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BFH-Urteil vom 23.1.1985 (II R 36/83) BStBl. 1985 II S. 339

1. Wird ein Grundstück doppelt ausgeboten (vgl. § 59 Abs. 2 ZVG), so bestimmt sich die Gegenleistung nach dem Meistgebot, zu dem der Zuschlag erteilt wird.

2. Eine nach den Versteigerungsbedingungen bestehenbleibende Grundschuld gehört auch dann mit ihrem Nennwert zur Gegenleistung, wenn sie der Meistbietende kurz vor der Versteigerung unter ihrem Nennwert erworben hat.

GrEStG SH § 11 Abs. 1 Nr. 4; ZVG §§ 44, 49, 52, 59.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

Dem Kläger wurde durch Beschluß des Amtsgerichts A vom 22. Februar 1982 ein Grundstück zugeschlagen.

In dem Versteigerungstermin vom 1. Februar 1982 war das zu versteigernde Grundstück aufgrund des § 59 Abs. 2 des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung (ZVG) doppelt ausgeboten worden: nach den gesetzlichen Bestimmungen ohne bestehenbleibende Rechte und auf Antrag des Klägers unter der abweichenden Bedingung, daß die dem Kläger zustehende Grundschuld III, 21 a über 500.000 DM bestehenbleibt und die angemeldeten Zinsen in das geringste Gebot fallen.

Zu den gesetzlichen Bedingungen war von dritter Seite ein Meistgebot von 590.000 DM abgegeben worden. Der Kläger hatte zu den abweichenden Bedingungen ein Meistgebot in Höhe von 1.100.000 DM abgegeben (Bargebot von 600.000 DM, bestehenbleibende Grundschuld in Höhe von 500.000 DM).

Das Grundstück wurde dem Kläger zugeschlagen, weil sein Gebot Rechte anderer Beteiligter nicht mehr beeinträchtigte, nachdem er hinsichtlich der aus dem Recht III, 21a angemeldeten Zinsen eine Verzichtserklärung abgegeben hatte.

Die Grundschuld III, 21 a hatte der Kläger nach den Feststellungen des Finanzgerichts (FG) am 25. Januar 1982 für 8.000 DM erworben.

Das beklagte Finanzamt (FA) setzte gegen den Kläger Grunderwerbsteuer fest. Als Gegenleistung setzte es das Meistgebot einschließlich des Nennwerts der bestehenbleibenden Grundschuld an.

Nach erfolglosem Einspruch hat der Kläger Klage erhoben und die Aufhebung des angefochtenen Steuerbescheides in der Gestalt der Einspruchsentscheidung beantragt. Er hat vorgetragen:

Die Gegenleistung i. S. des § 11 Abs. 1 Nr. 4 des früheren Grunderwerbsteuergesetzes in der in Schleswig-Holstein geltenden Fassung (GrEStG) bestehe nur in dem Bargebot zuzüglich des Erwerbspreises für die Grundschuld III, 21 a. Eine darüber hinausgehende wirtschaftliche Belastung sei durch das Bestehenbleiben der Grundschuld nicht eingetreten.

Das FG hat die Klage abgewiesen.

Der Kläger hat Revision eingelegt und beantragt, die Grunderwerbsteuer unter Aufhebung der Vorentscheidung herabzusetzen.

Er ist weiterhin der Auffassung, daß es rechtlich nicht zulässig sei, die bestehengebliebene Grundschuld III, 21 a mit einem höheren Wert als dem Erwerbspreis anzusetzen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die aufgrund der abweichenden Versteigerungsbedingungen bestehengebliebene Grundschuld in Höhe von 500.000 DM, die dem Kläger zustand, gehört gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 GrEStG mit ihrem Nennwert zur Gegenleistung.

Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG gilt beim Meistgebot im Zwangsversteigerungsverfahren als Gegenleistung das Meistgebot einschließlich der bestehenbleibenden Rechte. Das Grunderwerbsteuerrecht hat die in dieser Vorschrift verwendeten Begriffe aus dem Zwangsversteigerungsrecht übernommen, die deshalb auch im Sinne des Zwangsversteigerungsrechts auszulegen sind (vgl. Boruttau/Egly/Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 11. Aufl., § 11 Tz. 226b).

Das Meistgebot umfaßt das geringste Gebot (§ 44 Abs. 1 ZVG) und das über das geringste Gebot hinausgehende Mehrgebot (vgl. § 49 Abs. 1 ZVG). Zu dem geringsten Gebot gehören auch die bestehenbleibenden Rechte (§ 44 Abs. 1, § 52 ZVG).

Als bestehenbleibende Rechte sind die Hypotheken und die Grundschulden mit ihrem Kapitalbetrag, dem Nennwert, anzusetzen. Dies ergibt sich aus den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) über Hypotheken und Grundschulden (vgl. § 1113 Abs. 1, § 1191 Abs. 1 BGB), wonach an den Gläubiger einer Hypothek oder einer Grundschuld eine bestimmte Summe aus dem Grundstück zu zahlen ist (vgl. in diesem Zusammenhang auch das Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 19. März 1971 V ZR 166/68, BGHZ 56, 22, 24).

Im Einklang damit steht auch § 50 ZVG. Danach ist eine Zuzahlung in Höhe des im geringsten Gebot berücksichtigten Kapitals zu leisten, wenn ein Grundpfandrecht, das als bestehenbleibendes Recht in das geringste Gebot einbezogen worden ist, nicht bestehen sollte.

Eine Grundschuld ist als bestehenbleibendes Recht auch dann mit ihrem Nennbetrag in die Gegenleistung einzubeziehen, wenn es sich um eine Sicherungsgrundschuld handeln sollte, die nicht mehr voll "valutiert" ist. Dies ergibt sich aus der Abstraktheit der Grundschuld und auch aus dem Umstand, daß dem Grundschuldbesteller ggf. ein Rückgewähranspruch zusteht (vgl. Storz, Praxis des Zwangsversteigerungsverfahrens, 3. Aufl., Tz. B 6.2.5.2. S. 136). Es gilt somit im Ergebnis hinsichtlich der Sicherungsgrundschulden nichts anderes als hinsichtlich einer nicht mehr voll valutierten Hypothek, bei der eine verdeckte Eigentümergrundschuld entstanden ist, die ggf. ebenfalls Teil des geringsten Gebotes ist (vgl. Zeller, Kommentar zum Zwangsversteigerungsgesetz, 11. Aufl., § 44 Tz. 5 Abs. 3).

Der Umstand, daß ein bestehenbleibendes Recht möglicherweise dem Meistbietenden zusteht, beeinflußt nicht den Umfang des Meistgebotes und deshalb auch nicht den Umfang der Gegenleistung i. S. des § 11 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 GrEStG.

Zu den bestehenbleibenden Rechten i. S. des § 11 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 GrEStG gehören auch die Rechte, die lediglich aufgrund eines Antrages auf abweichende Feststellung des geringsten Gebotes (§ 59 Abs. 1 ZVG) bestehenbleiben. Erfolgt ein Doppelausgebot, wie im vorliegenden Falle (vgl. § 59 Abs. 2 ZVG), so richtet sich der Umfang der bestehenbleibenden Rechte danach, aufgrund welchen Meistgebotes der Zuschlag erfolgt. Im vorliegenden Fall ist der Zuschlag aufgrund des von dem Kläger abgegebenen Meistgebotes unter Bestehenbleiben seiner Grundschuld in Höhe von 500.000 DM vom Zwangsversteigerungsgericht erfolgt. Demgemäß ist die Grundschuld als bestehenbleibendes Recht in die Gegenleistung einzubeziehen. Welche Gründe den Kläger bewogen haben, aufgrund von ihm beantragter abweichender Versteigerungsbedingungen das Meistgebot abzugeben, ist für den Ansatz seines Meistgebotes als Gegenleistung ohne Bedeutung.

Dem Kläger ist im übrigen auch nicht darin zu folgen, daß die Grundschuld deshalb nur mit 8.000 DM anzusetzen sei, weil er sie kurz vor der Versteigerung für diesen Preis erworben habe. Dieser Umstand ändert nichts daran, daß die Grundschuld das ersteigerte Grundstück mit ihrem Nennbetrag von 500.000 DM belastete (vgl. § 1191 Abs. 1 BGB). Mit diesem Betrag ist die Grundschuld auch in das geringste Gebot aufgenommen worden. Aus § 11 Abs. 1 Nr. 4 Sätze 2 und 3 GrEStG läßt sich nichts anderes entnehmen. Die Vorschrift, wonach ein nicht ausgebotenes Grundpfandrecht des Meistbietenden äußerstenfalls mit seinem Erwerbspreis dem Meistgebot zuzurechnen ist, betrifft eindeutig nicht die bestehenbleibenden Rechte, die bereits aufgrund des Satzes 1 des § 11 Abs. 1 Nr. 4 GrEStG als Teil des Meistgebotes zur Gegenleistung gehören.