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BFH-Urteil vom 12.12.1984 (I R 51/80) BStBl. 1985 II S. 340

Die Vergütungen, die eine öffentlich-rechtliche Sparkasse des Landes Nordrhein-Westfalen an den Hauptverwaltungsbeamten (Stadtdirektor) Ihres Gewährträgers (Stadtgemeinde) für die Tätigkeit im Verwaltungsrat und im Kreditausschuß der Sparkasse zahlt, unterliegen nicht dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 3 KStG a. F., wenn der Hauptverwaltungsbeamte in keines der genannten Organe der Sparkasse als Mitglied durch die Vertretungskörperschaft des Gewährträgers gewählt worden ist, sondern seine Befugnisse dort - im Verwaltungsrat ein Beanstandungsrecht im Wege der Rechtsaufsicht, im Kreditausschuß die Stellung des Vorsitzenden - kraft Gesetzes wahrnimmt. Es fehlt in diesem Fall an dem Merkmal einer mit der Überwachung der Geschäftsführung "beauftragten" Person.

KStG a.F. § 12 Nr. 3.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) - eine öffentlich-rechtliche Sparkasse - hatte im Jahr 1970 dem Hauptverwaltungsbeamten (Stadtdirektor) ihres Gewährträgers bei Hingabe eines Darlehens günstigere Zinskonditionen als den Sparkassenkunden gewährt. Der Prüfer ermittelte einen Vorteil von 874 DM. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) rechnete in dem auf § 222 Abs. 1 Nr. 1 der Reichsabgabenordnung (AO) gestützten Änderungsbescheid den genannten Betrag als nicht abzugsfähige Ausgabe gemäß § 12 Nr. 3 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) a. F. dem körperschaftsteuerpflichtigen Einkommen 1970 der Stadtsparkasse wieder hinzu. Das FA sah in dem Stadtdirektor eine zur Überwachung der Geschäftsführung der Sparkasse beauftragte Person. Hilfsweise vertrat die Behörde die Ansicht, es liege eine verdeckte Gewinnausschüttung (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG a. F.) durch eine mittelbare Zuwendung an den Gewährträger vor.

Der von der Stadtsparkasse erhobenen Sprungklage gab das Finanzgericht (FG) statt. Es hat festgestellt, daß der Stadtdirektor im Streitjahr nicht Mitglied des Verwaltungsrates war, aber in seiner Eigenschaft als Hauptverwaltungsbeamter des Gewährträgers an den Sitzungen des Verwaltungsrates teilgenommen hat; der Stadtdirektor war auch Vorsitzender des Kreditausschusses. Nach den maßgeblichen Vorschriften des Sparkassengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen seien im Streitfall dem Stadtdirektor keine Überwachungsaufgaben i. S. des § 12 Nr. 3 KStG a. F. übertragen worden. In der Gewährung des Zinsvorteils liege auch keine verdeckte Gewinnausschüttung der Sparkasse an ihren Gewährträger.

Gegen diese Entscheidung wendet sich das FA mit der vom FG wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision. Das FA rügt Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Der streitige Zinsvorteil, den die Rechtsvorgängerin der Klägerin dem Hauptverwaltungsbeamten (Stadtdirektor) ihres Gewährträgers eingeräumt hat, ist keine Vergütung, die unter das Abzugsverbot des § 12 Nr. 3 KStG a. F. fällt. Der dem Hauptverwaltungsbeamten gewährte Zinsvorteil stellt auch keine verdeckte Gewinnausschüttung der Sparkasse an ihren Gewährträger dar (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG a. F.).

1. Nach dem für das Streitjahr 1970 maßgeblichen § 12 Nr. 3 KStG a. F. sind nicht abzugsfähig die Vergütungen jeder Art, die an Mitglieder des Aufsichtsrats, Verwaltungsrats, Grubenvorstands oder andere mit der Überwachung der Geschäftsführung beauftragte Personen gezahlt werden. Die von der Stadtsparkasse dem Stadtdirektor eingeräumten günstigeren Zinskonditionen bei Hingabe eines Darlehens könnten zwar, was das FG nicht näher untersucht hat, als Gegenleistung für die Tätigkeit des Stadtdirektors in den Organen der Sparkasse angesehen werden. Gleichwohl greift das Abzugsverbot nicht ein, weil der Stadtdirektor innerhalb des Verwaltungsrats und des Kreditausschusses nicht die in § 12 Nr. 3 KStG a. F. näher gekennzeichnete Stellung als eine mit der Überwachung der Geschäftsführung "beauftragte" Person hatte.

Den Begriff der Überwachung der Geschäftsführung hat die Rechtsprechung stets weit ausgelegt (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. November 1978 I R 65/76, BFHE 126, 424, BStBl II 1979, 193). Auch wenn z. B. einem zu Überwachungszwecken eingerichteten Beirat oder Ausschuß gewisse Geschäftsführungsaufgaben zugewiesen werden, verliert er dadurch nicht seine Eigenschaft als Überwachungsorgan. Als Überwachungsorgane sind auch solche Einrichtungen angesehen worden, die eine Zwischenstellung zwischen Geschäftsführung und Aufsichtsrat einnehmen, aber im wesentlichen oder überwiegend Überwachungstätigkeit ausüben (BFH-Urteil vom 11. März 1981 I R 8/77, BFHE 133, 193, BStBl II 1981, 623).

Demnach hat ein solches Gremium in erster Linie - wie es § 111 Abs. 1 des Aktiengesetzes (AktG) für den Aufsichtsrat der AG bestimmt - die Geschäftsführung zu überwachen. Die Tätigkeit eines Überwachungsgremiums erstreckt sich nicht allein darauf, ob sich die Geschäftsführung bei ihren Maßnahmen im Rahmen von Gesetz und Satzung hält. In den Rahmen der Überwachungspflicht fällt auch die Prüfung der Geschäftsführungshandlungen auf ihre Zweckmäßigkeit und Vorteilhaftigkeit für die Gesellschaft oder Körperschaft. Damit hat die Überwachungspflicht durch ein eigenes bestelltes Überwachungsgremium auch vorbeugenden Charakter (vgl. hierzu Geßler/Hefermehl/Kropff, Aktiengesetz, § 111 Rdnrn. 25, 26).

Das FG hat sich zur Entscheidung der Frage, ob der dem Hauptverwaltungsbeamten eingeräumte Vorteil dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 3 KStG a. F. unterliegt, auf die Vorschriften des Sparkassengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen bezogen. In der Entscheidung in BFHE 126, 424, BStBl II 1979, 193 ist unter Hinweis auf weitere höchstrichterliche Rechtsprechung ausgeführt, daß, soweit das FG Bestand und Inhalt dieser landesrechtlichen Vorschriften festgestellt hat, der BFH als Revisionsgericht daran gebunden ist (§ 118 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -); denn ihm ist die Prüfung des angefochtenen Urteils nur im Hinblick auf die Verletzung von Bundesrecht erlaubt. In der genannten Entscheidung ist aber auch darauf hingewiesen worden, daß nach der Rechtsprechung nichtrevisibles Recht, soweit es sich um die Anwendung von Bundesrecht - hier des KStG - handelt, nachprüfbar ist, wenn sich das FG mit der Existenz und dem Inhalt des als Vorfrage entscheidungserheblichen Landesrechts nicht befaßt hat.

Der erkennende Senat gelangt aus den vom FG angeführten Vorschriften des Sparkassengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen und aus weiteren sparkassenrechtlichen Vorschriften, die es nicht ausdrücklich ihrem Bestand und Inhalt nach festgestellt hat, ebenfalls zu dem Ergebnis, daß auf den Hauptverwaltungsbeamten (Stadtdirektor) des Gewährträgers nicht alle Merkmale der in § 12 Nr. 3 KStG a. F. näher umschriebenen Überwachungspersonen zutreffen. Im Streitfall war der Hauptverwaltungsbeamte - im Unterschied zu dem der Entscheidung in BFHE 126, 424, BStBl II 1979, 193 zugrundeliegenden Sachverhalt - nicht vollberechtigtes Mitglied des mit weitgehenden Überwachungsbefugnissen ausgestatteten Verwaltungsrats der Sparkasse. Er ist von der Vertretung des Gewährträgers (Stadtrat, Gemeinderat) nicht zum Vorsitzenden des Verwaltungsrats gewählt und damit nicht stimmberechtigtes Mitglied dieses Organs geworden (vgl. § 9 Abs. 1 des Sparkassengesetzes Nordrhein-Westfalen). Er durfte in seiner Eigenschaft als Hauptverwaltungsbeamter des Gewährträgers an den Sitzungen des Verwaltungsrats teilnehmen, ohne eigenes Stimmrecht zu besitzen (§ 9 Abs. 4 Satz 1 des Sparkassengesetzes Nordrhein-Westfalen). Er war verpflichtet, Beschlüsse des Verwaltungsrats, die das Recht verletzen, zu beanstanden (§ 14 des Sparkassengesetzes Nordrhein-Westfalen). Der Hauptverwaltungsbeamte war allerdings Mitglied des Kreditausschusses, einem weiteren Organ der Sparkasse. In dieses Organ wurde er nicht gewählt; er gehörte ihm kraft Gesetzes - als dessen Vorsitzender - an (§ 15 Abs. 2 Satz 1 des Sparkassengesetzes Nordrhein-Westfalen). Die Pflicht zur Rüge rechtswidriger Beschlüsse gilt für ihn auch in seiner Eigenschaft als Vorsitzender des Kreditausschusses (§ 16 Abs. 3 i. V. m. § 14 des Sparkassengesetzes Nordrhein-Westfalen). Nach den Feststellungen des FG obliegen dem Kreditausschuß wichtige Geschäftsführungsaufgaben (die Entscheidung über näher bezeichnete größere Kredite). Wie aber in der Entscheidung in BFHE 126, 424, BStBl II 1979, 193 weiterhin ausgeführt ist, obliegen dem Kreditausschuß neben dem Verwaltungsrat auch Befugnisse zur Überwachung und Prüfung geschäftsführender Maßnahmen des Sparkassenvorstands. Der BFH hat dies verschiedenen Vorschriften der zum Sparkassengesetz des Landes Nordrhein-Westfalen ergangenen Sparkassenverordnung entnommen.

Kann daher nicht ausgeschlossen werden, daß dem Stadtdirektor als Vorsitzendem des Kreditausschusses Befugnisse zur Überwachung der Geschäftsführung (Sparkassenvorstand) zustehen, so genügt das allein noch nicht, die dafür gezahlten Vergütungen dem Abzugsverbot des § 12 Nr. 3 KStG a. F. zu unterwerfen. Es muß ein weiteres Merkmal erfüllt sein: Die Vergütungen müssen an eine mit der Überwachung der Geschäftsführung "beauftragte" Person gezahlt worden sein. Darunter sind solche Personen zu verstehen, die auf Veranlassung der Gesellschafter (bei Kapitalgesellschaften) oder der Vertretungskörperschaft des Gewährträgers (bei Sparkassen) in das Überwachungsorgan gewählt oder entsandt worden sind (vgl. BFH-Urteil vom 31. Mai 1967 I 154/64, BFHE 89, 73, BStBl III 1967, 540). Im Streitfall ist der Stadtdirektor - wie schon ausgeführt - weder in den vornehmlich mit der Überwachung der Geschäftsführung des Sparkassenvorstands betrauten Verwaltungsrat noch in den Kreditausschuß gewählt worden. In diesen Organen wirkte er kraft Gesetzes, nicht kraft Entsendung mit: Im Verwaltungsrat aufgrund seines Teilnahmerechts (§ 9 Abs. 4 des Sparkassengesetzes Nordrhein-Westfalen), im Kreditausschuß aufgrund seiner von keiner Wahl oder Bestellung durch die Vertretung des Gewährträgers abhängigen Stellung als Vorsitzender (§ 15 Abs. 2 Satz 1 des Sparkassengesetzes Nordrhein-Westfalen). Auf die Entsendung aus der Körperschaft heraus stellt auch das vom FG angeführte BFH-Urteil vom 13. Juli 1954 I 53/54 U (BFHE 59, 104, BStBl III 1954, 249) ab, das die Vergütungen an ein von Amts wegen eingesetztes Kontrollorgan - den staatlichen Kommissar aufgrund des Hypothekenbankgesetzes - betraf.

2. Das FG hat auch zutreffend die Voraussetzungen einer mittelbaren verdeckten Gewinnausschüttung der Sparkasse an ihren Gewährträger verneint. ... (wird ausgeführt)