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BFH-Urteil vom 8.2.1985 (VI R 50/81) BStBl. 1985 II S. 414

Zur Bemessungsgrundlage für die sog. passive Berlinzulage nach Einstellung der Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle.

BerlinFG i.d.F. vom 22. Dezember 1978 § 28 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Nr. 2.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Der seit Jahren in Berlin beschäftigte Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war ab 3. Juli 1978 krank geschrieben. Der vom Arbeitgeber an den Kläger gezahlte Bruttolohn für den Monat Juli 1978 betrug 1.783,05 DM. Nach Ablauf des Sechs-Wochen-Zeitraums für die Lohnfortzahlung am 13. August 1978 zahlte der Arbeitgeber keinen Lohn und keine Berlinzulage mehr an den Kläger aus.

Mit seinem Antrag vom 8. Januar 1979 begehrte der Kläger die Festsetzung einer Berlinzulage für die Zeit vom 14. August 1978 bis 5. November 1978 (§§ 28, 31 des Berlinförderungsgesetzes - BerlinFG - i. d. Neufassung vom 22. Dezember 1978, BGBl I 1979, 1, BStBl I 1979, 3). Dabei ging er von einer Bemessungsgrundlage von 3.027,92 DM aus. Hierbei handelt es sich um den Bruttolohn für den Monat Juni 1978. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte die Zulage dagegen nach einer Bemessungsgrundlage von 1.783,05 DM, also nach dem Bruttolohn des Monats Juli, fest.

Das Finanzgericht (FG) gab der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage statt. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus: Bemessungsgrundlage für die sog. passive Zulage sei der auf einen Kalendertag entfallende Arbeitslohn desjenigen Lohnabrechnungszeitraums, der der Unterbrechung oder Einschränkung vorhergehe (§ 28 Abs. 2 Nr. 2 BerlinFG). Hiermit könne nur die Unterbrechung oder Einschränkung "der Beschäftigung" gemeint sein. Die Beschäftigung des Klägers sei am 3. Juli 1978 durch dessen Erkrankung unterbrochen worden. Der dieser Unterbrechung der Beschäftigung vorhergehende Lohnabrechnungszeitraum sei somit der Lohnabrechnungszeitraum des Monats Juni 1978 gewesen. Der Auffassung des FA, nach der der dem 14. August 1978 (Einstellung der Lohnfortzahlung) vorhergehende Lohnabrechnungszeitraum Juli 1978 der maßgebliche Lohnabrechnungszeitraum sei, stehe mit dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nicht in Einklang. Gegen die Auffassung des FA spreche auch die Entstehungsgeschichte des Gesetzes. Bereits nach früheren Gesetzesfassungen sei Bemessungsgrundlage für die passive Zulage der Arbeitslohn des der Unterbrechung oder Einschränkung der Beschäftigung vorhergehenden Lohnabrechnungszeitraums gewesen. Allerdings sei in früheren Gesetzesfassungen der Satz 2 des § 28 Abs. 1 BerlinFG nicht enthalten gewesen. Die Einfügung dieses Satzes 2 betreffend die Gewährung einer aktiven Zulage für den Zeitraum der Lohnfortzahlung habe inhaltlich zu einer Änderung hinsichtlich der Bemessungsgrundlage für die passive Zulage geführt.

Mit der Revision begehrt das FA die Aufhebung der Vorentscheidung und die Abweisung der Klage. Es ist der Auffassung, Bemessungsgrundlage für die passive Berlinzulage sei nicht der Lohnabrechnungszeitraum, der der Erkrankung des Klägers vorhergehe (Juni 1978), sondern der Lohnabrechnungszeitraum, der der Einstellung der Lohnfortzahlung vorhergehe (Juli 1978). § 28 Abs. 2 Nr. 2 BerlinFG könne nur in Verbindung mit § 28 Abs. 1 Satz 2 BerlinFG gesehen werden. Hier werde eindeutig festgestellt, daß die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall als Arbeitslohn für eine Beschäftigung in Berlin (West) zu behandeln sei. Die Unterbrechung der Beschäftigung beginne deshalb erst mit Ende der Lohnfortzahlung. Damit könne Bemessungsgrundlage für die passive Berlinzulage nur der Lohn des letzten vollen Lohnabrechnungszeitraums sein, der der Einstellung der Lohnfortzahlung vorausgehe.

Der Kläger ist nicht durch einen Prozeßbevollmächtigten vertreten.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Nach § 28 Abs. 1 Satz 1 BerlinFG in der für das Streitjahr 1978 geltenden Fassung (vgl. § 31 Abs. 1 BerlinFG) erhalten Arbeitnehmer, denen aus einem gegenwärtigen Dienstverhältnis Arbeitslohn für eine Beschäftigung in Berlin (West) zufließt, eine Berlinzulage. Dies gilt nach § 28 Abs. 1 Satz 2 BerlinFG auch, solange bei Unterbrechung oder Einschränkung der Beschäftigung der Arbeitslohn fortgezahlt wird. Bemessungsgrundlage für diese sog. aktive Berlinzulage ist in diesen beiden Fällen der Arbeitslohn des jeweiligen Lohnabrechnungszeitraums (§ 28 Abs. 2 Nr. 1 BerlinFG).

Die sog. passive Berlinzulage ist in § 28 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Abs. 2 Nr. 2 BerlinFG geregelt. Endet bei einer Unterbrechung oder Einschränkung der Beschäftigung die Fortzahlung des Arbeitslohns, so wird die Zulage je Kalendertag weiter gewährt, solange - nur diese Alternative ist vorliegend einschlägig - der Arbeitnehmer nachweislich erkrankt ist (§ 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BerlinFG). Für diesen Fall bestimmt § 28 Abs. 2 Nr. 2 BerlinFG als Bemessungsgrundlage den Arbeitslohn desjenigen Lohnabrechnungszeitraums, "der der Unterbrechung oder Einschränkung vorhergeht".

Im Gegensatz zu § 28 Abs. 1 Sätze 2 und 3 BerlinFG, die von einer "Unterbrechung oder Einschränkung der Beschäftigung" sprechen, enthält § 28 Abs. 2 Nr. 2 BerlinFG die Worte "der Beschäftigung" nicht. Der Senat folgt aber dem FG darin, daß § 28 Abs. 2 Nr. 2 BerlinFG ebenfalls die Unterbrechung oder Einschränkung der Beschäftigung meint. § 28 Abs. 2 Nr. 2 BerlinFG regelt die Bemessungsgrundlage für die Fälle des § 28 Abs. 1 Satz 3 BerlinFG, also für die Fälle, in denen bei einer Unterbrechung oder Einschränkung der Beschäftigung der Arbeitslohn nicht oder nicht mehr fortgezahlt wird. Wenn § 28 Abs. 2 Nr. 2 BerlinFG an den Lohnabrechnungszeitraum anknüpft, der der Unterbrechung oder Einschränkung vorhergeht, so kann damit nur die Unterbrechung oder Einschränkung der Beschäftigung gemeint sein. Bei der hier zu beurteilenden Fallgestaltung handelt es sich um den typischen und häufig vorkommenden Fall der Zahlung einer passiven Berlinzulage im Krankheitsfall. Infolge der sechswöchigen Lohnfortzahlung kommt es bei darüber hinausgehenden Erkrankungen stets zu der im Streitfall zu beurteilenden Frage nach dem Lohnabrechnungszeitraum, nach dem sich die Bemessungsgrundlage richtet. Hätte der Gesetzgeber seine Entscheidung in dem vom FA gemeinten Sinne treffen wollen, so hätte er dies eindeutig ausdrücken können und müssen.

Auch aus der Gesetzesbegründung läßt sich im übrigen nichts für die Auffassung des FA herleiten. Eher wird die vorstehend gefundene Auslegung bestätigt, wenn in dem Bericht des Finanzausschusses als Grund für die Änderung des § 28 Abs. 2 BerlinFG folgendes angeführt wird: "Außerdem wird klargestellt, daß bei einer Unterbrechung oder Einschränkung der Beschäftigung Bemessungsgrundlage für die weiter zu gewährende Zulage nur der vorher bezogene Arbeitslohn ist" (BT-Drucks. 8/1781 S. 8). Auch hier kann nach Auffassung des Senats im Fall des § 28 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BerlinFG nur der vor dem Eintreten des Krankheitsfalles liegende Lohnabrechnungszeitraum gemeint sein.

Im Streitfall wurde die Beschäftigung des Klägers durch dessen Erkrankung am 3. Juli 1978 unterbrochen. Die Bemessungsgrundlage richtet sich damit nach dem Arbeitslohn, der auf den dieser Unterbrechung der Beschäftigung vorhergehenden Lohnabrechnungszeitraum Juni 1978 entfällt.

Dies führt im Streitfall zwar dazu, daß die Zulage, die der Kläger während der Lohnfortzahlung vom 3. Juli 1978 bis 13. August 1978 erhalten hat, sich nach einer niedrigeren Bemessungsgrundlage (fortgezahlter Lohn) richtet als die Zulage, die ihm für die Zeit nach der Einstellung der Lohnfortzahlung (ab 14. August 1978) zusteht (Bemessungsgrundlage: höherer Juni-Lohn). Das spricht aber nicht etwa für die Auffassung des FA. Der Senat hat bereits im Urteil vom 20. Oktober 1978 VI R 51/76 (BFHE 126, 355, BStBl II 1979, 234) ausgesprochen, daß gewisse Unebenheiten des BerlinFG im Interesse einer einfachen und unkomplizierten Regelung der Bemessungsgrundlage in Kauf genommen werden müssen.