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BFH-Urteil vom 6.12.1984 (IV R 135/83) BStBl. 1985 II S. 288

Der Chefarzt einer Krankenhausabteilung, der im Krankenhaus mit Hilfe des Krankenhauspersonals, das in keinem Arbeitsverhältnis zu ihm steht, eine freiberufliche Arztpraxis ausübt, kann Bewirtungskosten für dieses Personal anläßlich eines Betriebsausfluges nach Maßgabe des § 4 Abs. 5 Nr. 2 EStG 1977 als Betriebsausgaben abziehen.

EStG 1977 § 4 Abs. 4 und 5.

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Facharzt und Dozent. Im Streitjahr 1978 erzielte er als angestellter Chefarzt der Inneren Abteilung des Städtischen Krankenhauses X Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Daneben erzielte er Einkünfte aus selbständiger Arbeit aufgrund seiner Lehrtätigkeit an der Universität, aus Gutachten, Forschung und insbesondere aus seiner Tätigkeit als Facharzt. Die selbständige ärztliche Tätigkeit übte er in den Räumen des Krankenhauses unter Mitwirkung des dort angestellten Krankenhauspersonals aus. Für die Inanspruchnahme des Personals zahlte der Kläger an das Krankenhaus ein Entgelt (Bettengeld), das im Jahre 1978 15.550 DM betrug.

Mit der Einkommensteuererklärung für 1978 machte der Kläger bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit als Betriebsausgaben u. a. die Kosten für einen Betriebsausflug in Höhe von 3531,70 DM geltend, den er für das für ihn tätige Krankenhauspersonal veranstaltet hatte.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) Iehnte die Berücksichtigung der geltend gemachten Kosten des Betriebsausfluges als Betriebsausgaben ab, da es sich um nicht abzugsfähige Kosten der Lebensführung handle.

Nach erfolglosem Einspruch machte der Kläger mit der Klage u. a. geltend, die Kosten des Betriebsausfluges seien als Betriebsausgaben bei seinen Einkünften aus freiberuflicher Tätigkeit zu behandeln. Er habe im Jahre 1978 neben seinen Bezügen als Chefarzt der Inneren Abteilung des Städtischen Krankenhauses Einnahmen als selbständiger Facharzt in Höhe von 95.750,56 DM erzielt. Für diese Tätigkeit stünden ihm ausschließlich das Personal und die Räumlichkeiten des Krankenhauses gegen Entgelt zur Verfügung. Außer einigen nebenberuflich für ihn tätigen Ärzten und Sekretärinnen, die hauptberuflich beim Krankenhaus angestellt seien und von ihm lohnsteuerpflichtige Vergütungen von insgesamt 19.075 DM erhalten hätten, erhalte das Pflegepersonal keine direkte Vergütung von ihm. Da das für ihn tätige Personal häufig Überstunden und Mehrleistungen erbringe, die nicht gesondert vergütet würden, lade er sie alljährlich zu einem Betriebsausflug ein. Diese Zusammenkunft außerhalb des Arbeitsplatzes diene der Pflege des Betriebsklimas, fördere die Zusammenarbeit und berühre die persönliche Lebensführung des Steuerpflichtigen in keiner Weise.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage hinsichtlich der Abzugsfähigkeit der Kosten des Betriebsausfluges als unbegründet ab. Es vertrat die Auffassung, die Kosten erfüllten zwar - zumindest teilweise - die begrifflichen Voraussetzungen einer Betriebsausgabe, seien aber gemäß § 12 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nicht abzugsfähig. Denn entgegen der Meinung des Klägers seien sie auch durch seine Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit als angestellter Chefarzt verursacht; insoweit stünden sie in einem Zusammenhang mit seiner privaten Lebensführung. Merkmale, die eine objektive und zutreffende Aufteilung zwischen dem als Betriebsausgabe anzuerkennenden Teil und dem nicht abzugsfähigen Teil der Lebensführung ermöglichten, ließen sich nicht finden.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 4 Abs. 4 EStG. Das FG habe die uneingeschränkte Zuordnung der strittigen Aufwendungen zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit abgelehnt, da die von ihm bewirteten Personen für ihn sowohl im Rahmen seiner selbständigen als auch im Rahmen seiner nichtselbständigen Arbeit tätig würden. Diese Auffassung könne nicht überzeugen. Es werde dabei übersehen, daß der Betriebsausflug seinen Anlaß und seine Ursache allein in der freiberuflichen Tätigkeit habe. Im Rahmen der nichtselbständigen Tätigkeit als Chefarzt bestehe für ihn kein Anlaß, einen derartigen Betriebsausflug durchzuführen, da er insoweit an einem erhöhten Arbeitseinsatz kein eigenes finanzielles Interesse habe.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung insoweit aufzuheben, als sie bei den Einkünften aus selbständiger Arbeit die Betriebsausgaben in Höhe von 3.531,70 DM nicht berücksichtigt hat.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

Bei den strittigen Kosten handelt es sich nach den vorgelegten Belegen um Bewirtungskosten anläßlich eines alljährlich stattfindenden Betriebsfestes in einer Gaststätte, das als Betriebsausflug bezeichnet wird.

Der Kläger geht davon aus, daß diese Bewirtungskosten durch seine freiberufliche Arztpraxis im Krankenhaus veranlaßt waren, weil ihm für diese die Mitarbeiter der Inneren Abteilung zur Verfügung standen, obwohl sie nicht seine Arbeitnehmer waren und - mit Ausnahme einiger Ärzte und Sekretärinnen - auch keine aufgrund von Nebenvergütungen begründete arbeitnehmerähnliche Stellung zum Kläger hatten. Der Senat teilt diese Auffassung. Die berufliche Veranlassung der Bewirtungskosten ergibt sich schon daraus, daß der Kläger in seiner freiberuflichen Arztpraxis im Krankenhaus auf diese von ihm selbst nicht entlohnten Mitarbeiter angewiesen war und von ihrer Arbeitsqualität der Erfolg seiner Arztpraxis und damit seine Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit nicht unwesentlich beeinflußt wurden. Die betriebliche Veranlassung solcher Zuwendungen an Krankenhauspersonal, das in keinem Arbeitnehmerverhältnis zum Chefarzt steht, ergibt sich also aus dem besonderen Status der Chefärzte an deutschen Krankenhäusern, der es ihnen gestattet, im Krankenhaus mit Hilfe des Krankenhauspersonals eine freiberufliche Arztpraxis selbständig auszuüben. Nach denselben Grundsätzen hat der VI. Senat im Urteil vom 23. März 1984 VI R 182/81 (BFHE 141, 18, BStBl II 1984, 557) den Standpunkt vertreten, daß Aufwendungen eines angestellten Bezirksdirektors einer Versicherung mit überwiegend erfolgsabhängigen Bezügen für Bewirtung und Geschenke an Mitarbeiter seines Bezirks beruflich veranlaßte Werbungskosten sein können, weil seine Bezüge nicht unwesentlich von den Leistungen seiner Mitarbeiter abhängen.

Der Senat teilt nicht die vom Kläger mit Recht gerügte Sachverhaltswürdigung des FG, die es als zwingend ansieht, daß die Bewirtungskosten sowohl durch die nichtselbständige Arbeit des Klägers als Chefarzt als auch durch die selbständige Arbeit als freiberuflicher Facharzt verursacht wurden, weil die bewirteten Personen bei beiden Tätigkeiten des Klägers mitgearbeitet hätten. Die Beschränkung der Bewirtungskosten auf die Einkünfte aus der freiberuflichen Arztpraxis ergibt sich insbesondere daraus, daß nur diese als erfolgsabhängige Einkünfte auch vom Arbeitseinsatz dieser Mitarbeiter abhingen, nicht hingegen die Einkünfte des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit als angestellter Chefarzt. Es widerspricht der Lebenserfahrung, daß ein Angestellter in leitender Stellung anläßlich eines Betriebsfestes oder eines Betriebsausfluges größere Beträge für die ihm unterstellten Arbeitnehmer ausgibt. Für eine solche Annahme des FG - entgegen der Einlassung des Klägers - fehlt es an objektiven Anhaltspunkten.

Im Gegensatz zu den Aufwendungen für Geschenke an Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 8. November 1984 IV R 186/82 (BFHE 143, 21, BStBl II 1985, 286), läßt § 4 Abs. 5 EStG 1977 Kosten der Bewirtung solcher Personen unter bestimmten Voraussetzungen als Betriebsausgaben zu, wenn - wie im Streitfall - ihre betriebliche Veranlassung feststeht. Gemäß § 4 Abs. 5 Nr. 2 EStG 1977 dürfen Aufwendungen für die Bewirtung von Personen, die nicht Arbeitnehmer des Steuerpflichtigen sind, als Betriebsausgaben den Gewinn nicht mindern, soweit sie nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als unangemessen anzusehen sind oder soweit ihre Höhe und ihre betriebliche Veranlassung nicht nachgewiesen sind. Zum Nachweis der Höhe und der betrieblichen Veranlassung der Aufwendungen hat der Steuerpflichtige auf einem amtlich vorgeschriebenen Vordruck die folgenden Angaben zu machen: Ort und Tag der Bewirtung, bewirtete Personen, Anlaß der Bewirtung und Höhe der Aufwendungen; hat die Bewirtung in einer Gaststätte stattgefunden, so ist dem Vordruck die Rechnung über die Bewirtung, die vom Inhaber der Gaststätte unterschrieben sein muß, beizufügen.

Das FG hat das Vorliegen der sich daraus ergebenden Voraussetzungen für die Abzugsfähigkeit der Bewirtungskosten als Betriebsausgaben nicht geprüft, weil es die Auffassung vertrat, soweit die strittigen Aufwendungen der freiberuflichen Tätigkeit des Klägers zuzurechnen seien, wäre ein Abzug als Betriebsausgaben nur dann möglich, wenn sich dieser Teil der Aufwendungen von dem den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zuzurechnenden Teil einwandfrei abgrenzen ließe; das sei jedoch im Streitfall nicht möglich. Da aber eine Aufteilung nach den obigen Ausführungen nicht in Betracht kommt, muß die Vorentscheidung aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen werden, damit es die auf tatsächlichem Gebiet liegende Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen für die Abzugsfähigkeit der Bewirtungskosten nach § 4 Abs. 5 Nr. 2 EStG nachholt.

Soweit die beim Betriebsausflug bewirteten Personen vom Kläger lohnsteuerpflichtige Vergütungen für ihre Nebenbeschäftigung im Dienste des Klägers erhalten haben, hängt die Abzugsfähigkeit der betreffenden Bewirtungskosten nicht von den Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Nr. 2 EStG 1977 ab.