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BFH-Urteil vom 11.12.1984 (VIII R 263/82) BStBl. 1985 II S. 278

1. Der Abschluß eines obligatorischen Verrechnungsvertrages zwischen dem FA und einem Erstattungsberechtigten hat keine schuldtilgende Wirkung. Wird der Erstattungsanspruch nach Abschluß des Verrechnungsvertrages abgetreten, so kann das FA dem neuen Gläubiger die Einrede der Aufrechenbarkeit entgegensetzen.

2. Verjährt die Gegenforderung des FA, bevor es von seiner Aufrechnungsbefugnis Gebrauch gemacht hat, so kommt eine Aufrechnung aufgrund des obligatorischen Verrechnungsvertrages nicht mehr in Betracht.

AO § 148; BGB §§ 146, 151, 404, 406.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

Die Sache befindet sich im zweiten Rechtsgang.

Der Beigeladene H war Komplementär der A H & Söhne KG (KG). Die KG war Ende 1970 in Zahlungsschwierigkeiten und richtete am 15. Dezember 1970. folgendes Schreiben an das zuständige Finanzamt X (FA), das von dem Gesamtprokuristen J unterzeichnet war:

"Betr. Steuer-Nr....

Sehr geehrte Herren!

Wie wir jetzt durch eine vorläufige Bilanz ermittelt haben, die durch den Wirtschaftsprüfer Dr. D erstellt wurde, ergibt sich für das Geschäftsjahr 1969 ein Verlust von DM 814.000,00. Eine Fotokopie der vorläufigen Bilanz werden wir Ihnen noch einreichen. Hieraus ergibt sich, daß sämtliche Einkommensteuer-Vorauszahlungen für die drei obigen Steuernummern zum Soll gestellt werden müssen, und zwar für die Jahre 1969 und 1970.

Wir bitten Sie höflichst, dieses Schreiben als Antrag zu betrachten und die Einkommensteuer-, Kirchensteuer- und Ergänzungsabgabe-Vorauszahlungen dem Steuerkonto H & Söhne (Steuer-Nr....) für Umsatzsteuer- und Lohnsteuerzahlungen für den Monat November 1970 und die folgenden Monate gutzuschreiben. Gleichzeitig bitten wir Sie, die Einkommensteuer für obige Steuernummer und die Gewerbesteuer für H & Söhne für die Jahre 1970 und 1971 auf DM 0,00 festzusetzen.

Für den Monat November 1970 sind von uns zu zahlen:

Umsatzsteuer Nov. 1970                                                          DM 18.349,77

Lohnsteuer Nov. 1970                                                              DM   7.831,40

Kirchensteuer Nov. 1970                                                          DM      600,14

Ergänzungsabgabe Nov. 1970                                                 DM          8,70

Konjunkturzuschlag Nov. 1970                                                 DM      582,90

                                                                                                ------------------

                                                                                             DM 27.372,91

                                                                                            ===========

Diese fälligen Steuern bitten wir bereits für die gutzuschreibenden Einkommensteuern - wie vorher erwähnt - zu verrechnen. Wir wären Ihnen sehr dankbar, wenn Sie diesem Antrag stattgeben würden und versichern Ihnen, daß wir auf eine Rückzahlung der zuviel gezahlten Einkommensteuern nicht bestehen, sondern die gesamten Steuern auf Umsatz- und Lohnsteuern verrechnen lassen. Ihrer diesbezüglichen Nachricht sehen wir gern entgegen und verbleiben

 mit freundlichen Grüßen

 A H & Söhne

 gez. J."

Das FA gab dem Antrag auf Herabsetzung der Vorauszahlungen statt. Der Sachbearbeiter des FA vermerkte auf dem Schreiben am 17. Dezember 1970: "An die Zentrale Finanzkasse mit der Bitte um Umbuchung und Rückgabe des Schreibens."

Dem Konto der Eheleute H wurden daraufhin 21.660 DM Einkommensteuer, Ergänzungsabgabe und Kirchensteuer gutgeschrieben. Unter Berücksichtigung anderer Guthaben wies das Konto der Zentralen Finanzkasse für die Eheleute H zum 20. Januar 1971 ein Guthaben von 23.985 DM aus.

Am 3. Februar 1971 zeigten die Eheleute H dem FA an, daß sie am selben Tag das Guthaben in Höhe von 23.985 DM dem Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) abgetreten hätten.

Am 9. Februar 1971 buchte das FA von dem Guthaben 2.325 DM zum Ausgleich für Lohnsummensteuer der KG für das IV. Quartal 1970 um.

Am 12. Februar 1971 wurde über das Vermögen der KG das Konkursverfahren eröffnet.

Das FA lehnte es ab, dem Kläger den Betrag von 23.985 DM zu erstatten, weil im Zeitpunkt der Abtretung ein Erstattungsanspruch der Eheleute H gegenüber dem FA nicht mehr bestanden habe. Die KG habe im Herabsetzungsantrag vom 15. Dezember 1970 mit Einverständnis der Gesellschafter auf eine Rückzahlung der zuviel gezahlten Steuern verzichtet, und die Gesellschafter der KG hätten sich im Hinblick auf Kreditverhandlungen mit Banken damit einverstanden erklärt, daß ihre Guthaben für fällige und fällig werdende Steuern der KG verwendet würden.

Der Einspruch, mit dem der Kläger geltend machte, J habe ohne Vollmacht und ohne Einverständnis des H die Umbuchung und Verrechnung der privaten Erstattungsansprüche mit betrieblichen Steuern beantragt, blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab im ersten Rechtsgang der Klage statt und verpflichtete das FA unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung und des ablehnenden Bescheids vom 15. Juli 1971, an den Kläger 23.985 DM nebst 6 % Zinsen jährlich ab 4. Oktober 1971 zu zahlen. Der Kläger sei Gläubiger der Erstattungsansprüche geworden. H habe diese nicht wirksam an die KG abgetreten. Auch ein Verrechnungsvertrag zwischen H und dem FA sei nicht zustande gekommen. Auf die Revision des FA hob der erkennende Senat durch Urteil vom 21. März 1978 VIII R 60/73 (BFHE 125, 326, BStBl II 1978, 606) die Entscheidung des FG auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Nach den gesamten Umständen des Streitfalls sei es möglich, daß zwischen H und dem FA ein Verrechnungsvertrag zustande gekommen sei. Das FG müsse noch prüfen, ob J bevollmächtigt gewesen sei, den Umbuchungs- und Verrechnungsantrag auch im Namen des H zu stellen und ob das FA den Verrechnungsantrag rechtzeitig i. S. der §§ 146 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) angenommen habe. In diesem Zusammenhang könne es auch von Bedeutung sein, weshalb die Erstattungsansprüche des H bis zur Mitteilung ihrer Abtretung an den Kläger nicht in der beantragten Weise verrechnet und dem Steuerkonto der KG gutgeschrieben worden seien.

Das FG hat im zweiten Rechtsgang durch Vernehmung des Zeugen J Beweis darüber erhoben, ob er befugt war, die Erklärungen vom 15. Dezember 1970 auch im Namen des Beigeladenen abzugeben. Auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 31. August 1982 wird Bezug genommen.

Gemäß Abschnitt XVII der Anordnung des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg über die Zuständigkeit der Finanzämter in der Fassung vom 31. Dezember 1979 ist der Beklagte und Revisionskläger (Beklagter) im weiteren Verfahren an die Stelle des FA getreten.

Das FG gab der Klage im zweiten Rechtsgang im wesentlichen statt. Es verpflichtete den Beklagten unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung und des ablehnenden Bescheids vom 15. Juli 1971, an den Kläger 21.660 DM nebst 6 % Zinsen für die Zeit vom 4. Oktober 1971 bis zum 17. April 1973 zu zahlen. Hinsichtlich eines Teilbetrages von 2.325 DM wies es die Klage ab.

Mit seiner Revision rügt der Beklagte Verletzung der §§ 133, 145, 146, 151, 157 BGB sowie des § 111 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

Der Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Der Beigeladene hat sich nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, soweit das FG der Klage stattgegeben hat (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

Hinsichtlich eines Teilbetrages von 2.325 DM hat das FG rechtskräftig entschieden, daß der Erstattungsanspruch des Klägers durch Aufrechnung erloschen ist. Hinsichtlich des jetzt noch streitigen Betrages von 21.660 DM und hinsichtlich der strittigen Prozeßzinsen für den Zeitraum vom 4. Oktober 1971 bis zum 17. April 1973 kann der Senat nicht abschließend beurteilen, ob das FG zu Recht der Klage stattgegeben hat.

1. Das FG ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, daß zwischen dem Beigeladenen und dem FA ein (obligatorischer) Verrechnungsvertrag zustande gekommen ist.

Der Senat hat bereits in seiner im ersten Rechtszug ergangenen Entscheidung ausgeführt, eine Auslegung des Schreibens vom 15. Dezember 1970 nach §§ 133, 157 BGB ergebe, daß der Antrag auf Verrechnung der Steueransprüche des Beigeladenen mit den Steuerschulden der KG auch in dessen Namen gestellt worden sei. Der Senat hat ferner die Auffassung vertreten, daß sich das Verrechnungsangebot auf die fälligen betrieblichen Steuerschulden der KG erstreckte. An diese Auslegung ist der erkennende Senat im Verfahren des zweiten Rechtszuges gebunden (Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 126 Anm. 7, m. w. N.). Der Einwand des Klägers, das Verrechnungsangebot im Schreiben vom 15. Dezember 1970 beziehe sich nur auf die Lohn- und Umsatzsteuer, kann schon aus diesem Grunde keinen Erfolg haben.

Das FG hat im Verfahren des zweiten Rechtsgangs aufgrund einer Beweisaufnahme festgestellt, daß der Beigeladene den Prokuristen J bevollmächtigt hatte, in seinem Namen ein Angebot auf Abschluß eines Verrechnungsvertrages abzugeben. An diese Feststellung, die der Kläger nicht angegriffen hat, ist der Senat gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO).

Das FG hat zutreffend dargelegt, daß das FA dieses Angebot rechtzeitig i. S. der §§ 146 ff. BGB angenommen hat.

Die Annahme des Angebots hat das FG zu Recht in der Übersendung des Schreibens vom 15. Dezember 1970 an die Zentrale Finanzkasse am 17. Dezember 1970 gesehen. Der zuständige Sachbearbeiter des FA hatte auf dem Schreiben ausdrücklich vermerkt, daß die Erstattungsansprüche umgebucht werden sollten. Mit dieser Anweisung und mit der zuvor durchgeführten Herabsetzung der Einkommensteuer-Vorauszahlungen hat das FA erkennbar den Willen zum Ausdruck gebracht, das Verrechnungsangebot vom 15. Dezember 1970 anzunehmen.

Der - grundsätzlich erforderliche - Zugang der Annahmeerklärung (§§ 130, 146 BGB) war im vorliegenden Fall entbehrlich. Nach den Umständen des Streitfalls brauchte die Annahme dem Beigeladenen gegenüber nicht erklärt zu werden, weil dieser auf eine solche Erklärung konkludent verzichtet hatte (§ 151 BGB). Dem Angebot im Schreiben vom 15. Dezember 1970 war eine Besprechung zwischen dem Sachbearbeiter des FA und dem Zeugen J vorausgegangen, an der auch der Beigeladene teilgenommen hatte. In dieser Besprechung hatte der Sachbearbeiter des FA selbst vorgeschlagen, die Einkommensteuer-Erstattungsansprüche der persönlich haftenden Gesellschafter mit den fälligen und fällig werdenden Steuerschulden der KG zu verrechnen. Es konnte deshalb als selbstverständlich vorausgesetzt werden, daß das FA das Angebot annehmen werde. Dies gilt um so mehr, als der Vertrag für das FA rechtlich vorteilhaft war, weil dadurch die gesetzlichen Hindernisse für eine Aufrechnung (vgl. § 387 BGB) beseitigt wurden (Staudinger/Dilcher, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl., § 151 Anm. 4, m. w. N.).

Der letzte Satz des Schreibens vom 15. Dezember 1970 ("Ihrer diesbezüglichen Nachricht sehen wir gern entgegen ...") hindert nicht die Annahme eines Verzichts i. S. von § 151 BGB. Aus diesem Satz ergibt sich nur, daß die Urheber des Schreibens vom 15. Dezember 1970 eine schriftliche oder mündliche Antwort des FA erwarteten, nicht aber, daß sie das Zustandekommen des Verrechnungsvertrages von dem Zugang einer ausdrücklichen Annahmeerklärung abhängig machen wollten. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß der KG an einer umgehenden Annahme ihres Angebots gelegen sein mußte, um das Entstehen von Säumniszuschlägen zu vermeiden. Nach den Umständen des Streitfalls ist deshalb davon auszugehen, daß die KG und ihre Gesellschafter erst nach der (als selbstverständlich vorausgesetzten) Annahme des Verrechnungsangebots eine Mitteilung des FA über dessen Vollzug wünschten.

Der Einwand des Klägers, es fehle an einer wirksamen Annahme i. S. des § 151 BGB, weil diese eine nach außen hervortretende eindeutige Bestätigung des Annahmewillens erfordere, greift nicht durch. Zwar ist es richtig, daß auch für das Zustandekommen eines Vertrages nach § 151 BGB der bloße Annahmeentschluß nicht genügt (vgl. Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, § 151 Anm. 49, m. w. N.; anderer Ansicht Flume, Das Rechtsgeschäft, 3. Aufl., § 35 II 3). Der Annahmewille muß vielmehr nach außen erkennbar zutage getreten sein. Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Entgegen der Ansicht des Klägers kann der Annahmewille in den Fällen des § 151 BGB auch durch einen betriebs- oder amtsinternen Vorgang (hier: Übersendung des Antragsschreibens an die Finanzkasse) kundgetan werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn der abzuschließende Vertrag eine Leistung zum Gegenstand hat, die der Antragsempfänger innerhalb seines Betriebs erbringen muß (Staudinger/Dilcher, a. a. O., Anm. 16) oder wenn der Vertrag - wie hier - für den Antragsempfänger lediglich rechtlich vorteilhaft ist (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 12. November 1980 VIII ZR 293/79, BGHZ 78, 369, 372).

Am 17. Dezember 1970 konnte das Vertragsangebot des Beigeladenen noch nicht erloschen sein (§ 151 Satz 2 BGB). Das FA hat deshalb das Angebot rechtzeitig angenommen.

2. Da der Verrechnungsvertrag vor der Abtretung der Erstattungsansprüche zustande gekommen ist, kann der Beklagte dem Erstattungsverlangen des Klägers grundsätzlich die Einrede der Aufrechenbarkeit (§§ 404, 406 BGB) entgegenhalten (BFHE 125, 326, BStBl II 1978, 606). Diese Einrede kann der Beklagte allerdings nicht mehr mit Erfolg geltend machen, wenn die Steuerschulden der KG, die Gegenstand des Verrechnungsvertrages sind, zwischenzeitlich durch Verjährung oder auf andere Weise erloschen sein sollten.

a) Der Senat stimmt mit dem FG darin überein, daß es sich bei der Vereinbarung vom 15./17. Dezember 1970 nicht um ein Verfügungsgeschäft, sondern um einen obligatorischen Vertrag handelt. Die Wirkungen eines solchen Vertrages sind von denen des verfügenden Aufrechnungsvertrages verschieden. Während beim verfügenden Aufrechnungsvertrag die Forderungen regelmäßig mit Vertragsabschluß erlöschen (vgl. Esser, Schuldrecht, Bd. 1, 6. Aufl., S. 274), wird durch den obligatorischen Aufrechnungsvertrag eine einseitige Aufrechnungsbefugnis für beide Vertragspartner oder auch nur für eine Partei vereinbart. Verträge dieser Art begründen Gestaltungsbefugnisse, haben aber selbst keine gestaltende (schuldtilgende) Wirkung (vgl. Gernhuber, Die Erfüllung und ihre Surrogate, 1983, § 14 I 1).

Im Streitfall ist nach dem Inhalt des Verrechnungsangebots vom 15. Dezember 1970 davon auszugehen, daß die Beteiligten einen obligatorischen Verrechnungsvertrag abschließen wollten. Diese Auffassung haben auch der Kläger und der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem erkennenden Senat vertreten. Bei der Auslegung des Vertrages ist zu berücksichtigen, daß sich das Verrechnungsangebot nicht nur auf die Erstattungsansprüche des Beigeladenen, sondern auch auf die der übrigen Gesellschafter bezog. Diese Erstattungsansprüche sollten mit den im November 1970 fälligen und den in den folgenden Monaten fällig werdenden Steuerschulden der KG verrechnet werden. Das Angebot vom 15. Dezember 1970 regelt nicht, welche Forderungen in welcher Reihenfolge gegeneinander aufgerechnet werden sollten. Einer solchen Regelung hätte es jedoch bedurft, wenn die Vertragsbeteiligten die schuldtilgende Wirkung der Aufrechnung schon mit dem Vertragsabschluß hätten eintreten lassen wollen. Denn durch vertragliche Aufrechnung können nur solche (gegenwärtigen oder künftigen) Forderungen getilgt werden, die im Vertrag so genau bezeichnet sind, daß die Verfügungsobjekte (die getilgten Forderungen) aus dem Kreis der überhaupt in Betracht kommenden Ansprüche zweifelsfrei bestimmt werden können (Gernhuber, a. a. O., § 14 II 2). Die Vorschriften der § 396 Abs. 1 Satz 2, § 366 Abs. 2 BGB gelten nur für die einseitige Aufrechnung, nicht aber für den Aufrechnungsvertrag (Urteil des Reichsgerichts - RG - vom 25. März 1931 I 300/30, RGZ 132, 218, 221).

Da eine genaue Bezeichnung der Verfügungsobjekte im Verrechnungsangebot vom 15. Dezember 1970 fehlt, konnte die Vereinbarung nur als obligatorische Verrechnungsabrede wirksam werden.

Für den obligatorischen Charakter des Verrechnungsvertrages spricht auch der Wortlaut des Angebots vom 15. Dezember 1970, in dem es u. a. heißt: "Wir ... versichern Ihnen, daß wir ... die gesamten Steuern auf Umsatz- und Lohnsteuern verrechnen lassen." Diese Formulierung deutet darauf hin, daß durch den Verrechnungsvertrag nur die Voraussetzungen für eine einseitige Aufrechnung durch das FA geschaffen werden sollten. Auch das FA hat das Schreiben vom 15. Dezember 1970 offenbar in diesem Sinne verstanden, da es die strittigen Erstattungsansprüche nicht sofort nach dem Zustandekommen des Vertrages dem Steuerkonto der KG gutgeschrieben hat.

b) Die Annahme eines obligatorischen Verrechnungsvertrages hat zur Folge, daß die beiderseitigen Forderungen erst dann getilgt werden, wenn das FA von seiner Aufrechnungsbefugnis Gebrauch macht. Nach den Feststellungen des FG hat das FA bisher lediglich mit einer Forderung von 2.325 DM gegen den Erstattungsanspruch des Klägers aufgerechnet. Hinsichtlich des verbleibenden Betrages von 21.660 DM besteht der Erstattungsanspruch noch. Das FG hat zutreffend dargelegt, daß in der Umbuchung dieses Betrages in Verwahrung keine Aufrechnung gesehen werden kann, da es sich hierbei nur um eine vorläufige Maßnahme handelt.

Obwohl der Beklagte hinsichtlich des Betrages von 21.660 DM bisher nicht von seiner Aufrechnungsbefugnis Gebrauch gemacht hat, kann er sich gegenüber dem Erstattungsverlangen des Klägers grundsätzlich auf die Verrechnungsabrede vom 15./17. Dezember 1970 berufen. Denn unter den "Einwendungen" i. S. des § 404 BGB, die der Schuldner dem neuen Gläubiger entgegensetzen kann, sind nicht nur rechtshemmende und rechtsvernichtende Einwendungen zu verstehen, sondern alle Verteidigungsmöglichkeiten des Schuldners, insbesondere die Gestaltungsrechte, die ihm gegenüber dem früheren Gläubiger zustanden (Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 43. Aufl., § 404 Anm. 2; BGH-Urteil vom 9. November 1959 III ZR 136/58, BGHZ 31, 148, 149). Das folgt aus dem Zweck der §§ 404, 406 BGB, die gewährleisten sollen, daß der Schuldner durch die Abtretung der Forderung nicht benachteiligt, also gegenüber dem neuen Gläubiger nicht ungünstiger gestellt wird, als er gegenüber dem alten Gläubiger stand (BGH-Urteil vom 28. November 1955 II ZR 153/54, BGHZ 19, 153, 156). Der Schuldner kann somit dem neuen Gläubiger gegenüber nicht nur die Aufrechnung erklären, er kann auch, wenn der Ausübung dieses Gestaltungsrechts irgendwelche Hindernisse entgegenstehen, die Einrede der Aufrechenbarkeit geltend machen (Palandt, a. a. O.; Neumann-Duesberg in Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1971, 271).

Daß der Rechtsgedanke der §§ 404, 406 BGB auch im öffentlichen Recht zu beachten ist, hat der erkennende Senat bereits in seiner Entscheidung in BFHE 125, 326, BStBl II 1978, 606 dargelegt.

c) Der Kläger hat im Revisionsverfahren des zweiten Rechtsgangs geltend gemacht, die Steuerforderungen, mit denen der Beklagte aufrechnen wolle, seien während des finanzgerichtlichen Verfahrens durch Verjährung erloschen. Dieses Vorbringen ist auch noch in der Revisionsinstanz zu beachten, weil es sich dabei um einen rechtlichen Einwand handelt, der für die Entscheidung des Streitfalls erheblich ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Mai 1974 III 284/64, BFHE 112, 449, BStBl II 1974, 620). Sollten nämlich die im Schreiben vom 15. Dezember 1970 zur Verrechnung angebotenen Steuerschulden der KG während des anhängigen gerichtlichen Verfahrens tatsächlich verjährt sein, so kann der Beklagte die Einrede der Aufrechenbarkeit nicht mehr mit Erfolg geltend machen. Eine Aufrechnung ist dann nicht mehr möglich.

Anders als im bürgerlichen Recht (vgl. § 222 BGB) begründet die Vollendung der Verjährung im Steuerrecht nicht ein Leistungsverweigerungsrecht des Schuldners, sondern führt ohne weiteres zum Erlöschen der verjährten Steuerforderungen (§ 148 der Reichsabgabenordnung - AO - in der Fassung des Gesetzes zur Änderung der Reichsabgabenordnung und anderer Gesetze vom 15. September 1965, BGBl I, 1356, BStBl I, 643).

Der Ablauf der Verjährungsfrist ist in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu beachten (BFHE 112, 449, BStBl II 1974, 620).

Aus der im Steuerrecht abweichend vom bürgerlichen Recht geregelten Wirkung der Verjährung folgt, daß mit verjährten Steuerforderungen nicht aufgerechnet werden kann. Die Vorschrift des § 390 Satz 2 BGB ist in den Fällen der Aufrechnung mit verjährten Steueransprüchen weder unmittelbar noch entsprechend anzuwenden (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 124 AO Tz. 5 und § 148 AO Tz. 1; zur Rechtslage nach der Abgabenordnung - AO 1977 - vgl. § 226 Abs. 2).

Das gilt auch, wenn aufgrund eines obligatorischen Verrechnungsvertrages aufgerechnet werden soll.

Der Ansicht des Beklagten, mit einer verjährten Steuerforderung könne jedenfalls dann aufgerechnet werden, wenn die Verjährung erst nach Abschluß des Verrechnungsvertrages eingetreten sei, kann nicht gefolgt werden. Da der obligatorische Verrechnungsvertrag selbst keine schuldtilgende Wirkung hat, bestehen die Steuerforderungen, die Gegenstand der Verrechnungsabrede sind, so lange fort, bis sie durch einseitige Aufrechnungserklärung, durch Verjährung oder auf sonstige Weise erlöschen. Verjährt die Steuerforderung, bevor der Steuergläubiger von seiner Aufrechnungsbefugnis Gebrauch gemacht hat, so kommt eine Aufrechnung nicht in Betracht, weil eine verrechenbare Forderung nicht mehr vorhanden ist (vgl. Gernhuber, a. a. O., § 14 II 1, m. w. N. in Fußnote 10).

3. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden. Die tatsächlichen Feststellungen des FG lassen keine abschließende Beurteilung der Frage zu, ob die Steuerforderungen des FA, die Gegenstand der Verrechnungsabrede sind, zwischenzeitlich durch Verjährung oder auf andere Weise erloschen sind. Insbesondere ist den tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils nicht zu entnehmen, ob die hier maßgebliche Verjährungsfrist des § 144 Abs. 1 AO vor ihrem Ablauf nach den §§ 146 ff. oder - nach Inkrafttreten der AO 1977 - gemäß §§ 230, 231 AO 1977 (vgl. Art. 97 § 14 Abs. 2 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung vom 14. Dezember 1976, BGBl I, 3341, BStBl I, 667) gehemmt oder unterbrochen worden ist.

Die Sache geht deshalb zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück, das insbesondere die Frage der Verjährung zu prüfen haben wird.