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BFH-Urteil vom 6.12.1984 (IV R 212/82) BStBl. 1985 II S. 391

Hat ein Land- und Forstwirt in zulässiger Weise auf Aktivierung seiner selbst geschaffenen Vorräte verzichtet, so kann er bei Verpachtung seines Betriebes davon absehen, die aus der eisernen Verpachtung des Vorratsvermögens entstandene Rückgabeforderung gegen den Pächter zu aktivieren.

EStG § 4 Abs. 1, § 13.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) bewirtschaftete bis zum 30. November 1976 als buchführender Landwirt den etwa 45 ha großen Hof seiner Ehefrau zuzüglich weiterer 36,7 ha Pachtland. Er ermittelte seinen Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft für das Wirtschaftsjahr vom 1. Juli bis 30. Juni nach § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und wurde in den Streitjahren mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer zusammenveranlagt.

Mit Vertrag vom 11. Dezember 1976 wurde der Hof mit Wirkung vom 1. Dezember 1976 für 10 Jahre an den Sohn verpachtet, ohne daß die Betriebsaufgabe erklärt wurde. Der Pachtvertrag bestimmte u. a. , daß dem Pächter das im einzelnen aufgeführte und bewertete Inventar mit der Verpflichtung zu übergeben sei, bei Beendigung des Pachtverhältnisses Inventar gleicher Art und Güte zurückzugewähren. Der Pächter wurde befugt, über einzelne Stücke zu verfügen, und ging im übrigen die Verpflichtung ein, das Inventar "nach den Regeln einer ordnungsmäßigen Wirtschaft" zu erhalten, wobei die von ihm angeschafften Ersatzgegenstände mit der Einverleibung in das Inventar Eigentum der Verpächter werden sollten. Ein etwaiger Mehr- oder Minderwert sollte bei Rückgabe des Inventars errechnet und unter den Vertragsbeteiligten ausgeglichen werden.

Nach dem am 1. Dezember 1976 erstellten und als Anlage dem Pachtvertrag beigefügten Übergabeprotokoll für das Inventar waren auch die übergebenen Vorräte an Heu und Grassilage erfaßt. Sie bestanden aus den Erträgen von 10 ha Heu und 15 ha Grassilage, die insgesamt mit 22.750 DM bewertet waren.

Dieses Vorratsvermögen war weder in den Bilanzen bis zur Verpachtung des Betriebes noch in der Bilanz zum 30. Juni 1977 ausgewiesen.

Im Zuge einer 1979 durchgeführten Außenprüfung vertrat der Prüfer die Auffassung, die Übergabe des Vorratsvermögens sei als Sachdarlehen anzusehen. Daraus ergebe sich ein Rückerstattungsanspruch, der zu aktivieren sei. Man kam überein, daß der Bestand des dem Pächter übergebenen Vorratsvermögens um das vor der Verpachtung verwertete Futter zu mindern sei, und einigte sich auf einen Wertansatz von 18.958 DM. Übereinstimmung wurde schließlich auch darüber erzielt, daß die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft der Ehefrau des Klägers als Eigentümerin des Hofes (Verpächterin) zuzurechnen seien.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) schloß sich der Auffassung des Prüfers an und erließ berichtigte Einkommensteuerbescheide für 1976 und 1977, in denen die Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft u. a. jeweils um 9.479 DM erhöht der Ehefrau des Klägers zugerechnet wurden.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, das Aktivierungswahlrecht für selbst erzeugte Vorräte stehe nur dem aktiven Landwirt zu; es lasse sich nicht auf die Rückgabeforderung des Verpächters übertragen, weil "Vorratsvermögen" und Sachwertforderung zwei unabhängig voneinander zu bewertende Wirtschaftsgüter seien.

Mit seiner Revision macht der Kläger geltend, die Übergabe des Vorratsvermögens an den Pächter zwinge nicht zur Aufdeckung der darin enthaltenen stillen Reserven; diese würden auch nicht endgültig der Besteuerung entzogen. Da die darlehensweise Übergabe des Vorratsvermögens weder eine Veräußerung noch eine Entnahme darstelle, bestehe kein zwingender Grund, die Darlehensforderung anders zu bewerten als die übergebenen Wirtschaftsgüter selbst. Dies folge auch aus den Urteilen des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 5. Mai 1976 I R 166/74 (BFHE 119, 478, BStBl II 1976, 717) und vom 16. November 1978 IV R 160/74 (BFHE 126, 429, BStBl II 1979, 138).

Der Kläger beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide 1976 und 1977 unter Berücksichtigung eines um 18.958 DM geminderten Gewinns für das Wirtschaftsjahr 1976/77 abzuändern.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Die Verpächterin konnte zu Recht von der Aktivierung einer Sachdarlehensforderung aus der Überlassung ihrer Vorräte absehen, nachdem sie zuvor das Bilanzierungswahlrecht für selbst erzeugte Vorräte in Anspruch genommen und sie daher nicht aktiviert hatte.

1. a) Wird bei der Verpachtung eines landwirtschaftlichen Betriebes dem Pächter neben dem Anlagevermögen auch Umlaufvermögen mit der Verpflichtung überlassen, bei Pachtende einen gleichwertigen Bestand zurückzugeben (sog. eiserne Verpachtung), so hat der BFH diesen Vorgang in ständiger Rechtsprechung als Übertragung zumindest des wirtschaftlichen Eigentums auf den Pächter aufgrund einer darlehensähnlichen Vereinbarung beurteilt (Urteile vom 2. November 1965 I 51/61 S, BFHE 84, 171, BStBl III 1966, 61; vom 30. November 1965 I 70/60 S, BFHE 84, 138, BStBl III 1966, 51; in BFHE 119, 478, BStBl II 1976, 717, und in BFHE 126, 429, BStBl II 1979, 138). Während nämlich der Pachtvertrag nur zum Gebrauch der überlassenen Wirtschaftsgüter berechtigt, sind die Wirtschaftsgüter des Umlaufvermögens zum Verbrauch durch den Pächter bestimmt (§ 581 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -), wobei die Verpflichtung, Wirtschaftsgüter gleicher Art und Güte zurückzugeben, die Merkmale eines Darlehensvertrages aufweist (§ 607 BGB).

Die dem Pächter aufgrund des Pachtvertrages u. a. überlassenen selbst erzeugten Vorräte gehörten zum Umlaufvermögen des verpachteten Betriebes. Der Senat geht daher mit der Vorinstanz und den Beteiligten auch im vorliegenden Fall der Überlassung von Heu und Grassilage von einem Sachwertdarlehen aus, obwohl diese Wirtschaftsgüter nach dem Pachtvertrag ebensowenig in das bürgerlich-rechtliche Eigentum des Pächters übergehen sollten, wie das übrige Inventar des Anlagevermögens.

b) Unabhängig von dieser vertraglichen Gestaltung der Eigentumsverhältnisse wird der Pächter in solchen Fällen darlehensartiger Übergabe des Vorratsvermögens zum wirtschaftlichen Eigentümer (BFHE 119, 478, BStBl II 1976, 717, und BFHE 126, 429, BStBl II 1979, 138); ihm sind diese Wirtschaftsgüter daher zuzurechnen, nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung muß er sie aktivieren und für seine Rückgabe oder Wertersatzverpflichtung in gleicher Höhe einen Passivposten bilden (BFHE 126, 429, BStBl II 1979, 138; Schmidt, Einkommensteuergesetz, 3. Aufl., 1984, § 5 Anm. 71b).

c) Der Verpächterin steht demgegenüber ein Rückgabeanspruch zu, der nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung an sich ebenfalls zu aktivieren ist. Nach einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum sind derartige Sachwertforderungen mit dem Wert anzusetzen, welcher dem jeweiligen Aktivposten für die gleichartigen Güter des Vorratsvermögens entspricht (vgl. BFH-Urteile vom 13. Januar 1959 I 44/57 U, BFHE 68, 515, BStBl III 1959, 197, und in BFHE 119, 478, BStBl II 1976, 717; Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 6 EStG Anm. 950; Schmidt, a. a. O., § 5 Anm. 71b; Wassermeyer in Raupach, Werte und Wertermittlung im Steuerrecht, Köln 1984, S. 169, 179 f.).

2. Diese Bewertung setzt aber nach Auffassung des Senats voraus, daß die Verpächterin vor der Verpachtung auch das Vorratsvermögen tatsächlich aktiviert und nicht von der Wahlmöglichkeit der Nichtaktivierung Gebrauch gemacht hat, die nach dem die land- und forstwirtschaftliche Buchführung betreffenden Erlaß des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 22. Januar 1970 besteht (BStBl I 1970, 184; gleichlautend BMF-Schreiben vom 12. Oktober 1981, BStBl I 1981, 878, 880 zu 3.1. 3.), der auch von der Rechtsprechung des BFH anerkannt wird (vgl. BFHE 126, 429, BStBl II 1979, 138). Nach ihm konnte die Verpächterin für selbst gewonnene, nicht zum Verkauf bestimmte Vorräte auch von einer Bestandsaufnahme und Bewertung absehen (BStBl I 1970, 184 zu 4).

Hat ein Landwirt - wie die Verpächterin - dieses Wahlrecht in Anspruch genommen und sein selbst erzeugtes Vorratsvermögen nicht aktiviert, so würde sich die Aktivierung der auf Rückgabe des Vorratsvermögens gerichteten Sachwertforderung anläßlich der Verpachtung als erfolgswirksamer Vorgang darstellen. Dieses Ergebnis wird im Schrifttum zu Recht mit der Begründung abgelehnt, der Verpächter habe keinen Gewinnrealisierungstatbestand verwirklicht (vgl. Leingärtner/Zaisch, Die Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirtschaft, 1983 S. 415; ähnlich Feldhaus, Die Information über Steuer und Wirtschaft - Inf - 1983, 417; Seeger, Inf 1984, 193, 198, und Wätzig, Inf 1982, 437, 440).

Die auf § 161 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung - AO - (jetzt § 148 der Abgabenordnung - AO 1977 -) beruhende Vereinfachungsregelung ist von der Finanzverwaltung unter der Annahme zugelassen worden, daß die Nichtbilanzierung durch die annähernd gleichbleibende Höhe der anzusetzenden Beträge ohne Gewinnauswirkung bleibt (BFHE 126, 429, 435, BStBl II 1979, 138, 141). Sie entbindet den Landwirt davon, den Teil seines Aufwandes zu aktivieren, der auf die Herstellung seiner nicht zum Verkauf bestimmten Vorräte entfällt. Da dieser Aktivposten nach Verwertung der Vorräte (Fütterung des Viehs) ohnehin im nächsten Jahr aufgezehrt und durch eine höhere Bewertung des Viehbestandes ausgeglichen würde, beeinträchtigt die Vereinfachungsregelung auch nicht die Besteuerung. Dieser sich jährlich wiederholende Vorgang, der wegen des neutralisierenden Wiederholungseffektes allein den Verzicht auf Aktivierung selbst geschaffener Vorräte rechtfertigen kann, ist durch die Verpachtung des Betriebes nicht unterbrochen worden. Zwar verwertet der Landwirt als Verpächter das Vorratsvermögen nach der Verpachtung nicht mehr selbst. Die Verwertung des übernommenen Bestandes geht jedoch auf den Pächter über, der für Zwecke des laufenden Betriebes selbst neue Vorräte erzeugt und von dem Bilanzierungswahlrecht in der Eröffnungsbilanz Gebrauch machen kann (BFHE 126, 429, BStBl II 1979, 138).

Das einmal in Anspruch genommene Aktivierungswahlrecht bindet danach sowohl den Landwirt für den Fall der Verpachtung als auch den Pächter während der Pachtzeit, wenn er in seiner Eröffnungsbilanz davon Gebrauch macht. Ebensowenig, wie eine wiederholte zu bloßen Gewinnverschiebungen führende Ausübung des Wahlrechts zulässig ist (BFHE 126, 429, BStBl II 1979, 138), kann die Verpachtung (und die Pachtung) eines landwirtschaftlichen Betriebes dazu führen, daß stille Reserven zu versteuern sind, die bei einer den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechenden Bilanzierung nicht erfaßt worden wären. Ohne die Vereinfachungsregelung nämlich hätte die Verpächterin für das Vorratsvermögen einen Aktivposten bilden müssen, der bei Verpachtung aufzulösen war; statt dessen wäre in gleicher Höhe eine entsprechende Sachwertforderung zu aktivieren gewesen. Dieser den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entsprechende Wertzusammenhang zwischen Vorratsvermögen und Sachwertforderung wird nach Auffassung des Senats auch nicht durch Inanspruchnahme der Buchführungserleichterung unterbrochen. Daraus aber folgt, daß die Verpächterin auch auf Aktivierung einer Sachdarlehensforderung verzichten konnte.

3. Wenn die Vorinstanz demgegenüber ausführt, das Aktivierungswahlrecht stehe nur dem aktiven Landwirt zu, so übersieht sie, daß dieses nur selbst erzeugte Vorräte voraussetzt, die nicht zum Verkauf bestimmt sind, und daß es bei der Frage nach der Aktivierung einer Sachdarlehensforderung nicht um eine erneute Ausübung des durch die Vereinfachungsregelung zugestandenen Wahlrechts geht. Im Streitfall stellt sich vielmehr die Frage, für welchen Zeitraum der Land- und Forstwirt an die Ausübung des Wahlrechts gebunden ist; denn auch bei Inanspruchnahme eines auf Buchführungserleichterung gerichteten Bilanzierungswahlrechts muß eine periodengerechte Gewinnermittlung gewährleistet sein. Dies folgt nunmehr auch ausdrücklich aus § 148 AO 1977, wonach die Bewilligung von Buchführungserleichterungen u. a. davon abhängig gemacht ist, daß die Besteuerung nicht beeinträchtigt wird. Liegt aber dem Verzicht auf Aktivierung des selbst geschaffenen Vorratsvermögens erkennbar die Absicht zugrunde, die dadurch entstandenen stillen Reserven erst bei Verwirklichung eines Gewinnrealisierungstatbestandes zu erfassen, so kann auch die Verpachtung des landwirtschaftlichen Betriebes nicht zu einer Aufdeckung dieser stillen Reserven führen, wenn der Land- und Forstwirt - wie im Streitfall - darauf verzichtet hat, die Betriebsaufgabe zu erklären. Die Revision hat in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hingewiesen, daß die durch Ausübung des Wahlrechts entstandenen stillen Reserven auch dann nicht der Besteuerung entzogen werden, wenn der Verpächter im Zeitpunkt der Verpachtung von der Aktivierung einer Sachwertforderung absieht.

4. Die Vorentscheidung, die mit den dargelegten Grundsätzen nicht übereinstimmt, ist aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Das zu versteuernde Einkommen der Jahre 1976 und 1977 mindert sich danach jeweils um 50 v. H. des Werts der Vorräte, so daß die Einkommensteuer entsprechend herabzusetzen ist.