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BFH-Urteil vom 26.3.1985 (VIII R 260/81) BStBl. 1985 II S. 433

Eine GmbH & Co. KG, die ihre gewerbliche Tätigkeit noch nicht aufgenommen hat, unterliegt nicht der Gewerbesteuer.

GewStG § 2 Abs. 1.

Sachverhalt

Die im Jahre 1970 gegründete Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine doppelstöckige GmbH & Co. KG, deren Firma am 29. Dezember 1970 im Handelsregister eingetragen wurde. Persönlich haftende Gesellschafterin ist die W. Verwaltungsgesellschaft mbH & Co. Deren persönlich haftende Gesellschafterin ist die W. Verwaltungsgesellschaft mbH. Die Klägerin betreibt ein Kurhotel und Revitalisierungszentrum, das von ihr in den Jahren 1971 bis 1973 errichtet wurde. Der Hotelbetrieb wurde am 8. Juni 1973 aufgenommen.

Anläßlich einer Betriebsprüfung bei der Klägerin wurde festgestellt, daß folgende, mit der Gründung des Betriebs in Zusammenhang stehende Passivposten bei der Ermittlung des Einheitswerts des Betriebsvermögens zum 1. Januar 1972 abgezogen worden waren:

Verbindlichkeiten aus Lieferungen

und Leistungen                                                                       2.765.970 DM

Rückstellungen für Bau-

und Planungskosten                                                                   770.000 DM

                                                                                                ------------------

                                                                                             3.535.970 DM

Der Prüfer rechnete diese Beträge dem Einheitswert des Betriebsvermögens bei der Festsetzung des Gewerbekapitals für den Erhebungszeitraum 1972 als Dauerschulden wieder hinzu.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) übernahm die Prüfungsfeststellungen.

Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) folgte der Auffassung des FA, daß die strittigen Bauschulden Dauerschulden i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) seien.

Die Klägerin habe der sachlichen Steuerpflicht unterlegen: Diese beginne auch bei einer doppelstöckigen GmbH & Co. KG wie bei Kapitalgesellschaften bereits mit der Eintragung ins Handelsregister (29. Dezember 1970). Daß die Klägerin ihre eigentliche gewerbliche Tätigkeit erst seit dem 8. Juni 1973 mit Eröffnung des Kurhausbetriebs ausgeübt habe, sei nicht entscheidend. Denn durch Einschaltung der GmbH als Geschäftsführerin und alleinige vollhaftende Gesellschafterin habe die Klägerin das Gepräge einer Kapitalgesellschaft erhalten und müsse daher nach den für diese geltenden Grundsätzen behandelt werden (Hinweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. März 1966 IV 233, 234/65, BFHE 84, 471, BStBl III 1966, 171, und auf Lenski/Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 6. Aufl., § 2 Anm. 2 S. 6 und Anm. 98 S. 255).

Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts. Es fehle an Dauerschulden i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 8 Nr. 1 GewStG. Denn eine kurzfristige Bauschuld stelle kein langfristiges Kreditverhältnis dar und sei zumindest als Zwischenkredit einzustufen, der dem laufenden Geschäftsbetrieb zuzurechnen sei.

Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil und die Einspruchsentscheidung des FA aufzuheben sowie den Gewerbesteuermeßbetrag 1972 unter Wegfall der Dauerschuld festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist im Ergebnis begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung und des Gewerbesteuermeßbescheids 1972.

Der erkennende Senat kann es offenlassen, ob die strittigen Bauschulden (Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen) Dauerschulden i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 8 Nr. 1 GewStG sind. Jedenfalls hat entgegen der Auffassung des FG im Streitjahr die sachliche Gewerbesteuerpflicht nach § 2 Abs. 1 GewStG noch nicht bestanden.

a) Das FG hat die Bejahung der sachlichen Gewerbesteuerpflicht allein auf den Umstand gestützt, daß es sich bei der Klägerin um eine GmbH & Co. KG handelt, bei der die Gewerbesteuerpflicht grundsätzlich bereits mit ihrer Eintragung im Handelsregister beginne. Dabei hat es sich auf die damals noch geltende "Geprägerechtsprechung" des BFH berufen (s. Urteile in BFHE 84, 471, BStBl III 1966, 171, und vom 3. August 1972 IV R 235/67, BFHE 106, 331, BStBl II 1972, 799), die sowohl auf die Einkommensteuer als auch auf die Gewerbesteuer zur Anwendung kam (vgl. Abschn. 28 Abs. 2 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1972, Abschn. 16 Abs. 2 der Gewerbesteuer-Richtlinien - GewStR - 1969). Es kann offenbleiben, ob sich aus dieser Rechtsprechung die Folgerung ziehen ließ, daß auch in der Frage des Beginns der sachlichen Gewerbesteuerpflicht die GmbH & Co. KG einer Kapitalgesellschaft gleichzustellen war (so Abschn. 21 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. Abs. 2 GewStR 1974; s. auch Lenski/Steinberg, a.a.O., § 2 Anm. 2 S. 6; zum Beginn der Gewerbesteuerpflicht einer Kapitalgesellschaft s. BFH-Urteil vom 16. Februar 1977 I R 244/74, BFHE 122, 130, 133, BStBl II 1977, 561, 562). Denn die Geprägerechtsprechung ist mit dem Beschluß des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, 423 ff., BStBl II 1984, 751, 760 ff., Abschn. C III) aufgegeben worden. Für die Qualifikation der Einkünfte und die ihr folgende gewerbesteuerrechtliche Behandlung ist somit nicht mehr die Rechtsform der Personengesellschaft maßgebend, sondern die Art der von ihr entfalteten Tätigkeit. Dies bedeutet, daß auch für den Beginn der gewerblichen Betätigung nicht mehr lediglich die Eintragung im Handelsregister entscheidend sein kann, sondern die allgemeinen, auch für die übrigen Personengesellschaften geltenden Grundsätze anzuwenden sind.

b) Hiernach hat eine gewerbliche Tätigkeit der Klägerin im Streitjahr noch nicht vorgelegen. Denn nach ständiger BFH-Rechtsprechung beginnt die Gewerbesteuerpflicht bei Einzelgewerbetreibenden wie bei Personengesellschaften (z. B. OHG und KG) erst in dem Zeitpunkt, in dem alle Voraussetzungen vorliegen, die die Annahme eines Gewerbebetriebs rechtfertigen, d. h. in dem der Betrieb erstmals in Gang gesetzt, also eröffnet worden ist. Bloße Vorbereitungshandlungen wie das Anmieten eines Geschäftslokals, die Errichtung eines Fabrikgebäudes oder der Bau eines Hotels, mit dessen Betrieb erst nach Fertigstellung begonnen wird, begründen dagegen die Gewerbesteuerpflicht noch nicht (s. BFH-Urteile vom 5. November 1957 I 325/56 U, BFHE 65, 559, BStBl III 1957, 448, und vom 19. August 1977 IV R 107/74, BFHE 123, 352, BStBl II 1978, 23). Wie das FG übereinstimmend mit dem FA und den Angaben der Klägerin festgestellt hat, wurde das Kurhotel erst im Laufe des Jahres 1973 eröffnet und seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt, dagegen wurde im Streitjahr noch keine werbende Tätigkeit entfaltet. Die Klägerin durfte daher im Streitjahr nicht zur Gewerbesteuer herangezogen werden.