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BFH-Urteil vom 3.10.1984 (II R 151/83) BStBl. 1985 II S. 100

Wird der steuerbegünstigte Zweck dadurch aufgegeben, daß ein unbebaut erworbenes Grundstück unbebaut weiterveräußert wird, so wird die Anzeigepflicht i. S. des § 16 a GrEStG Bayern nicht dadurch erfüllt, daß der Vertrag über die Weiterveräußerung dem FA eingereicht wird, ohne daß dabei auf den früheren noch unbesteuerten Erwerbsvorgang verwiesen wird. Das FA erlangt auf diese Weise keine Kenntnis von der Steuerpflicht des früheren Erwerbsvorgangs.

GrEStG Bayern § 16a Satz 2.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) kaufte durch drei notariell beurkundete Verträge vom 30. Dezember 1971 (URNr. 3857) und vom 24. März 1972 (URNrn. 821 und 822) sämtliche Anteile an einer Erbengemeinschaft. Der Nachlaß bestand aus drei Grundstücken.

Das beklagte Finanzamt (FA) setzte durch Steuerbescheid vom 11. August 1972 Grunderwerbsteuer fest.

Im Einspruchsverfahren beantragte die Klägerin Steuerbefreiung nach dem seinerzeitigen Bayerischen Gesetz über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau (GrESWG). Es sei beabsichtigt, die Grundstücke mit steuerbegünstigten Wohnungen zu bebauen. Daraufhin erließ das FA am 2. November 1972 gemäß § 94 der Reichsabgabenordnung (AO) eine vorläufige Freistellungsmitteilung nach Maßgabe des Art. 1 Nr. 1 Buchst. a GrESWG. In der Freistellungsmitteilung wurde auf die nach § 165 e AO bestehende Pflicht, eine zwischenzeitliche Zweckaufgabe bzw. die Nichterfüllung des Zwecks bei Fristablauf binnen zwei Wochen dem FA anzuzeigen, hingewiesen.

Ende 1977 wurde dem FA bekannt, daß die Klägerin die Grundstücke noch nicht bebaut hatte. Auf einem "Überwachungsblatt" wurde vom FA als Ende der Frist zur Herbeiführung des begünstigten Zwecks der 24. März 1982 vermerkt. Denn zwischenzeitlich war durch § 2 Nr. 3 des Dritten Gesetzes zur Änderung der grunderwerbsteuerlichen Vorschriften vom 8. Oktober 1974 (Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt - GVBl - 1974, 503, BStBl I 1976, 69) die Nachversteuerungsfrist des Art. 4 GrESWG von bislang fünf Jahren auf zehn Jahre verlängert worden. Nach Ablauf der im Überwachungsblatt notierten Frist (24. März 1982) ermittelte das FA, daß die Klägerin die Grundstücke in den Jahren 1978 und 1980 in unbebautem Zustand veräußert hatte.

Im Wege der Nacherhebung zog das FA die Klägerin wegen der drei Erbteilserwerbe mit drei Bescheiden vom 7. Mai 1982 zur Grunderwerbsteuer wegen Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks heran.

Nach erfolglosen Einsprüchen erhob die Klägerin gegen die drei Nacherhebungsbescheide drei Anfechtungsklagen und beantragte jeweils ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides in der Gestalt der Einspruchsentscheidung. Gegenstand der Klage, der dem vorliegenden Verfahren zugrunde liegt, ist der Erbteilserwerb vom 30. Dezember 1971 (URNr. 3857). Die Klägerin hat vorgetragen:

Der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid sei rechtswidrig, weil er in rechtsverjährter Zeit erlassen worden sei. Der Notar habe seinerzeit einen Abdruck des notariell beurkundeten Verkaufsangebots vom 14. Februar 1977 an das FA übersandt. Damit sei die bestehende Anzeigepflicht erfüllt worden. Die Festsetzungsfrist habe mit Ablauf des 31. Dezember 1977 begonnen und mit Ablauf des 31. Dezember 1981 geendet.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen.

Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Klägerin ist unbegründet und wird zurückgewiesen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Klägerin wird durch den angefochtenen Nacherhebungsbescheid nicht in ihren Rechten verletzt.

Der Steueranspruch ist durch vorzeitige Zweckaufgabe entstanden und war bei Erlaß des Grunderwerbsteuerbescheides noch nicht verjährt.

Die vierjährige Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 Nr. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 -) beginnt gemäß § 16 a des früher in Bayern geltenden GrEStG in den Fällen des § 1 Abs. 1 GrEStG mit Ablauf des Jahres, in dem der Erwerber des Grundstücks als Eigentümer in das Grundbuch eingetragen worden ist, und in den Fällen des § 1 Abs. 2 und 3 GrEStG mit Ablauf des Jahres, in dem der Steueranspruch entstanden ist (Satz 1). Ist von den Beteiligten eine für Zwecke der Grunderwerbsteuer vorgeschriebene Anzeige nicht oder nicht rechtzeitig eingegangen, so beginnt die Verjährung nicht vor Ablauf des Jahres, in dem das FA Kenntnis von dem steuerpflichtigen Vorgang erhalten hat, spätestens jedoch fünf Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem der Steueranspruch entstanden ist (Satz 2).

Eine grunderwerbsteuerliche Anzeigepflicht i. S. des § 16 a Satz 2 GrEStG war der Klägerin kraft Gesetzes auferlegt worden (vgl. § 165 e Abs. 4 der früheren AO und § 3 Abs. 4 der Grunderwerbsteuer-Durchführungsverordnung - GrEStDV -). Über diese unter anderem bei vorzeitiger Zweckaufgabe bestehende Anzeigepflicht war die Klägerin mit der vorläufigen Freistellungsmitteilung in zutreffender Weise belehrt worden. Eine derartige - den Anforderungen des § 16 a GrEStG genügende - Anzeige ist jedoch beim FA nicht eingegangen.

Die besondere Verjährungsregelung des § 16 a GrEStG verlangt in den Fällen, in denen die Steuerschuld durch Aufgabe des begünstigten Zwecks entsteht, die positive Kenntnis aller Merkmale, die zur Verwirklichung des Nachversteuerungstatbestandes führen. Es genügt nicht, wenn dem FA der Vertrag über die Weiterveräußerung der (zunächst steuerbefreit erworbenen) Grundstücke als solcher - oder gar nur ein diesbezügliches Verkaufsangebot - bekannt wird. Erforderlich ist vielmehr darüber hinaus die konkrete Kenntnis, daß dieser Vertrag in bezug auf einen früheren Erwerbsvorgang eine (vorzeitige) Zweckaufgabe darstellt. Eine ausreichende Anzeige muß daher in Nachversteuerungsfällen auch einen Hinweis auf den ursprünglichen Erwerbsvorgang enthalten. Das entspricht auch dem Sinn und Zweck einer solchen Anzeigepflicht, die verhindern soll, daß das FA von sich aus jeden neuen Grunderwerbsteuervorgang auf Beziehungen zu vorangegangenen Überwachungsfällen untersuchen muß. Weder das Verkaufsangebot vom 14. Februar 1977 noch die Weiterveräußerungsverträge sind (für sich allein) ausreichend, um der bestehenden Anzeigeverpflichtung Genüge zu tun.

Die objektive Nichterfüllung der Anzeigepflicht führt im Streitfall aufgrund der Anlaufhemmung des § 16 a Satz 2 GrEStG dazu, daß die Festsetzungsfrist erst nach dem 31. Dezember 1982 begonnen hat, weil das FA erstmals im Jahr 1982 von der Steuerpflicht des Erwerbsvorgangs in einer Weise Kenntnis erhalten hat, die ihm die Durchführung der Nachversteuerung ermöglichte.