusehen. Sie konnte insbesondere aufgrund ihrer Befugnis zur Geschäftsführung Mitunternehmerinitiative ausüben. Ferner trug sie schon durch ihre persönliche Haftung für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft (§ 128 des Handelsgesetzbuches - HGB -) Unternehmerrisiko; daß sie nach dem Sachvortrag des FA tatsächlich kein oder nur wenig Vermögen besaß, steht dem nicht entgegen.

An der Beurteilung, daß die Klägerin zu 3 Gesellschafterin und Mitunternehmerin der Klägerin zu 1 in den Streitjahren war, ändert sich auch - anders als das FG entschieden hat - nichts durch die rechtlichen Beziehungen zwischen dem Beigeladenen und der Klägerin zu 1, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob der Beigeladene Mitunternehmer der Klägerin zu 1 war oder nicht. Denn diese rechtlichen Beziehungen lassen die Rechte und Pflichten der Klägerin zu 3 als Gesellschafterin der Klägerin zu 1 unberührt.

Auch der Auffassung des FA, daß die Klägerin zu 3 tatsächlich keine Mitunternehmerinitiative ausgeübt habe und daß deshalb das Gesellschaftsverhältnis hinsichtlich ihrer Beteiligung einkommensteuerrechtlich nicht anerkannt werden könne, kann nicht zugestimmt werden. Für die Frage, ob der Gesellschafter einer OHG Mitunternehmerinitiative entfalten kann, kommt es nicht darauf an, ob und in welchem Umfange er tatsächlich auf die Geschäftsführung Einfluß nimmt.

Ebenso führen die weiteren vom FA erhobenen Einwände, daß die Vereinbarungen über das Ausscheiden des Beigeladenen aus der Klägerin zu 1 und über den Eintritt der Klägerin zu 3 in die Klägerin zu 1 entweder als eine Treuhandvereinbarung zwischen der Klägerin zu 3 und dem Beigeladenen zu beurteilen seien oder daß in ihnen ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten (§ 42 AO 1977) zu erblicken sei, zu keinem anderen Ergebnis. Nach den Feststellungen des FG kann nicht davon ausgegangen werden, daß der Beigeladene und die Klägerin zu 3 hinsichtlich der Beteiligung an der Klägerin zu 1 ein Treuhandverhältnis vereinbart haben; insoweit fehlt es auch an einem substantiierten Sachvortrag des FA. Ein Mißbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten liegt dann vor, wenn eine Gestaltung gewählt wird, die - gemessen an dem erstrebten Ziel - unangemessen, also ungewöhnlich ist; eine Vertragsgestaltung ist in der Regel nicht schon deshalb als rechtsmißbräuchlich anzusehen, weil die Vertragsbeteiligten mit ihr den Zweck verfolgen, eine Steuervergünstigung zu erreichen (siehe hierzu Beschluß des Großen Senats des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. November 1982 GrS 1/81, BFHE 137, 433, 444, BStBl II 1983, 433). Auch insoweit enthält das FG-Urteil keine Feststellungen, die die zwischen dem Beigeladenen und der Klägerin zu 3 gewählten Vertragsgestaltungen als rechtsmißbräuchlich erscheinen lassen; dies gilt um so mehr, als die Kläger unwidersprochen vorgetragen haben, daß der Beigeladene und die Klägerin zu 3 den Gesellschafterwechsel aus Haftungsgründen vereinbart hätten.

2. Die Vergütungen, die der Beigeladene in den Streitjahren (1973 bis 1976) von der Klägerin zu 1 für seine Tätigkeit als Prokurist und für Planungsarbeiten erhielt, sind keine Sondervergütungen i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG, weil der Beigeladene kein Mitunternehmer der Klägerin zu 1 war.

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch "die Gewinnanteile der Gesellschafter einer Offenen Handelsgesellschaft, einer Kommanditgesellschaft und einer anderen Gesellschaft, bei der der Gesellschafter als Unternehmer (Mitunternehmer) anzusehen ist, und die Vergütungen, die der Gesellschafter von der Gesellschaft für seine Tätigkeit im Dienst der Gesellschaft oder für die Hingabe von Darlehen oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern bezogen hat".

Mitunternehmer ist nur, wer zusammen mit anderen Personen eine Unternehmerinitiative (Mitunternehmerinitiative) entfalten kann und ein Unternehmerrisiko (Mitunternehmerrisiko) trägt (BFH-Urteil vom 28. Oktober 1981 I R 25/79, BFHE 134, 421, 424, BStBl II 1982, 186 m. w. N.). Der Senat bezweifelt, ob die Initiative, die der Beigeladene in seiner Eigenschaft als Prokurist der Klägerin zu 1 entfalten konnte, als "Mitunternehmerinitiative" angesehen werden kann. Er braucht aber diese Frage nicht abschließend zu prüfen. Denn der Beigeladene trug im Streitfall kein Mitunternehmerrisiko. Dieses kommt gewöhnlich dadurch zum Ausdruck, daß der Steuerpflichtige am Gewinn und Verlust sowie an den stillen Reserven des Anlagevermögens einschließlich eines Geschäftswerts des Unternehmens beteiligt ist.

Der Beigeladene war weder am Gewinn, noch am Verlust, noch an den stillen Reserven des Unternehmens der Klägerin zu 1 beteiligt. Er hat nach den Feststellungen des FG für seine Prokuristentätigkeit bei der Klägerin zu 1 lediglich Gehalt bezogen und die Vergütungen für die Planungsarbeiten waren leistungs- und nicht gewinnbezogen. Das FG irrt, wenn es meint, ein Mitunternehmerrisiko des Beigeladenen ergebe sich aus der gegenseitigen Abhängigkeit des Betriebs der Klägerin zu 1 und des Einzelunternehmens des Beigeladenen, aus der Verpflichtung des Beigeladenen, die Klägerin zu 1 hinsichtlich der von ihr zu liefernden Anlagen zu beraten sowie aus dem Umstand, daß das Einzelunternehmen des Beigeladenen auf den Betrieb der Klägerin zu 1 zugeschnitten und auf den Einsatz von Betriebsmitteln angewiesen gewesen sei. All diese Umstände bedeuten zwar für den Beigeladenen ein Unternehmerrisiko, aber nicht in bezug auf das Unternehmen der Klägerin zu 1, sondern in bezug auf sein Einzelunternehmen. Das jedoch reicht für die Annahme eines Mitunternehmerrisikos nicht aus; denn Mitunternehmerrisiko heißt Unternehmerrisiko in bezug auf das Unternehmen der Mitunternehmerschaft. Würde man einen anderen Standpunkt vertreten, so würde jeder Unternehmer, der seine Produktion auf einen bestimmten Abnehmer einstellt, dann zum Mitunternehmer seines Abnehmers, wenn dieser seinerseits bei seiner Produktion auf die Lieferung und Beratung des Zulieferanten angewiesen wäre. Ein solches Ergebnis wäre mit dem sich aus § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG ergebenden Begriff der Mitunternehmerschaft nicht vereinbar.

Etwas anderes kann sich auch nicht aus dem Umstand ergeben, daß der Beigeladene im Rahmen seines Planungsbüros Betriebsmittel der Klägerin zu 1 in Anspruch nahm; denn es steht jedem Unternehmer frei, ob er seine Tätigkeit mit Hilfe eigener oder gemieteter Betriebsmittel oder durch Mitbenutzung der Betriebsmittel Dritter ausführt. Die Mitbenutzung von Betriebsmitteln eines Dritten ist kein Umstand, aus dem man in irgendeiner Weise auf die Teilnahme am Unternehmerrisiko des Dritten schließen könnte.

Ein Mitunternehmerrisiko des Beigeladenen läßt sich schließlich nicht aus den verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen ihm und den Klägern zu 2 und 3 herleiten. Das FG ist insoweit zutreffend davon ausgegangen, daß ein Mitunternehmerrisiko des Beigeladenen im Streitfall nicht deshalb angenommen werden kann, weil es sich bei der Klägerin zu 1 um ein Familienunternehmen handelte und der Beigeladene als Vater seiner als künftige Unternehmer vorgesehenen Kinder naturgemäß daran interessiert sein mußte, ihnen später ein möglichst gutgehendes Unternehmen zu übergeben. Darüber hinaus ist der Senat der Auffassung, daß zivilrechtliche Veränderungen zwischen Ehegatten, die klar vereinbart worden und ernsthaft gewollt sind, grundsätzlich auch steuerrechtlich zu beachten sind, wenn sie tatsächlich durchgeführt werden und kein Anwendungsfall des § 42 AO 1977 vorliegt.

3. Für eine Überprüfung der Gewinnverteilung zwischen den Klägern zu 2 und 3 bestand kein Anlaß, da der Vertreter des FA in der mündlichen Verhandlung auf Befragen erklärt hat, es bestünden für den Fall, daß der Beigeladene kein Mitunternehmer sei, keine Bedenken gegen die zwischen den Klägern zu 2 und 3 vereinbarte Gewinnverteilung von 30 zu 70.