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BFH-Urteil vom 5.12.1984 (I R 62/80) BStBl. 1985 II S. 311

Erwirbt eine Kapitalgesellschaft weitere Aktien (Neuaktien) eines Unternehmens, an dem sie eine Schachtelbeteiligung besitzt, so sind die Erträge aus den bereits vorhandenen, die Schachtelbeteiligung bildenden Aktien im Jahr des Erwerbs der Neuaktien ohne Einfluß auf die Abzugsfähigkeit von Schuldzinsen, die der Körperschaft für einen Kredit zum Erwerb der Neuaktien entstehen. Insoweit besteht kein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Aufwendungen und steuerfreien Einnahmen.

KStG 1961 §§ 6, 9, 13; EStG § 5; AktG 1937 § 53.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

Die GW, die zum 31. Dezember 1969 auf die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine AG, umgewandelt worden war, war an der W-AG beteiligt und genoß für ihre Erträge aus der Beteiligung das Schachtelprivileg. Unter anderem im Jahre 1961 nahm die W-AG eine Kapitalerhöhung vor; die GW zeichnete einen ihrer Beteiligung entsprechenden Anteil an den neuen Aktien. Die Beschaffung der zum Erwerb dieser Aktien erforderlichen Mittel verursachte im Jahre 1961 Schuldzinsen in Höhe von 14.182 DM. Die Einnahmen aus der (schon vor Erwerb der Aktien im Jahre 1961 begründeten) Schachtelbeteiligung an der W-AG betrugen 9.722.188 DM. Die im Jahre 1961 neu hinzuerworbenen Aktien brachten der GW im Jahre des Erwerbs noch keine Erträge.

Die GW minderte in ihrer Bilanz für 1961 den Gewinn um die Finanzierungskosten für den Erwerb der neuen Aktien. Im Anschluß an eine Betriebsprüfung vertrat das damals zuständige Finanzamt die Ansicht, zwischen den Finanzierungskosten und den steuerfreien Schachteleinnahmen bestehe ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang, der zur Folge habe, daß die Schuldzinsen nach § 13 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) a. F. vom Abzug ausgeschlossen seien.

Die nach erfolglosem Einspruch der Klägerin erhobene Klage hatte Erfolg.

Mit seiner Revision rügt der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -), das FG habe §§ 9 und 13 KStG verletzt.

Das FA beantragt, das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet. Die geltend gemachten Schuldzinsen sind abzugsfähige Betriebsausgaben.

1. Die Auslegung des § 13 KStG 1961 durch das FG begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

a) Nach § 6 Abs. 1 i. V. m. § 13 KStG 1961 dürfen (bei der Festsetzung der Körperschaftsteuerschuld) Ausgaben nur insoweit abgezogen werden, als sie mit steuerpflichtigen Einkünften in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Zutreffend hat das FG erkannt, daß der Wortlaut dieser Vorschrift unklar ist, sein objektiver Sinn jedoch im Wege der Auslegung bestimmt werden kann. Es sollen sonst abzugsfähige Ausgaben dann nicht abzugsfähig sein, wenn sie mit Einnahmen in (unmittelbarem) Zusammenhang stehen, die an sich geeignet wären, Einkommensteile zu bilden, durch steuerbefreiende Vorschriften jedoch aus dem Einkommen ausgeschieden werden (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. Oktober 1966 I 26/64, BFHE 87, 243, BStBl III 1967, 92, und vom 21. Februar 1973 I R 26/72, BFHE 109, 27, BStBl II 1973, 508). Die spätere Änderung des § 13 KStG durch das Gesetz zur Änderung des Körperschaftsteuergesetzes vom 15. August 1969 (BGBl I, 1182, BStBl I, 417) hat dies klargestellt (vgl. Art. 1 Nr. 4 dieses Gesetzes).

b) Der erkennende Senat hat in den Urteilen in BFHE 87, 243, BStBl III 1967, 92, und in BFHE 109, 27, BStBl II 1973, 508 noch folgende weitere Grundsätze entwickelt:

aa) Werden - wie bei der Befreiung der Einnahmen aus Schachtelbeteiligungen (§ 9 Abs. 1 KStG) - nur die Früchte eines Wirtschaftsguts für steuerfrei erklärt, während das Wirtschaftsgut selbst in den Vermögensvergleich (§ 6 Abs. 1 Satz 1 KStG i. V. m. § 5 des Einkommensteuergesetzes - EStG -) einbezogen bleibt, kann man den Abzug nach § 13 EStG nur im Zusammenhang mit der Befreiung der Einnahmen sehen. Es kommt dann darauf an, inwieweit in einem Veranlagungszeitraum gezahlte Schuldzinsen mit steuerrechtlich außer Ansatz bleibenden Schachteleinnahmen in einem (unmittelbaren) Zusammenhang stehen. Insoweit sind die Schuldzinsen nicht abzugsfähig. Stehen den Schuldzinsen in den Jahren ihrer Verausgabung keine Erträge aus steuerfreien Schachteleinnahmen gegenüber, so dürfen die gesamten Schuldzinsen abgezogen werden.

bb) Die Möglichkeit, daß eine Nachsteuer nach § 9 Abs. 3 KStG erhoben werden kann, ändert an dieser Beurteilung nichts. Denn diese Vorschrift macht nicht die Steuerfreiheit der Gewinnanteile aus der Schachtelbeteiligung nach § 9 Abs. 1 KStG rückgängig. Sie unterwirft vielmehr die Gewinnanteile außerhalb des Einkommens der Obergesellschaft einer besonderen Körperschaftsteuer, die sich als Ergänzung der Körperschaftsteuer der Untergesellschaft darstellt, soweit sich die Gewinnanteile aus der Untergesellschaft tatsächlich als berücksichtigungsfähige Ausschüttungen auf den Steuersatz ausgewirkt haben.

2. Die Besonderheit des Streitfalls besteht darin, daß im Jahr der Verausgabung der Schuldzinsen (Streitjahr) zwar steuerfreie Einnahmen aus einer bereits bestehenden Schachtelbeteiligung zugeflossen sind, aber nicht aus denjenigen Aktien, die im Streitfall hinzuerworben wurden. Das FG hat für diesen Fall einen unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang zwischen den zugeflossenen Dividenden aus der bereits bestehenden Beteiligung und den Schuldzinsen zur Finanzierung der neuen Aktien verneint. Die Ausgaben seien weder die Voraussetzung noch die Folge der Erträge. Demgegenüber vertritt das FA die Meinung, es komme nicht auf den Zusammenhang der Schuldzinsen mit den Erträgen der angeschafften Neuaktien an, sondern darauf, ob zwischen den Schuldzinsen und den Erträgen aus der (schon bestehenden) Schachtelbeteiligung ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang bestehe. Denn wenn § 9 KStG eine Mehrheit von Aktien zu einer Schachtelbeteiligung zusammenfasse, könnten auch die Erträge dieser Aktien im Rahmen des § 13 KStG nicht unterschiedlich beurteilt werden. Der erkennende Senat folgt der Auffassung des FG.

a) Das Recht auf Dividende ist Ausfluß des Mitgliedschaftsrechts, wie es die einzelne Aktie verkörpert. Dies kommt mittelbar in § 53 Abs. 1 des im Streitjahr noch in Kraft befindlichen Aktiengesetzes (AktG) 1937 zum Ausdruck, wenn es dort heißt: "Die Anteile am Gewinn bestimmen sich nach dem Verhältnis der Aktiennennbeträge" (vgl. nunmehr § 60 Abs. 1 AktG 1965). Zwar enthält diese Vorschrift dispositives Recht; sie kann durch Satzung abbedungen werden (§ 53 Abs. 3 AktG 1937, § 60 Abs. 3 AktG 1965). Aber eine abweichend geregelte Gewinnverteilung schließt nicht aus, daß die dem einzelnen Aktionär zustehende Dividende - nach welchem Schlüssel sie ihm auch zugeteilt wird - Ausfluß seines in der Aktie verkörperten Mitgliedschaftsrechtes ist. Der in § 13 KStG geforderte unmittelbare wirtschaftliche Zusammenhang besteht daher nur zwischen der Aktie und der aus ihr sich herleitenden Dividende. Eine Dividende aus den Neuaktien ist aber im Streitfall nach den bindenden und nicht beanstandeten Feststellungen des FG nicht zugeflossen.

b) Die Schlußfolgerung des FA, die Schuldzinsen stünden mit der bereits bestehenden Schachtelbeteiligung als eines einheitlich zu beurteilenden Wirtschaftsguts in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang, geht fehl. Der Umstand, daß es sich bei der Schachtelbeteiligung um ein Wirtschaftsgut handelt, das in mancher Beziehung eine Sonderstellung im Körperschaftsteuerrecht gegenüber geringeren Beteiligungen genießt, gibt für die hier zu entscheidende Streitfrage nichts her. § 9 Abs. 1 Satz 1 KStG soll in erster Linie die nach altem Körperschaftsteuerrecht noch gesetzlich vorgesehene Mehrfachbesteuerung der Gewinnanteile bei verschiedenen Anteilseignern unter den im Gesetz genannten Voraussetzungen ausschließen oder abmildern (über den Zweck der Einführung dieser Steuervergünstigung vgl. BFH-Urteil vom 3. Juli 1963 I 276/61 S, BFHE 77, 394, BStBl III 1963, 464). Aus der Sonderstellung der Schachtelbeteiligung als eines Instruments besonderer Einflußnahme kann ferner geschlossen werden, daß neu hinzuerworbene Aktien dieser Beteiligung hinzuwachsen (Aufstockung der Beteiligung) und mit ihr künftig eine Einheit bilden (BFH-Urteil vom 14. Februar 1973 I R 76/71, BFHE 108, 532, BStBl II 1973, 397). Das ändert aber nichts an der Tatsache, daß die im Streitjahr vereinnahmten Dividenden nur in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen können mit der Beteiligung, wie sie ohne Zukauf der Neuaktien bestanden hatte. Auch wenn künftig ein solcher Zusammenhang zwischen der bereits bestehenden Schachtelbeteiligung und den hinzuerworbenen Neuaktien angenommen werden kann, so doch keinesfalls ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den im Streitjahr vereinnahmten Einnahmen aus den Altaktien und den Schuldzinsen für den Erwerb der Neuaktien.

Wie der Fall zu beurteilen wäre, wenn im Streitjahr in verdeckter Form Gewinn ausgeschüttet worden wäre (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG), braucht der erkennende Senat nicht zu entscheiden. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Gleichfalls nicht entscheidungserheblich ist die Frage, inwieweit in späteren Jahren aus dem Erwerb der Neuaktien angefallene Schuldzinsen ausgesondert und nur mit den Erträgen aus den Neuaktien verrechnet werden dürfen oder ob in diesem Fall eine einheitliche Dividende angenommen werden müßte, die auf die gesamte, durch die Neuaktien vermehrte Beteiligung zurückzuführen wäre.