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BFH-Urteil vom 22.1.1985 (VIII R 29/82) BStBl. 1985 II S. 308

1. Wer behauptet, daß die Passivierung von Provisionen und Zinsen betrieblich veranlaßt ist (§ 4 Abs. 4 EStG), trägt hierfür die Feststellungslast.

2. Soweit der Passivposten für vergangene, nicht mehr berichtigungsfähige Veranlagungszeiträume gebildet worden ist, ist er in der ersten offenen Bilanz gewinnerhöhend auszubuchen.

FGO § 96; EStG § 4 Abs. 2 und 4.

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb seit 1950 den Großhandel mit Häuten und Fellen. Er war auch im Ausland (C-Land) tätig. Hauptgeschäftspartner war die Firma B. Der Kläger gibt an, daß ihm der Zugang zu der Firma B und damit zum c-ländischen Markt 1953/54 durch A geebnet worden sei, den er während der Besatzungszeit in C-Land 1940 bis 1944 kennengelernt habe; er habe A mit 1% an den C-Land-Umsätzen beteiligt; A's Guthaben habe mit 5% verzinst werden sollen.

Der Kläger wies in seinen Bilanzen die Schuld gegenüber A als "Darlehen" aus. Dieser Passivposten erfaßte Provisionen und Zinsen und betrug:

am 31. Dezember 1964

74.185,30 DM

am 31. Dezember 1965

80.739,71 DM

am 31. Dezember 1966

90.290,31 DM

am 31. Dezember 1967

106.459,43 DM

am 31. Dezember 1968

121.288,43 DM

Zu Auszahlungen an A ist es nicht gekommen.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) vertrat nach einer Betriebsprüfung die Auffassung, daß das "Darlehen" als nicht existent anzusehen sei, und erhöhte die Gewinne aus diesem Grunde wie folgt:

1965

80.739,71 DM

1966

9.550,60 DM

1967

16.169,12 DM

1968

14.829,00 DM

abzüglich der darauf entfallenden Gewerbesteuerrückstellungen.

Der Erhöhungsbetrag für 1965 setzte sich zusammen aus der Darlehensschuld 31. Dezember 1964 74.185,30 DM und den 1965 als Betriebsausgaben verbuchten Provisionen und Zinsen 6.554,41 DM. Der Einspruch wurde zurückgewiesen.

Die Klage hatte im Streitpunkt keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus: Es bestünden erhebliche Zweifel an der Richtigkeit des vom Kläger behaupteten Sachverhalts. Es gebe - bis auf ein Schreiben A's vom 30. September 1971 - keine schriftlichen Unterlagen über das Rechtsverhältnis des Klägers zu A. Dieser Umstand sei ungewöhnlich, zumal es um höhere Beträge gegangen sei. Gegen die Annahme eines Darlehens sprächen ferner das Fehlen von Auszahlungen und die unterschiedlichen Begründungen, die der Kläger und A für die Provisionsvereinbarung gegeben hätten. Eine weitere Sachaufklärung sei nicht möglich. Eine Zeugenvernehmung von A, der in C-Land lebe, scheide aus. Bei dieser Sachlage sei nach den Regeln der objektiven Beweislast (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. Juni 1976 IV R 101/75, BFHE 119, 164, BStBl II 1976, 562) zu Lasten des Klägers davon auszugehen, daß die Darlehensschuld keine Betriebsschuld sei und die Provisions- und Zinsaufwendungen keine Betriebsausgaben seien. Der Passivposten sei auch insoweit gewinnerhöhend aufzulösen, als er in Höhe von 74.185,30 DM zu Beginn des Streitzeitraums (1. Januar 1965) bestanden habe. Der Einkommensteueranspruch 1964 sei verjährt, so daß eine Rückwärtsberichtigung ausscheide.

Der Kläger macht mit der Revision geltend: Die Zweifel des FG an seiner Sachdarstellung seien unbegründet. A sei inzwischen verstorben. Sein Schreiben vom 30. September 1971 enthalte indessen sehr wohl eine eindeutige schriftliche Darstellung des Sachverhalts. Das FG habe verkannt, welche wirtschaftliche Bedeutung es für ihn, den Kläger, gehabt habe, daß ihn A bei der Firma B eingeführt habe. Erst die Fürsprache der Firma B habe ihm in C-Land wieder ein Arbeitsfeld eröffnet. Es sei nicht Sache des FA oder des FG, Unternehmensentscheidungen nachzuwägen. Die spätere günstige Entwicklung des C-Land-Geschäfts hätte es sogar gerechtfertigt, A zum Teilhaber zu machen. A habe keine andere Begründung für die Provisionsvereinbarung als er, der Kläger, gegeben. Sein Schreiben an A vom 8. Januar 1956, das eine Agenturtätigkeit des A vorgesehen habe, sei ausdrücklich als Absichtserklärung formuliert worden. Zu einem Abfluß der Darlehensbeträge sei es deswegen nicht gekommen, weil seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit infolge von Konkursen von Geschäftsfreunden angespannt gewesen sei.

Der Kläger beantragt, die Provisions- und Zinsansprüche aus den Abmachungen mit A als Betriebsausgaben und das daraus entstandene Darlehen als betriebliche Verbindlichkeit anzuerkennen, hilfsweise, die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Das FG hat zu Recht angenommen, daß die geltend gemachten Provisions- und Zinsaufwendungen keine Betriebsausgaben sind (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) und die im Laufe der Zeit aus diesen Aufwendungen aufgebaute "Darlehensschuld" keine Betriebsschuld ist.

a) Es ist nicht zu beanstanden, daß das FG zu diesem Ergebnis nach den Regeln der objektiven Beweislast (Feststellungslast) gelangt ist. Die Anwendung dieser Regeln setzt voraus, daß eine nicht behebbare Ungewißheit besteht (BFH-Urteil vom 5. November 1970 V R 71/67, BFHE 101, 156, 163, BStBl II 1971, 220) und das FG sich aufgrund der aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Erkenntnisse keine Überzeugung von dem Geschehensablauf bilden kann (BFH-Urteil vom 5. März 1980 II R 148/76, BFHE 130, 179, BStBl II 1980, 402).

Das FG hat im Streitfall im einzelnen dargelegt, warum sich ihm erhebliche Zweifel an der Sachverhaltsdarstellung des Klägers aufgedrängt haben. Soweit sich die Revision mit diesen Erwägungen befaßt, gehen ihre Angriffe fehl. Das FG hat nicht in Abrede gestellt, daß A in dem Schreiben vom 30. September 1971 den Sachverhalt aus seiner Sicht dargestellt hat. Es hat es indessen zu Recht als ungewöhnlich empfunden, daß die vom Kläger behauptete Vereinbarung aus den Jahren 1953 oder 1954 nicht schriftlich festgehalten und auch späterhin nicht schriftlich bestätigt worden ist. Das FG konnte auch einen Widerspruch in den Erklärungen des Klägers und A's zu dem Charakter der (mündlichen) Provisionsvereinbarung sehen. Der Kläger will A Provisionen schuldig sein für die (einmalige) Einführung auf dem c-ländischen Markt (Firma B). Das Schreiben des A vom 30. September 1971 läßt sich hingegen mit dem FG dahin verstehen, daß die Provisionen für die Tätigkeit A's als Generalvertreter des Klägers gezahlt werden sollten. Die Erklärung des Klägers vom 8. Januar 1956 verwendet zwar die Worte "Ich ... beabsichtige", geht jedoch im weiteren davon aus, daß A bereits entsprechend tätig war.

b) Die berechtigten Zweifel, die das FG an der Sachverhaltsdarstellung des Klägers haben konnte, waren nicht behebbar. Es kam allen falls eine Zeugenvernehmung des A in Betracht, der während des finanzgerichtlichen Verfahrens möglicherweise noch lebte. Dieser Zeuge war nicht greifbar. Da er in C-Land lebte und dem FG zudem seine Adresse unbekannt war, hätte er nur freiwillig - unter Vermittlung des Klägers - zu einer Aussage in Deutschland bewegt werden können. Der Berichterstatter des FG hat den Kläger hierauf hingewiesen.

c) Der Kläger leitet aus seiner Sachverhaltsdarstellung, die unbehebbar ungewiß geblieben ist, her, daß die verbuchten Provisionen Betriebsausgaben seien, die infolge der Nichtauszahlung der Provisionen entstandene "Darlehensschuld" Betriebsschuld sei und die auf diese Schuld entfallenden Zinsen ebenfalls Betriebsausgaben seien. Die Feststellungslast hierfür trifft nach den Grundsätzen der Entscheidung in BFHE 119, 164, BStBl II 1976, 562 den Kläger, der inwoweit Minderung des Betriebsvermögens geltend macht.

2. Das FG hat zutreffend das FA auch darin bestätigt, daß im Streitjahr 1965 das zu Beginn dieses Streitjahres ausgewiesene "Darlehen" von 74.185,30 DM gewinnerhöhend aufzulösen ist. Das FG hat ohne Rechtsverstoß dargelegt, daß die Bilanz zum 31. Dezember 1964 wegen Verjährung des Einkommensteueranspruchs 1964 nicht mehr berichtigt werden konnte (BFH-Beschluß vom 29. November 1965 GrS 1/65 S, BFHE 84, 392, BStBl III 1966, 142). Hieraus folgt, daß die erste offene Bilanz, d.h. diejenige zum 31. Dezember 1965, auch insoweit richtigzustellen ist, als in der "Darlehensschuld" die aus den Vorjahren stammenden Provisionen und Zinsen in Höhe von 74.185,30 DM enthalten sind. Die Richtigstellung ist, wie das FG zu Recht unter Bezugnahme auf Woerner (Deutsches Steuerrecht - DStR - 1976, 623) dargelegt hat, deswegen erfolgswirksam durchzuführen, weil die Passivierung in den Vorjahren zu Lasten des Gewinns erfolgte.

Das Urteil des erkennenden Senats vom 9. September 1980 VIII R 64/79 (BFHE 131, 482, BStBl II 1981, 125) steht dem nicht entgegen. Der Senat hat in diesem Urteil die gewinneutrale Ausbuchung einer fälschlicherweise bilanzierten Kontokorrent-Bankschuld verlangt, auch soweit diese auf gewinnmindernde Buchungen in den Vorjahren zurückgeführt werden konnte. Dabei hat der Senat darauf abgestellt, daß das Saldoanerkenntnis eine Novation bewirkt und ausdrücklich betont, daß es sich anders verhält als bei gewinnmindernd gebildeten "Rückstellungen, passiven Rechnungsabgrenzungsposten und Schulden, die sich ab der Einbuchung in ihrem rechtlichen und wirtschaftlichen Gehalt nicht verändern (BFHE 131, 482, 485, BStBl II 1981, 125). Der letztgenannte Fall liegt hier vor. Nach den Feststellungen des FG war der Passivposten "Darlehen" ausschließlich aufgrund gewinnmindernder Buchungen (Provisionen, Zinsen) entstanden; die einzelnen Einbuchungsbeträge waren nicht verändert worden.