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BFH-Urteil vom 10.10.1984 (II R 28/84) BStBl. 1985 II S. 101

1. Der Senat hält daran fest, daß ein Wohngebäude mit zwei Wohnungen und einer selbständigen gewerblich genutzten Einheit, die weniger als ein Drittel der gesamten Wohn- und Nutzfläche umfaßt, i. S. des GrEStEigWoG ein Zweifamilienhaus ist (Anschluß an BFHE 133, 316, BStBl II 1981, 585).

2. Ein Grundstück wird nicht erworben, um es der Denkmalspflege zu widmen, wenn dem Erwerber im Erwerbszeitpunkt die Denkmalseigenschaft nicht bekannt ist.

GrEStEigWoG § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2; GrEStG NW § 4 Abs. 1 Nr. 4.

Vorinstanz: FG Köln

Sachverhalt

I.

Der Kläger erwarb am 10. Januar 1980 ein bebautes Grundstück, für das im Einheitswertbescheid die Grundstücksart "gemischtgenutztes Grundstück" festgestellt worden war. Im Erdgeschoß des Gebäudes befindet sich ein Ladengeschäft mit Schaufenster. Dieses Geschäft umfaßt ein Viertel der gesamten Wohn- und Nutzfläche des Gebäudes. In den Obergeschossen befinden sich zwei Wohnungen mit insgesamt drei Vierteln der gesamten Wohn- und Nutzfläche des Gebäudes.

Das beklagte Finanzamt (FA) lehnte den Antrag des Klägers ab, den Erwerb nach dem Gesetz zur Grunderwerbsteuerbefreiung beim Erwerb von Einfamilienhäusern, Zweifamilienhäusern und Eigentumswohnungen (GrEStEigWoG) als Erwerb eines Zweifamilienhauses zu begünstigen. Nach erfolglosem Einspruch verfolgte der Kläger mit der Klage seinen Antrag weiter; er machte vor dem Finanzgericht (FG) zusätzlich geltend, im Hinblick auf die erhaltenswerte Fassade des Hauses habe er nachträglich erreicht, daß es in die Denkmalschutzliste vorläufig eingetragen worden sei.

Das FG hat die Klage abgewiesen. Seine Entscheidung ist in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1984, 244 abgedruckt.

Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Sein Hauptantrag geht dahin, den Erwerb in vollem Umfang wegen Widmung des Grundstücks für die Denkmalspflege von der Grunderwerbsteuer freizustellen; hilfsweise beantragt er Befreiung des Erwerbs nach dem GrEStEigWoG im Werte einer Gegenleistung von 300.000 DM.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist teilweise begründet. Die angefochtene Entscheidung wird aufgehoben; sie verletzt den Kläger in seinen Rechten, soweit das FG auch dem Hilfsantrag nicht stattgegeben hat. Im übrigen ist die Revision unbegründet.

1. Der Kläger hat ein Zweifamilienhaus i. S. des GrEStEigWoG erworben, das zu mehr als 66 2/3 v. H. Wohnzwecken dient. Ihm steht deshalb die (materiell vorläufige) Steuerbefreiung des Grundstückserwerbs in Höhe einer Gegenleistung von 300.000 DM zu (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 Nr. 2 GrEStEigWoG).

a) Der Begriff des Zweifamilienhauses ist im GrEStEigWoG nicht bestimmt. Entgegen der Auffassung des FG ist die Begriffsbestimmung des § 75 Abs. 6 des Bewertungsgesetzes (BewG) auf das GrEStEigWoG nicht unmittelbar übertragbar. Aus § 17 Abs. 2 BewG ergibt sich nichts anderes. Nach letzterer Vorschrift gilt zwar der Erste Abschnitt der besonderen Bewertungsvorschriften nach näherer Regelung durch die in Betracht kommenden Gesetze auch für die Grunderwerbsteuer. Eine derartige Regelung enthält jedoch das Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG NW) nicht. Der Senat kann nicht entscheiden, ob die Vorschriften über die Einheitsbewertung des Grundbesitzes auf die Grunderwerbsteuer allenfalls anwendbar wären, wenn die Steuer gemäß § 10 Abs. 2 GrEStG NW ausnahmsweise vom Wert des Grundstücks berechnet wird, weil im Streitfall Besteuerungsgrundlage der Wert der Gegenleistung ist.

Aufgrund der gegebenen Rechtslage hat der Senat entschieden, daß der Begriff des Zweifamilienhauses i. S. des GrEStEigWoG aus diesem Gesetz selbst beantwortet werden muß (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6. Mai 1981 II R 123/79, BFHE 133, 316, BStBl II 1981, 585). Er ist jedoch dabei von den allgemeinen Beschreibungen der Grundstücksarten des BewG ausgegangen (vgl. BFH-Urteil vom 30. September 1981 II R 8/80, BFHE 134, 189, BStBl II 1982, 30, m. w. N.). Das bedeutet, daß die Aussage des § 75 Abs. 6 Satz 1 BewG zugrunde gelegt werden kann, bei einem Zweifamilienhaus handle es sich um ein Wohngrundstück, das nur zwei Wohnungen enthält. Dagegen kann der Senat dem FG nicht folgen, daß auch die darüber hinausgehende Begriffsbestimmung des Zweifamilienhauses in § 75 Abs. 6 BewG "mit banaler Evidenz den gemeinsprachlichen Sinngehalt des Wortes Zweifamilienhaus" wiedergibt. Dies zeigen folgende Überlegungen:

Nach den einschlägigen Begriffsbestimmungen des BewG und der dazu ergangenen Rechtsprechung ist ein Wohngrundstück mit zwei Wohnungen grundsätzlich als Zweifamilienhaus zu beurteilen, wenn die Nutzfläche überwiegend Wohnzwecken dient. Das bedeutet, daß der räumliche Umfang einer gewerblichen (oder öffentlichen) Mitbenutzung den Umfang der wohnlichen Nutzung zwar nicht erreichen darf, ihm jedoch sehr nahekommen kann (vgl. BFH-Urteile vom 3. Februar 1956 III 206/55 U, BFHE 62, 205, 207, BStBl III 1956, 78, und vom 23. September 1977 III R 18/77, BFHE 124, 73, 75, BStBl II 1978, 188). Allerdings ergibt sich aus dieser Rechtsprechung auch, daß das Ausmaß der gewerblichen Mitbenutzung nicht allein entscheidend ist; denn auch bei flächenmäßig untergeordneter Mitbenutzung zu gewerblichen Zwecken kann durch die Intensität der gewerblichen Nutzung die Eigenart des Zweifamilienhauses beeinträchtigt werden (vgl. auch BFH-Urteil vom 27. Mai 1970 III R 65/68, BFHE 99, 493, 496, BStBl II 1970, 678). Nur für die Beantwortung der Frage, ob durch eine gewerbliche Mitbenutzung die Eigenart des Zweifamilienhauses beeinträchtigt wird, hat die Rechtsprechung die Verkehrsauffassung herangezogen (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 1973 III R 158/72, BFHE 111, 264, 267, BStBl II 1974, 195); dagegen kann die Verkehrsauffassung nicht über die umfassendere Frage befinden, ob ein Wohngebäude insgesamt ein Zweifamilienhaus sei oder nicht. Nach dieser Rechtsprechung des BFH macht es keinen Unterschied, ob die gewerbliche Mitbenutzung eines Wohngebäudes mit zwei Wohnungen innerhalb einer oder beider Wohnungen oder in Räumen stattfindet, die für diese Mitbenutzung zu einer selbständigen (abgeschlossenen oder nichtabgeschlossenen) Einheit zusammengefaßt sind (vgl. BFH-Urteil vom 2. Juli 1976 III R 54/75, BFHE 119, 294, 295, BStBl II 1976, 640).

Nach allem ist ein Zweifamilienhaus i. S. des § 75 Abs. 6 BewG unter Berücksichtigung der dazu ergangenen Rechtsprechung auch ein Wohngebäude mit drei Wohnungen (davon eine für das Hauspersonal, vgl. § 75 Abs. 6 i. V. m. Abs. 5 Satz 2 BewG) und einer selbständigen Einheit von Räumen, die gewerblich genutzt wird. Selbst ein Vorbau mit einem Lagerraum und länglichen Schaufenstern steht der Beurteilung des Wohngebäudes als Zweifamilienhaus nicht entgegen (vgl. BFHE 111, 264, BStBl II 1974, 195). Ein derartiges "bewertungsrechtliches" Zweifamilienhaus mit vier selbständigen Nutzungseinheiten will aber das FG, wie sich aus der Begründung seiner Entscheidung ergibt, nicht als Zweifamilienhaus i. S. des GrEStEigWoG ansehen. Es ist deshalb nur schwer einzusehen, weshalb das FG die Auffassung des erkennenden Senats, daß die bewertungsrechtliche Begriffsbestimmung des Zweifamilienhauses im Bereich des GrEStEigWoG nur als Ausgangspunkt übernommen werden kann, als "nicht verständlich" und "weder überzeugend noch einleuchtend" erachtet. Wenn das FG meint, der Senat verkenne, "daß der vom Gesetzgeber vorgegebene Begriff Zweifamilienhaus eine über zwei Wohnungen hinausgehende weitere Wohn- oder Nutzeinheit ausschließt", und gleichzeitig behauptet, das BewG gebe den gemeinsprachlichen Sinngehalt des Wortes Zweifamilienhaus wieder, so kann das nur darauf beruhen, daß das FG den oben dargestellten Inhalt des Begriffs Zweifamilienhaus i. S. des § 75 Abs. 6 BewG bei seiner Entscheidung zu wenig berücksichtigt hat.

b) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStEigWoG ist ein Zweifamilienhaus, dessen Erwerb begünstigt ist, dann nicht gegeben, wenn die nichtwohnliche Nutzung ein Drittel der gesamten Nutzungsmöglichkeit erreicht oder überschreitet. Mit der Begrenzung der nichtwohnlichen Nutzung auf weniger als ein Drittel der Gesamtnutzung weicht das GrEStEigWoG von der Begriffsbestimmung des § 75 Abs. 5, 6 BewG ab, die auf die Beeinträchtigung der Eigenart des Grundstücks ohne eine Begrenzung der Nutzung dem Umfang nach abstellt. Damit konnte aber der Begriff des Zweifamilienhauses i. S. des GrEStEigWoG zwangsläufig nicht aus dem Bewertungsgesetz, sondern er mußte aus dem Befreiungsgesetz selbst beantwortet werden. Der Senat mußte weiter davon ausgehen, daß weder dem BewG noch dem GrEStEigWoG ein Begriff des Zweifamilienhauses zugrunde liegt, der von "banaler Evidenz" ist, oder anders ausgedrückt, der insgesamt von der Verkehrsauffassung bestimmt wird. Es handelt sich vielmehr um einen Rechtsbegriff, der ebenso wie der bewertungsrechtliche Begriff des Zweifamilienhauses mehr oder weniger von der Vorstellung abweicht, die urteilsfähige Bürger von einer Sache gewinnen, wenn sie mit ihr befaßt werden (vgl. BFH-Urteil vom 6. Juli 1979 III R 77/77, BFHE 128, 397, 400, BStBl II 1979, 726). Der Senat hat deshalb mit Urteil in BFHE 133, 316, BStBl II 1981, 585 entschieden, daß i. S. des GrEStEigWoG auch ein Wohngebäude mit zwei Wohnungen und einer selbständigen dritten Einheit mit gewerblich genutzten Räumen ein Zweifamilienhaus ist, wenn die Nutzfläche dieser dritten Einheit weniger als ein Drittel der gesamten Wohn- und Nutzfläche beträgt. An dieser Entscheidung hält der Senat nach nochmaliger Überprüfung unter Berücksichtigung der Begründung der finanzgerichtlichen Entscheidung fest.

Das GrEStEigWoG hat mit dem Erfordernis der wohnlichen Nutzung des begünstigten Grundstücks zu mehr als 66 2/3 v. H. eine starre Grenze für eine zulässige nichtwohnliche aber begünstigungsunschädliche Nutzung gezogen. Der Gesetzgeber hat in Kenntnis der Begriffsbestimmung des BewG nicht auf die Beeinträchtigung der Eigenart als Wohngebäude durch die nichtwohnliche Mitbenutzung abgestellt, sondern er hat damit einen Typus des Wohngebäudes beschrieben, dessen Erwerb ihm unter der Sicht seiner Zielsetzung begünstigungsfähig erschien, das Wohnen im eigenen Einfamilienhaus oder Zweifamilienhaus zu fördern. Wenn es aber schon, wie oben nachgewiesen, nach der bewertungsrechtlichen Begriffsbestimmung des Zweifamilienhauses unerheblich ist, ob die gewerbliche Mitbenutzung gewissermaßen durch Zweckentfremdung von Wohnräumen innerhalb der Wohnungen oder in einer selbständigen gewerblich genutzten Einheit stattfindet, dann muß dies um so mehr im Bereich des GrEStEigWoG gelten. Denn § 1 Abs. 1 Nr. 2 GrEStEigWoG beschreibt nicht die Art der zulässigen nichtwohnlichen Nutzung, während § 75 Abs. 5, 6 BewG immerhin davon spricht, daß das Grundstück zu gewerblichen oder öffentlichen Zwecken "mitbenutzt wird". Daraus schließt der Senat, daß es dem Gesetzgeber des GrEStEigWoG entsprechend seiner Zielsetzung nur darauf ankam, die gewerbliche Nutzung in einem begünstigten Ein- oder Zweifamilienhaus dem Umfang nach zu begrenzen. Dagegen ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, daß er bestimmte gewerbliche Nutzungsarten, auch wenn sie die von ihm gesetzte starre Grenze einer zulässigen nichtwohnlichen Nutzung nicht überschreiten, als begünstigungsschädlich ansehen wollte.

2. Das FG hat es, ohne den Kläger in seinen Rechten zu verletzen, abgelehnt, den Grundstückserwerb in vollem Umfang von der Grunderwerbsteuer freizustellen.

Nach § 4 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG NW ist beim Grundstückserwerb für Zwecke der Denkmalspflege von der Besteuerung ausgenommen der Erwerb eines Grundstücks, um es mit Zustimmung der zuständigen Denkmalschutzbehörde der Denkmalspflege zu widmen. Das FG hat diese Vorschrift zutreffend dahin ausgelegt, daß die Absicht, das Grundstück der Denkmalspflege zu widmen, im Erwerbszeitpunkt vorhanden gewesen sein muß. Aus dem Wortlaut des Gesetzes "Erwerb eines Grundstücks ... um es ... zu widmen" ergibt sich eindeutig der zeitliche und sachliche Zusammenhang zwischen dem Erwerb und der Widmungsabsicht. Entgegen der Auffassung des Klägers widerspricht diese Auslegung nicht dem Sinn und Zweck der Befreiungsvorschrift. Denn die Erhaltung von denkmalgeschützten Grundstücken durch den Erwerber eines Grundstücks könnte mit Hilfe der Befreiung von einer Verkehrsteuer nur sehr unvollkommen gefördert werden. Dies zeigt die Sonderbehandlung von Erhaltungsaufwand bei Baudenkmälern im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung (vgl. § 82 k der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung - EStDV -), die offensichtlich diesem Zweck dient. Mit der Grunderwerbsteuerbefreiung des § 4 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG NW soll ein anderes Ziel erreicht werden. Diese Befreiung will den Erwerb von Grundstücken fördern, die nach sachkundiger Beurteilung durch die Denkmalschutzbehörde die Qualität eines Denkmals haben, wenn der Erwerber mit dem Erwerb die Absicht verfolgt, das Grundstück der Denkmalspflege zu widmen. Die Voraussetzungen des grunderwerbsteuerrechtlichen Befreiungstatbestandes können aber dann nicht mehr erfüllt werden, wenn der Erwerber, wie im Streitfall, die Denkmalseigenschaft des Grundstücks oder von Teilen desselben im Erwerbszeitpunkt gar nicht kennt.