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BFH-Urteil vom 30.1.1985 (I R 37/82) BStBl. 1985 II S. 345

Die Bemessung von Sondervergütungen für den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH muß bei Meidung einer verdeckten Gewinnausschüttung im voraus so geregelt sein, daß allein durch Rechenvorgänge die Höhe der Vergütung ermittelt werden kann, ohne daß es noch der Ausübung irgendwelcher Ermessensakte seitens der Geschäftsführung oder Gesellschafterversammlung bedarf.

KStG a.F. § 6 Abs. 1 Satz 2.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Am Stammkapital (20.000 DM) der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH, sind deren Geschäftsführer N mit 80 v.H. sowie dessen Ehefrau mit 20 v.H. beteiligt.

In einer auf den 2. Januar 1970 datierten "Ergänzung zum Anstellungsvertrag" wurde zwischen der Klägerin und N vereinbart,

"daß zusätzlich zum Gehalt eine Tantieme gezahlt wird, die sich nach dem ausgeschütteten Handelsbilanzgewinn bemißt. Für jedes % an Dividende erhält Herr N 1.000 DM.

Berechnung: (Ausschüttung x 100 x 1.000) ./. (Stammkapital) = Tantieme.

Diese Regelung gilt mit Wirkung vom 1. 1. 1970 für die Dauer von 2 Jahren."

In einer Gesellschafterversammlung vom 7. November 1975 wurde bestimmt, daß die Vereinbarung vom 2. Januar 1970 auf unbestimmte Zeit gelte.

Für das Streitjahr (1975) erhielt N aufgrund dieser Vereinbarung neben den laufenden Gehaltsbezügen eine Vergütung von 187.000 DM, die die Klägerin in ihrer Bilanz zum 31. Dezember 1975 als Rückstellung auswies. Der Berechnung dieses Betrages liegt eine "Gewinnausschüttung" von 37.400 DM (= 187 % des Stammkapitals von 20.000 DM) zugrunde, wobei sich "für jedes % an Dividende" 1.000 DM, mithin 187.000 DM als "Tantieme" ergaben.

In einer das Streitjahr umfassenden Außenprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, die Tantieme von 187.000 DM sei um 97.000 DM überhöht und insoweit verdeckte Gewinnausschüttung. Dem stimmte die Klägerin zu.

Aufgrund der Außenprüfung wurde die Körperschaftsteuer 1975 durch einen nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) geänderten Bescheid vom 12. Dezember 1978 festgesetzt.

Mit ihrem Einspruch wandte sich die Klägerin gegen die Behandlung der gekürzten Tantieme als verdeckte Gewinnausschüttung. Sie beantragte, "die Bilanz zu ändern und den Gewinnverteilungsbeschluß ... um den Betrag von 97.000 DM auszudehnen". Zur Begründung verwies die Klägerin auf einen Gesellschafterbeschluß vom 30. September 1971, der lautet:

"Zwischen den Gesellschaftern der ... GmbH bestand bisher bereits Einvernehmen darüber, daß verdeckte Gewinnausschüttungen gesellschaftsrechtlich ausgeschlossen sind und allen Organen der Gesellschaft eine derartige Maßnahme untersagt ist. Um auch bei Veränderungen in den vertretungsberechtigten Organen. diese Tatsache sicherzustellen, sehen sich die Gesellschafter veranlaßt, dieses Einvernehmen schriftlich niederzulegen.

Des weiteren ist beschlossen, daß festgestellte verdeckte Gewinnausschüttungen die Rechtsgrundlage der Handelsbilanz aufheben und zu einem entsprechenden Ausschüttungsbeschluß führen müssen."

Im Einspruchsverfahren kam der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) zu der Auffassung, der Tantiemeanspruch sei erst durch den am 24. November 1976 für das Jahr 1975 gefaßten Gewinnverteilungsbeschluß entstanden. Die umstrittene Tantieme von 187.000 DM könne daher den Gewinn des Streitjahres 1975 nicht mindern. Nachdem die Klägerin auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung gemäß § 367 Abs. 2 AO 1977 hingewiesen worden war, erließ das FA die Einspruchsentscheidung vom 14. November 1979, nach der die Rückstellung für die Tantieme in Höhe von 187.000 DM gewinnerhöhend aufgelöst wurde.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, die Tantiemerückstellung dürfe den Gewinn des Streitjahres nicht mindern, weil es sich in voller Höhe (187.000 DM) um eine verdeckte Gewinnausschüttung handle. Die Tantieme sei nicht von vornherein klar und eindeutig bestimmt, sondern dem Grunde und der Höhe nach vom Willen des Mehrheitsgesellschafters abhängig. Der Gesellschafterbeschluß vom 30. September 1971 könne nicht eine verdeckte Gewinnausschüttung in eine offene Gewinnausschüttung umwandeln.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung aufzuheben, und

"1. a) bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer 1975 von einer Kürzung der in der Bilanz zum 31. Dezember 1975 ausgewiesenen Tantiemerückstellung um 97.000 DM auszugehen, und

b) in Höhe von 90.000 DM eine Tantiemerückstellung in der Bilanz zum 31. Dezember 1975 zu berücksichtigen;

2. Soweit von dem Beklagten eine verdeckte Gewinnausschüttung angenommen wird, diese entsprechend dem schriftlichen Gesellschafterbeschluß vom 30. September 1971 als offene Gewinnausschüttung zu behandeln und dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen."

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Das FG hat zu Recht die zu Lasten des Gewinns des Streitjahres gebildete sog. Tantiemerückstellung als verdeckte Gewinnausschüttung dem körperschaftsteuerpflichtigen Einkommen der Klägerin hinzugerechnet (§ 6 Abs. 1 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG - a. F.).

1. Unabhängig von der allgemeinen Begriffsbestimmung der verdeckten Gewinnausschüttung (vgl. BFH-Urteil vom 23. Mai 1984 I R 294/81, BFHE 141, 266, BStBl II 1984, 673) kommen verdeckte Gewinnausschüttungen bei Leistungen einer Kapitalgesellschaft an beherrschende Gesellschafter u.a. in Betracht, wenn nicht von vornherein klar und eindeutig bestimmt ist, ob und in welcher Höhe - einerlei ob laufend oder einmalig (vgl. BFH-Urteil vom 10. Juli 1974 I R 205/72, BFHE 113, 218, BStBl II 1974, 719) - ein Entgelt gezahlt werden soll (vgl. BFH-Urteil vom 30. Juli 1975 I R 110/72, BFHE 117, 36, BStBl II 1976, 74). Fehlt eine klare, eindeutige und im voraus getroffene Regelung, besteht wegen des fehlenden Interessengegensatzes zwischen Gesellschaft und beherrschendem Gesellschafter-Geschäftsführer die Möglichkeit, den Gewinn der Gesellschaft mehr oder weniger beliebig festzusetzen und ihn so zu beeinflussen, wie es bei der steuerlichen Gesamtbetrachtung des Einkommens der Gesellschaft und der Gesellschafter jeweils am günstigsten ist.

2. Aus diesen Überlegungen folgt, daß auch eine mit einem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer getroffene Vereinbarung über Sondervergütungen zumindest erkennen lassen muß, nach welcher Bemessungsgrundlage (Prozentsätze, Zuschläge, Höchst- und Mindestbeträge) die Vergütung errechnet werden soll (vgl. BFH-Urteile vom 26. Februar 1964 I 160/62, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Körperschaftsteuergesetz, § 6 Abs. 1 Satz 2, Rechtsspruch 95; vom 8. Januar 1969 I R 26/67, BFHE 95, 1, BStBl II 1969, 268; vom 21. Juli 1976 I R 223/74, BFHE 119, 453, BStBl II 1976, 734). Es muß ausgeschlossen sein, daß bei der Berechnung der Vergütung ein Spielraum verbleibt; die Berechnungsgrundlagen müssen so bestimmt sein, daß allein durch Rechenvorgänge die Höhe der Vergütung ermittelt werden kann, ohne daß es noch der Ausübung irgendwelcher Ermessensakte seitens der Geschäftsführung oder Gesellschafterversammlung bedarf.

3. Diesen Anforderungen genügt die umstrittene Vereinbarung zwischen der Klägerin und ihrem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer N nicht. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die auf den 2. Januar 1970 datierte "Ergänzung zum Anstellungsvertrag" oder die "Bestätigung" dieser Vereinbarung vom 7. November 1975 oder eine andere Vereinbarung dieses Inhalts die für das Streitjahr maßgebliche vertragliche Grundlage der "Tantieme" ist. Denn eine solche Vereinbarung wäre nicht als eine klare und eindeutige Regelung dieser Vergütung anzusehen.

a) Es kommt nicht darauf an, ob es sich bei der umstrittenen Vermögenszuwendung um eine Tantieme handelt. Eine Tantieme ist gewinn- oder umsatzabhängig (vgl. BFHE 113, 218, BStBl II 1974, 719). Im Streitfall bemißt sich die Sondervergütung nach einem prozentualen Verhältnis, in dem der "ausgeschüttete" Gewinn zum Stammkapital der Klägerin steht. Der Senat versteht den Inhalt der Vereinbarung vom 2. Januar 1970 in dem Sinne, wie er von der Klägerin vorgetragen und durchgeführt wurde: Danach wurde zunächst ein Gewinn "vor Tantieme" ermittelt, der sodann nach Maßgabe eines von der Klägerin so bezeichneten "Gewinnverwendungsvorschlags" auf den auszuschüttenden Gewinn, auf die sich danach ergebende gewinnmindernde "Tantieme" und ggf. auf einen rechtlichen, nicht auszuschüttenden Gewinn aufgeteilt wurde.

b) Diese Verfahrensweise entspricht nicht den vorgenannten Grundsätzen über die Vermeidung von Gewinnmanipulationen. Die umstrittene Sondervergütung stand nicht nach Grund und Höhe von Anfang an klar und eindeutig fest. Sie ist nicht allein durch Rechenvorgänge zu ermitteln. Vielmehr war es dem beherrschenden und tantiemeberechtigten Gesellschafter-Geschäftsführer möglich, in jedem Jahr nachträglich unter dem Eindruck des jeweiligen Betriebsergebnisses neu darüber zu entscheiden, ob und ggf. in welcher Höhe der Gewinn durch eine Sondervergütung gemindert werden sollte. Er konnte die Bemessungsgrundlage der Tantieme - den auszuschüttenden Gewinn - nach seinem Gutdünken bestimmen. Die Berechnungsart ermöglichte es, bei einer verhältnismäßig geringen "Gewinnausschüttung" eine hohe Gewinnminderung zu erreichen. Denn die Gewinnminderung betrug - bei einem Stammkapital von 20.000 DM - jeweils den fünffachen Betrag der Gewinnausschüttung.

4. Es kann auch nicht dem Antrag der Klägerin gefolgt werden, "soweit von dem Beklagten eine verdeckte Gewinnausschüttung angenommen wird, diese entsprechend dem schriftlichen Gesellschafterbeschluß vom 30. September 1971 als offene Gewinnausschüttung zu behandeln und dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen".

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Gesellschafter der Klägerin die Handelsbilanz in diesem Sinne anderweitig festgestellt haben und ob ein Gewinnverteilungsbeschluß gefaßt wurde, der sich auf diesen Handelsbilanzgewinn bezieht (vgl. BFH-Urteile vom 26. April 1963 I 86/61 U, BFHE 76, 834, BStBl III 1963, 303; vom 12. Juli 1972 I R 205/70, BFHE 107, 186, BStBl II 1973, 59). Denn diese Ausschüttung wäre nicht berücksichtigungsfähig gemäß § 19 Abs. 3 KStG a. F., weil die Handelsbilanz nicht falsch und damit nicht zu berichtigen ist.

Im Gesellschafterbeschluß vom 30. September 1971 heißt es, "daß festgestellte verdeckte Gewinnausschüttungen die Rechtsgrundlagen der Handelsbilanz aufheben und zu einem entsprechenden Ausschüttungsbeschluß führen müssen". Auch wenn dieser Beschluß beinhalten sollte, daß verdeckte Gewinnausschüttungen zurückzugewähren sind, kann in der Handelsbilanz des Streitjahres gleichwohl kein Rückgewährungsanspruch gegen den durch die verdeckte Gewinnausschüttung begünstigten Gesellschafter aktiviert werden. Dies ist nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung und Bilanzierung nicht möglich. Der Senat verweist auf seine Entscheidung vom 23. Mai 1984 I R 266/81 (BFHE 141, 261, BStBl II 1984, 723). Dort hatte sich die klagende Gesellschaft erst nach Vorliegen der eine verdeckte Gewinnausschüttung bejahenden Entscheidung des BFH dazu entschlossen, aufgrund einer Satzungsklausel Rückgewähransprüche geltend zu machen. Im Streitfall hat sich die Klägerin zwar bereits aufgrund der "Einigung" im Rahmen der Betriebsprüfung für den Teilbetrag, der dort als verdeckte Gewinnausschüttung erkannt wurde, gegenüber dem FA auf den Gesellschafterbeschluß vom 30. September 1971 berufen. Auf das - frühere oder spätere - Verfahrensstadium kommt es jedoch nicht an (vgl. auch Schmidt, Finanz-Rundschau 1984, 540). Jedenfalls haben die Gesellschafter der Klägerin die Bilanz des Streitjahres festgestellt, ohne - bewußt oder nicht - die verdeckte Gewinnausschüttung und einen sich daraus ggf. ergebenden Rückgewähranspruch zu erkennen. Der Anspruch war daher noch nicht zu einem aktivierungsfähigen Wirtschaftsgut konkretisiert; die Bilanz ist nicht unrichtig (vgl. BFHE 141, 261, BStBl II 1984, 723).