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BFH-Urteil vom 17.10.1984 (II R 156/81) BStBl. 1985 II S. 313

Das Halten eines besonders zugerichteten Fahrzeugs zur Beförderung von Holzrückemaschinen ("Timperjacks") an ihren Einsatzort und zurück durch einen Lohnunternehmer ist nicht von der Kraftfahrzeugsteuer befreit, weil Fahrzeuge dieser Art auch geeignet sind, zur Durchführung von Lohnarbeiten für andere als land- oder forstwirtschaftliche Betriebe, z. B. zur Durchführung von Lohnarbeiten für den Gewerbebetrieb eines Holzgroßhändlers, verwendet zu werden.

KraftStG 1972 § 2 Nr. 6 Satz 1 Buchst. b, Satz 2; KraftStG 1979 § 3 Nr. 7 Satz 1 Buchst. b, Satz 2.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) schlägt gewerbsmäßig für Dritte (überwiegend für staatliche Forstämter) Holz im Walde ein und rückt es, d. h. sie befördert es vom Einschlagort zum nächsten Fahrweg. Zum Rücken des Holzes verwendet sie Holzrückemaschinen des Typs "Timperjack". Diese sind 7,5 t schwer, haben einen relativ kurzen Radstand (2,80 m) und eine Bodenfreiheit von 0,65 m. Zur Beförderung dieser Maschinen an den Arbeitsplatz und zurück verwendet sie ein hierfür besonders zugerichtetes Fahrzeug. Dieses Fahrzeug war 1977 für sie zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen worden (amtliches Kennzeichen ..., verkehrsrechtlich zulässiges Gesamtgewicht 14.000 kg, zwei Achsen); im Kraftfahrzeugbrief ist es bezeichnet als "Transportwagen f. Kraftfahrzeuge". Die Beteiligten streiten, ob das Fahrzeug ein Sonderfahrzeug i. S. des § 2 Nr. 6 Satz 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) 1972 ist und sein Halten von der Kraftfahrzeugsteuer befreit ist.

Das Fahrzeug hat hinter dem Fahrerhaus eine Ladefläche (4,75 m lang, 2,46 m breit), die in der Mitte in einer Breite von 0,80 m offen ist, so daß zwei Aufliegeflächen von je 0,83 m Breite bleiben. Jede der beiden Aufliegeflächen ist fest verbunden mit einer Auffahrtrampe, bestehend aus zwei feststehenden, je 0,82 m langen, eisernen Teilen mit einem Auffahrtwinkel von etwa 35 Grad und zwei hölzernen, nach oben klappbaren, 2,2 m langen Teilen. Der Abstand der Ladefläche vom Erdboden beträgt im unbeladenen Zustand 1,2 m. Das Fahrzeug hat keine Bordwände und keine Vorrichtungen (z. B. Haken und Ösen), um Fahrzeuge anderer Art ordnungsmäßig befestigen und befördern zu können.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) beurteilte das Fahrzeug nicht als Sonderfahrzeug mit der Begründung, es sei geeignet, auch für andere als in der Befreiungsvorschrift des § 2 Nr. 6 Satz 1 KraftStG 1972 genannte Zwecke verwendet zu werden, z. B. zur Beförderung von Baggern oder Baumaschinen. Das FA setzte die Kraftfahrzeugsteuer durch Bescheid vom 23. November 1977 auf 2.342,50 DM fest (bei jährlicher Entrichtung der Steuer); den Einspruch wies es zurück.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin begehrt, den Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben. Auch wolle sie den Grund wissen, "warum die Firma ... mit den gleichen LKW die Steuerbefreiung bekommen" habe, sie dagegen nicht.

Das Finanzgericht (FG) hat den Steuerbescheid und die Einspruchsentscheidung aufgehoben. Das Halten des bezeichneten Fahrzeugs sei von der Steuer befreit gemäß § 2 Nr. 6 Satz 1 Buchst. b KraftStG 1972. Das Fahrzeug sei ein Sonderfahrzeug im Sinn der Befreiungsvorschrift, denn es könne - wie dem Gutachten des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für das Kraftfahrzeugwesen Ing. (grad.) A zu entnehmen sei - nach seiner Bauart und seinen besonderen, mit ihm fest verbundenen Einrichtungen nur zum Transport der Holzrückemaschinen an ihren Einsatzort und zurück verwendet werden. Andere Fahrzeuge und Maschinen (z. B. Bagger oder Baumaschinen) könnten mit ihm nicht befördert werden, weil sie "die Auffahrt wegen des Auffahrtwinkels nicht befahren" könnten. Für Kettenfahrzeuge, Planierraupen und ähnliche Fahrzeuge sei "die Auffahrt zwar zu befahren, jedoch" sei "zweifelhaft, ob der Aufbauboden des LKW's den Schlag des Raupenfahrzeugs beim Nachvornkippen nach Überwindung der oberen Kante der Auffahrt" aushalte. Das FG hat die Revision zugelassen, weil es der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimißt.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung des § 2 Nr. 6 Buchst. b KraftStG 1972. Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet.

Das Urteil des FG muß aufgehoben werden, weil es auf einer Verletzung des § 2 Nr. 6 KraftStG 1972 beruht. Nach Satz 1 Buchst. b dieser Vorschrift ist von der Kraftfahrzeugsteuer befreit "das Halten von ... Sonderfahrzeugen ..., solange diese Fahrzeuge ausschließlich zur Durchführung von Lohnarbeiten für land- oder forstwirtschaftliche Betriebe ... verwendet werden. Als Sonderfahrzeuge gelten Fahrzeuge, die nach ihrer Bauart und ihren besonderen, mit ihnen fest verbundenen Einrichtungen nur für die bezeichneten Verwendungszwecke geeignet und bestimmt sind" (Satz 2 der Vorschrift). Verletzt hat das FG diese Vorschrift insofern, als es davon ausgegangen ist, das Begriffsmerkmal "nur zur Durchführung von Lohnarbeiten für land- oder forstwirtschaftliche Betriebe geeignet und bestimmt" sei schon dann erfüllt, wenn "die durch Bauart und besondere, fest verbundene Einrichtungen herbeigeführte eingeschränkte Verwendungsmöglichkeit auf eine Ausübung ... forstwirtschaftlicher Tätigkeiten", z. B. auf die Waldarbeit gerichtet sei und "eine Eignung zu sonstigen Transportarbeiten ... bei sinnvoll-praktischer Verwendung des Fahrzeugs ausgeschlossen" sei.

Diese Auffassung teilt der erkennende Senat nicht, und zwar aus folgenden Gründen: Das erwähnte Begriffsmerkmal ist nach Wortlaut ("nur") und Zweck der Vorschrift (Begünstigung allein der Land- und Forstwirtschaft) dann nicht erfüllt, wenn das Fahrzeug auch geeignet ist, zur Durchführung von Lohnarbeiten für andere als land- oder forstwirtschaftliche Betriebe (z. B. für den Gewerbebetrieb eines Holzgroßhändlers) verwendet zu werden. Das entspricht der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zum Begriff des Sonderfahrzeugs (vgl. z. B. Urteile vom 17. Januar 1973 II R 26/69, BFHE 109, 81, BStBl II 1973, 463, betreffend das Halten eines Fahrzeugs zur Beförderung von Rennpferden; vom 24. Januar 1973 II R 2/72, BFHE 109, 282, BStBl II 1973, 599, betreffend das Halten eines zur Beförderung von Zuchttieren besonders hergerichteten Fahrzeugs; vom 16. Januar 1974 II R 41/68, BFHE 112, 83, BStBl II 1974, 432, betreffend das Halten eines zur Beförderung von Reitpferden besonders eingerichteten Fahrzeugs; vom 20. März 1974 II R 76/73, BFHE 112, 419, BStBl II 1974, 589, betreffend das Halten eines zur Beförderung von Geflügel besonders hergerichteten Fahrzeugs; vom 23. Januar 1980 II R 93/76, BFHE 129, 510, 512, BStBl II 1980, 253, betreffend das Halten eines Tiefladeanhängers, den ein Bauunternehmer verwendet, um Planierraupen, Zugraupen und Tiefpflüge an den Arbeitsplatz zu befördern und dort im Auftrage von Teilnehmergemeinschaften der Flurbereinigung, von Wasser- und Bodenverbänden und von anderen Verbänden Arbeiten zur Bodenverbesserung durchzuführen). An dieser Auffassung hält er fest. Sie entspricht dem Willen des Gesetzgebers. Das ist aus der neueren Gesetzesentwicklung zu schließen:

Nach § 2 Nr. 6 KraftStG 1961 i. d. F. vom 2. Januar 1961 (BGBl I, 1, BStBl I, 20) war von der Steuer befreit "das Halten von ... Sonderfahrzeugen, solange die Fahrzeuge ausschließlich in land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben verwendet" wurden. Als Sonderfahrzeuge galten "Fahrzeuge, die nach ihrer Bauart oder ihren besonderen, mit ihnen festverbundenen Einrichtungen ausschließlich für die Verwendung in land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben geeignet und bestimmt" waren. Im Jahre 1963 beantragten die Fraktionen CDU/CSU, FDP, den Begriff Sonderfahrzeug in dem Sinne neu zu fassen und zu erweitern, daß als Sonderfahrzeuge solche Fahrzeuge gelten, "die nach ihrer Bauart oder ihren besonderen, mit ihnen festverbundenen Einrichtungen regelmäßig für die Verwendung in land- oder forstwirtschaftlichen Betrieben oder für Lohnarbeiten für land- oder forstwirtschaftliche Betriebe geeignet und bestimmt sind" (BT-Drucks. IV/902 (neu), Abs. 2 und 4 der Begründung). Der Antrag fand im Finanzausschuß und im Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten keine Zustimmung. Der Finanzausschuß schlug schließlich vor, die Nr. 6 des § 2 insgesamt neu zu fassen und dabei den Begriff des Sonderfahrzeugs folgendermaßen zu bestimmen: "Als Sonderfahrzeuge gelten Fahrzeuge, die nach ihrer Bauart und ihren besonderen, mit ihnen festverbundenen Einrichtungen nur für die bezeichneten Verwendungszwecke geeignet und bestimmt sind" (BT-Drucks. IV/1281 Abschnitt A Abs. 3). Durch diese Begriffsbestimmung sollte nach der Vorstellung des Finanzausschusses und des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten sichergestellt werden, daß die Befreiungsvorschrift nicht auch gewerbliche Unternehmen erfaßt, sondern "so weit wie nur möglich auf den Bereich der Land- und Forstwirtschaft beschränkt" bleibt (BT-Drucks. IV/1690 Abschnitt A Abs. 6). Die vorgeschlagene neue Fassung des § 2 Nr. 6 wurde Gesetz (Art. 1 Nr. 1 Buchst. c des Gesetzes zur Änderung des KraftStG vom 17. März 1964, BGBl I, 145, BStBl I, 243). Seit dieser Zeit hat der Gesetzgeber des KraftStG wiederholt geändert, die Befreiungsvorschriften neu gefaßt und erweitert, aber keinen Anlaß gesehen, den Begriff des Sonderfahrzeugs - so wie er vom BFH ausgelegt wird - zu erweitern.

Die abweichende Auffassung des FG ist von der Vorstellung beeinflußt, die vom BFH gefundene Auslegung des Begriffs Sonderfahrzeug führe zu einem Widerspruch des Gesetzes. Das FG meint: Durch den in Satz 1 des § 2 Nr. 6 KraftStG 1972 enthaltenen Satzteil "solange diese Fahrzeuge ausschließlich ... verwendet werden", sei klargestellt, daß es auch Zeiten anderer Verwendung - d. h. zu nichtbegünstigten, wie etwa gewerblichen Zwecken - geben könne, daß aber "diese andere Verwendung - d. h. also auch die abstrakte Verwendungsmöglichkeit des Sonderfahrzeugs in gewerblichen Betrieben - ... die Steuerfreiheit in den Zeiten des Einsatzes für die begünstigten Zwecke nicht" ausschließe. Würde, so meint das FG weiter, der Begriff des Sonderfahrzeugs so eng auszulegen sein, wie das FA annehme, "so stünden die beiden ersten Sätze des § 2 Nr. 6 KraftStG in Widerspruch zueinander, weil die von Satz 1 als steuerunschädlich behandelte gewerbliche Verwendungsmöglichkeit des Fahrzeugs durch Satz 2 als steuerschädlich bezeichnet würde". Eine Auslegung aber, die zum inhaltlichen Widerspruch zweier aufeinanderfolgender Sätze derselben Vorschrift führe, könne nicht richtig sein. Der Widerspruch lasse sich nur in der Weise lösen, "daß die Definition des Sonderfahrzeugs über den reinen Wortlaut des § 2 Nr. 6 Satz 2 KraftStG hinaus nach dem Sinn des § 2 Nr. 6 Satz 1 Buchst. b KraftStG ausgelegt" werde. Dieser Sinn liege darin, "den Einsatz der im ersten Satzteil genannten Fahrzeuge ... steuerlich zu begünstigen, wenn und solange diese Fahrzeuge ausschließlich für die näher bezeichneten Tätigkeiten verwendet werden. Da grundsätzlich alle Fahrzeuge, die zu Lohnarbeiten für land- und forstwirtschaftliche Betriebe einsetzbar" seien, "auch zu Lohnarbeiten für land- oder forstbesitzende Gewerbebetriebe verwendbar" seien, könne "die abstrakte Verwendungsmöglichkeit in gewerblichen Betrieben der Steuerfreiheit nicht entgegenstehen".

Der vermeintliche Widerspruch besteht indes nicht. Der Satzteil "solange diese Fahrzeuge ... verwendet werden" bezieht sich auf die zuvor genannten Fahrzeugarten. Zu ihnen gehören neben anderen Fahrzeugen auch die Sonderfahrzeuge. Welche Fahrzeuge als Sonderfahrzeuge gelten, ist in Satz 2 der Vorschrift bestimmt. Der mit dem Wort "solange" beginnende Satzteil kann demzufolge erst dann seine Wirkung entfalten, wenn ein Sonderfahrzeug im Sinne der gesetzlichen Begriffsbestimmung vorliegt. Er ist nicht geeignet, die gesetzlich festgelegten Merkmale des Sonderfahrzeugs zu erweitern. Die Sätze 1 und 2 der Vorschrift sind widerspruchsfrei. Ihr Sinn ist es, die Steuerbefreiung so lange nicht eintreten zu lassen, solange das Fahrzeug eignungs- und bestimmungswidrig (z. B. ein Futtererntewagen zur Beförderung von Hochzeitsgästen und von Heiratsgut) verwendet wird. Das Gutachten des Sachverständigen schließt nicht aus, daß das bezeichnete Fahrzeug nach seiner Bauart und den mit ihm festverbundenen Einrichtungen auch geeignet ist, zur Durchführung von Lohnarbeiten für andere als land- oder forstwirtschaftliche Betriebe verwendet zu werden, etwa für gewerbliche Betriebe. Beispielsweise kaufen Holzgroßhändler oder Sägewerksbesitzer mitunter Holz vor dessen Einschlag und lassen es im Rahmen ihres Gewerbebetriebs durch Lohnunternehmer einschlagen und rücken. Das ist dem einschlägigen Schrifttum zu entnehmen (vgl. z. B. H. Gläser, Das Rücken des Holzes, 1951, S. 5, 7, 25, 27, 216; ders., Wege zum Maschineneinsatz bei den Holzeinschlagsarbeiten, in "Forsttechnische Informationen" 1956 S. 1, 6, 10; Pareys Landwirtschafts-Lexikon, 1956, 7. Aufl., herausgegeben von L. W. Ries, Stichwort: Holzverkauf). So zu verfahren kann im Einzelfall sinnvoll sein, z. B. wenn der Unternehmer das Holz von dem Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebs mit kleiner Waldfläche (1 - 50 ha) kauft, der sich mit dem Einschlagen und Rücken des verkauften Holzes nicht befassen kann oder will. Landwirtschaftliche Betriebe mit einer Waldfläche von 1 - 50 ha gab es im Jahre 1983 in der Bundesrepublik Deutschland 335.431 (Statistisches Jahrbuch 1984 S. 140). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob die Klägerin tatsächlich die Möglichkeit hatte, in ihrer näheren Umgebung das Fahrzeug auch zur Durchführung von Lohnarbeiten für gewerbliche Betriebe zu verwenden.

Der Senat entscheidet in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Klage ist abzuweisen, weil die angefochtenen Verwaltungsakte aus den dargelegten Gründen nicht rechtswidrig sind.