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BFH-Urteil vom 31.10.1984 (I R 21/81) BStBl. 1985 II S. 162

Dem als Betrieb gewerblicher Art einer juristischen Person des öffentlichen Rechts anzusehenden Krankenhaus eines Landkreises kann für Zwecke der Nichterhebung oder Erstattung der Kapitalertragsteuer eine Bescheinigung des Inhalts, daß es gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG a. F., § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG 1977 wegen Gemeinnützigkeit von der Körperschaftsteuer befreit ist, nur ausgestellt werden, wenn nicht-nur die tatsächliche Geschäftsführung den Vorschriften über die Gemeinnützigkeit entspricht, sondern auch eine Satzung oder sonstige Verfassung vorhanden ist, aus der sich ergibt, daß dieser Betrieb ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dient.

KStG a.F. § 4 Abs. 1 Nr. 6; KStG 1977 § 5 Abs. 1 Nr. 9; EStG 1977 § 44c Abs. 1; KapStDV § 13a; GemVO §§ 2, 10, 12; AO 1977 §§ 51, 59, 60, 67.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) - ein Landkreis - betreibt ein Krankenhaus in S und in I.

Im Dezember 1975 beantragte er für das Krankenhaus in S beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) die Erteilung einer Bescheinigung nach § 13a Abs. 2 der Kapitalertragsteuer-Durchführungsverordnung (KapStDV). Das FA hat den Antrag mit der Begründung abgelehnt, der Krankenhausbetrieb diene nicht, wie es § 13a KapStDV i. V. m. § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG a. F. fordere, nach der Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken, da er keine Satzung habe. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde mit der gleichen Begründung zurückgewiesen.

Das Finanzgericht hat die Klage abgewiesen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom FG zugelassenen Revision. Er rügt Verletzung materiellen Rechts.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das FG hat im Ergebnis zu Recht eine Verpflichtung des FA verneint, dem Kläger eine Bescheinigung des Inhalts auszustellen, daß von den ihm zufließenden Kapitalerträgen der Steuerabzug nicht vorzunehmen ist (§ 13a Abs. 2 Satz 1 KapStDV i. d. F. vom 1. April 1975, BGBl I 1975, 766, BStBl I 1975, 390) oder daß er eine Körperschaft, Stiftung oder Vermögensmasse ist, die nach § 44c Abs. 1 Satz 1 EStG 1977 Anspruch auf Erstattung der für seine Rechnung einbehaltenen Kapitalertragsteuer hat (§ 44c Abs. 1 Satz 2 EStG 1977).

Der Anspruch auf Nichtvornahme des Kapitalertragsteuerabzugs oder auf Erstattung schon einbehaltener Kapitalertragsteuern steht u. a. solchen Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen zu, die nach der Satzung, dem Stiftungsgeschäft oder der sonstigen Verfassung und der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dienen. Diese Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen sind von der Körperschaftsteuer befreit (§ 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG a. F., § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG 1977). Wird von diesen Körperschaften ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb (§ 14 der Abgabenordnung - AO 1977 -) unterhalten, ist die Steuerfreiheit insoweit ausgeschlossen. Fallen die Kapitalerträge in einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb an, ist eine Bescheinigung dahin gehend, daß der Kapitalertragsteuerabzug nicht vorzunehmen ist oder daß ein Anspruch auf Erstattung der Kapitalertragsteuer besteht, nicht zu erteilen (§ 13a Abs. 1 Satz 2 KapStDV, § 44c Abs. 1 Satz 4 EStG 1977).

Unter die Körperschaften, die nach den genannten Vorschriften von der Körperschaftsteuer befreit sind, können auch Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG a. F. und n. F. fallen (vgl. auch § 2 Abs. 2 der Gemeinnützigkeitsverordnung - GemVO -, § 51 Satz 2 AO 1977). Die Körperschaft des öffentlichen Rechts und nicht der von ihr unterhaltene Betrieb gewerblicher Art ist Steuerrechtssubjekt wegen jedes einzelnen ihr gehörenden Betriebs gewerblicher Art (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. März 1974 I R 7/71, BFHE 112, 61, BStBl II 1974, 391). Seitdem der Kläger die Krankenhäuser in eigener Regie betreibt, liegt insoweit ein Betrieb gewerblicher Art vor, mit dessen Einkünften der Kläger grundsätzlich körperschaftsteuerpflichtig ist (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG). Der Kläger ist aber mit diesem Betrieb von der Körperschaftsteuer befreit und hat Anspruch auf eine entsprechende Bescheinigung für das Unterlassen des Kapitalertragsteuerabzugs oder als Nachweis für eine Kapitalertragsteuererstattung, wenn er die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG a. F. und seit dem 1. Januar 1977 die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG 1977 erfüllt. Im Streitfall geht es darum, ob der Kläger wegen Gemeinnützigkeit der von ihm in eigener Regie betriebenen Krankenhäuser von der Körperschaftsteuer befreit ist. Das KStG in den hier maßgeblichen Fassungen verlangt nicht nur, daß der betreffende Betrieb gewerblicher Art der Körperschaft des öffentlichen Rechts nach seiner tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dient. Inwieweit die Geschäftsführung einer Krankenanstalt diesen Voraussetzungen entspricht, ergibt sich für die Zeit vor dem 1. Januar 1977 aus § 10 GemVO und für die Zeit danach aus § 67 AO 1977. Eine ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dienende tatsächliche Geschäftsführung ist aber nur ein Erfordernis für die Körperschaftsteuerbefreiung nach § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG a. F. und § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG 1977. Es wird gleichermaßen verlangt, daß in der Satzung, Stiftung oder sonstigen Verfassung für den Betrieb gewerblicher Art der Körperschaft des öffentlichen Rechts alle Merkmale enthalten sind, aus denen eindeutig hervorgeht, daß dieser Betrieb ausschließlich und unmittelbar konkret bezeichneten gemeinnützigen Zwecken dient. Seitdem der Kläger die beiden Krankenhäuser in eigener Regie fortführt, fehlt für diese Betätigung des Klägers eine eigene Satzung. Das ist unstreitig.

Es ist demnach eines der Haupterfordernisse der Befreiungsvorschriften nicht erfüllt. In der Satzung oder sonstigen Verfassung müssen die Satzungszwecke so genau bezeichnet sein, daß auf dieser Grundlage geprüft werden kann, ob die satzungsmäßigen Voraussetzungen für die Steuervergünstigung gegeben sind und ob die tatsächliche Geschäftsführung mit der Satzung in Einklang steht (§ 2 Abs. 1, § 12 Abs. 1 GemVO, §§ 59, 60 AO 1977). Es kann daher der Auffassung des Klägers nicht zugestimmt werden, von einer Satzung oder sonstigen Verfassung könne abgesehen werden, wenn einwandfrei erkennbar sei, daß der Zweck des Betriebs gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts allein auf die Verwirklichung eines anerkannten gemeinnützigen Zwecks gerichtet sei. Auch aus § 14 GemVO und § 62 AO 1977, wonach bei Betrieben gewerblicher Art von Körperschaften des öffentlichen Rechts von Vorschriften für eine bestimmte Vermögensbindung in der Satzung abgesehen werden kann, läßt sich ebenfalls nicht herleiten, daß es in Fällen der vorliegenden Art auf das Vorhandensein einer Satzung nicht ankommt.

Der Kläger meint, dem Erfordernis der "sonstigen Verfassung" sei dadurch genügt, daß seine Krankenhäuser der Hessischen Landkreisordnung und den Vorschriften des Hessischen Krankenhausgesetzes entsprächen und die Haushaltsplanansätze für die Krankenhäuser nicht unter dem Einzelplan für die wirtschaftlichen Unternehmen des Landkreises, sondern unter dem Einzelplan "Gesundheit" aufgeführt seien. Wie sich aus dem Zusammenhang der Worte "sonstige Verfassung" mit den Worten "Satzung" und "Stiftung" in § 4 Abs. 1 Nr. 6 KStG a. F., § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG 1977 ergibt, ist darunter die im Rahmen des zwingenden Rechts verbindlich festgelegte Grundordnung der betreffenden Institution zu verstehen. Die Satzung oder Verfassung einer Körperschaft wird von den Gründungsmitgliedern aufgestellt. Hat eine Institution, wie im Streitfall der Betrieb gewerblicher Art einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, keine Mitglieder, muß ihre Verfassung durch die sie tragende Körperschaft konkret festgelegt werden.

Das FG hat die Verpflichtung des FA zur Ausstellung einer Bescheinigung nach § 13a Abs. 2 Satz 1 KapStDV allein deshalb verneint, weil zur Zeit des Ergehens des finanzgerichtlichen Urteils der von der Erteilung einer solchen Bescheinigung verfolgte Zweck, in bestimmten Fällen einen Kapitalertragsteuerabzug durch den Schuldner der Kapitalerträge zu vermeiden, nicht mehr hätte erreicht werden können; insoweit fehle es am Rechtsschutzinteresse. Abgesehen davon, daß das in der erwähnten Vorschrift der KapStDV umschriebene Bescheinigungsverfahren durch § 44c Abs. 1 Satz 2 EStG 1977 fortgeführt und mit einigen hier nicht maßgeblichen Änderungen beibehalten worden ist, war das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers nicht allein deshalb weggefallen, weil die KapStDV durch Art. 15 Nr. 4 des Einführungsgesetzes zum Körperschaftsteuerreformgesetz vom 6. September 1976 (BGBl I 1976, 2641, BStBl I 1976, 476) aufgehoben worden ist. Die KapStDV war noch anzuwenden auf nach dem 1. Januar 1977 zufließende Kapitalerträge, die auf einem Gewinnverteilungsbeschluß für ein Wirtschaftsjahr beruhen, das vor dem 1. Januar 1977 abgelaufen ist. Ähnliches wird in § 52 Abs. 1 EStG i. d. F. des Körperschaftsteuerreformgesetzes vom 31. August 1976 (BGBl I 1976, 2597, BStBl I 1976, 445) bestimmt. Ferner war der Zweck des Bescheinigungsverfahrens nach § 13a Abs. 2 Satz 1 KapStDV nicht allein darauf gerichtet, bei den in Abs. 1 dieser Vorschrift genannten gemeinnützigen, mildtätigen und kirchlichen Institutionen eine Erstattung der Kapitalertragsteuer zu vermeiden. Nach § 13a Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 13 Abs. 1 KapStDV konnte die Bescheinigung auch als Grundlage dafür dienen, die Erstattung schon abgeführter Kapitalertragsteuer von der Finanzbehörde zu erreichen.

Da aber das FA nach § 13a Abs. 2 KapStDV sowie nach der Nachfolgevorschrift des § 44c Abs. 1 Satz 2 EStG 1977 keine Bescheinigung ausstellen durfte, die den Schuldner der Kapitalerträge befugt hätte, von dem Kapitalertragsteuerabzug abzusehen, oder die Grundlage für eine Erstattung schon einbehaltener und abgeführter Kapitalertragsteuer hätte sein können, hat das FG die Verpflichtungsklage des Klägers zu Recht abgewiesen.