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BFH-Urteil vom 4.7.1985 (IV R 136/83) BStBl. 1985 II S. 576

1. Auf die gesonderte Feststellung des gemeinschaftlich erzielten Gewinns von Landwirts-Eheleuten kann verzichtet werden, sofern es sich um einen Fall von geringerer Bedeutung handelt.

2. Zum Hinweis auf die Buchführungspflicht bei Schätzungslandwirten unter der Geltung der AO.

AO § 161 Abs. 1 Nr. 1; AO 1977 § 180 Abs. 3.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) leben in Gütergemeinschaft. Sie haben zum 1. März 1973 die 79,26 ha große Land- und Forstwirtschaft der Eltern des Klägers übernommen. Der Einheitswert zum 1. Januar 1964 betrug 135.500 DM und wurde zum 1. Januar 1974 auf 165.400 DM fortgeschrieben. Die Kläger führten keine Bücher, ihr Gewinn wurde jeweils geschätzt und in den Einkommensteuerveranlagungen berücksichtigt. In den Veranlagungszeiträumen 1973 bis 1976 wurden Gewinne von 20.019 DM, 27.026 DM, 58.132 DM und 51.329 DM angesetzt. Für das Jahr 1977 erklärten die Kläger erstmals einen gemäß § 13a des Einkommensteuergesetzes (EStG) nach Durchschnittssätzen ermittelten Gewinn. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte dem nicht, sondern ging im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1977 von einem auf 52.184 DM geschätzten Gewinn aus. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Mit der vom Finanzgericht (FG) zugelassenen Revision wird fehlerhafte Anwendung der Reichsabgabenordnung (AO) und der Abgabenordnung (AO 1977) gerügt.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet; die Kläger können den Gewinn für 1977 nicht aufgrund von § 13a EStG ermitteln.

a) Das FG hat die Kläger zu Recht als Mitunternehmer des landwirtschaftlichen Betriebs angesehen. Sie leben im ehelichen Güterstand der Gütergemeinschaft, so daß der von den Eltern des Klägers übertragene Hof gemeinschaftliches Vermögen der Ehegatten geworden ist (§ 1.416 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -); daß der Hof dem Kläger mit der Bestimmung zugewendet wurde, daß er bei ihm Vorbehaltsgut werde (§ 1.418 Abs. 2 Nr. 2 BGB), ist nicht festgestellt. Da den Klägern die Nutzungen der Landwirtschaft gemeinsam zustehen, sie also für beider Rechnung betrieben wird, sind sie als Mitunternehmer des Betriebs anzusehen (Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 7. Oktober 1982 IV R 186/79, BFHE 136, 537, BStBl II 1983, 73).

b) Das FA hat die land- und forstwirtschaftlichen Einkünfte bei der Einkommensbesteuerung berücksichtigt, ohne sie zuvor in einer Gewinnfeststellung einheitlich und gesondert festgestellt zu haben. Dies konnte bedeuten, daß das FA im Vorgriff auf einen noch zu erlassenden Grundlagenbescheid handelte (§ 155 Abs. 2 AO 1977). Das Vorgehen des FA konnte aber auch besagen, daß es auf die Gewinnfeststellung verzichten wollte, da es sich um einen Fall von geringerer Bedeutung handelte (§ 180 Abs. 3 AO 1977), die Ermittlung der land- und forstwirtschaftlichen Einkünfte also definitiv sein sollte. Da es sich in letzterem Falle um eine Abweichung vom Normalverfahren handelte, hätte das FA auf diesen Verzicht im Steuerbescheid hinweisen müssen. Auf einen solchen Hinweis kann im Einzelfall nur verzichtet werden, wenn die Absicht der Finanzbehörde, keine gesonderte Gewinnfeststellung vorzunehmen, dem Adressaten des Verwaltungsakts bereits bekannt oder auch ohne schriftliche Begründung ohne weiteres erkennbar ist (§ 121 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977). So liegt es im Streitfall. Das FA hatte bereits in den Vorjahren keine einheitlichen Gewinnfeststellungen durchgeführt, und die Kläger hatten auch keine entsprechenden Feststellungserklärungen abgegeben. Das FA hat die Kläger insbesondere in der Einspruchsentscheidung als Mitunternehmer behandelt; damit war deutlich, daß auch die strittige Steuerfestsetzung definitiv sein, also kein Feststellungsverfahren mehr durchgeführt werden sollte.

Unter den Verhältnissen des Streitfalles war das FA auch nicht gehalten, zunächst das Gewinnfeststellungsverfahren durchzuführen. Auf die Feststellung kann nach § 180 Abs. 3 AO 1977 verzichtet werden, wenn es sich um Fälle von geringerer Bedeutung handelt. Nach der Rechtsprechung des BFH ist ein Fall von geringerer Bedeutung anzunehmen, wenn die Einkünfte leicht zu ermitteln und nach einfachem Schlüssel auf die Beteiligten zu verteilen sind und wenn vor allem die Gefahr widersprüchlicher Entscheidungen bei den Beteiligten gering oder nahezu ausgeschlossen ist (Urteile vom 3. Februar 1976 VIII R 29/71, BFHE 118, 135, BStBl II 1976, 396; vom 20. Oktober 1981 VIII R 65/77, nicht veröffentlicht). Unter diesen Voraussetzungen unterbleibt nicht nur, wie die Revision meint, die einheitliche Feststellung von Überschußeinkünften, sondern auch die einheitliche Feststellung von Gewinnen. Die angeführten Voraussetzungen sind im Streitfall sämtlich erfüllt.

c) Das FA hat die gemeinschaftlichen Einkünfte im Steuerbescheid nicht auf die Ehegatten aufgeteilt. Dies hat auf die Höhe der Besteuerung keinen Einfluß, so daß die Kläger insoweit nicht beschwert sind. Die Unterlassung ist allerdings insofern bedenklich, als die Zuteilung der Einkünfte im Einkommensteuerbescheid für eine spätere Aufteilung der Einkommensteuerschuld gemäß § 270 AO 1977 bedeutsam ist (BFH-Urteil vom 16. August 1978 I R 125/75, BFHE 126, 4, BStBl II 1979, 26). Da ein Interesse der Kläger an der Aufteilung der Einkommensteuerschuld nicht erkennbar ist, brauchte der Einkommensteuerbescheid wegen dieser Unterlassung des FA nicht aufgehoben zu werden.

d) Für die Kläger bestand Buchführungspflicht, so daß eine Gewinnermittlung nach Durchschnittssätzen für sie nicht in Betracht kommt (§ 13a Abs. 1 Nr. 1 EStG).

Zutreffend hat das FG ausgeführt, daß sich die Buchführungspflicht zum 1. Juli 1976 bereits aus dem Umstand ergab, daß im Januar 1976 der Einkommensteuerbescheid 1974 zugestellt wurde, in dem ein Gewinn für das Kalenderjahr von mehr als 12.000 DM, nämlich im Betrag von 27.026 DM ausgewiesen wurde. Damit war die Buchführungspflicht gemäß § 161 Abs. 1 Nr. 1 AO noch unter der Geltung der AO entstanden. Eines besonderen Hinweises auf die Buchführungspflicht bedurfte es nicht. Durch das Gesetz wurde dies nicht verlangt. Die Rechtsprechung hat allerdings mit Rücksicht auf die Unerfahrenheit bisher nicht buchführungspflichtiger Land- und Forstwirte angenommen, daß nach dem Grundsatz von Treu und Glauben die Einhaltung der Buchführungspflicht erst dann verlangt werden könne, wenn der Steuerpflichtige hierauf und auf den maßgebenden Zeitpunkt seitens des FA durch eine besondere Mitteilung hingewiesen wurde (BFH-Urteile vom 9. Mai 1957 IV 383/55 U, BFHE 65, 151, BStBl III 1957, 291; vom 22. September 1960 IV 249/59 U, BFHE 71, 716, BStBl III 1960, 516). Auf den Grundsatz von Treu und Glauben kann sich indessen nicht berufen, wer seine Buchführungspflicht kennt und danach handelt. Dies ist insbesondere angenommen worden, wenn ein steuerlich beratener Landwirt von sich aus eine Buchführung eingerichtet und den Gewinn nach den Buchführungsergebnissen ermittelt hat (vgl. BFH-Urteil vom 29. Oktober 1981 IV R 214/79, BFHE 134, 347, BStBl II 1982, 161). Nichts anderes gilt, wenn ein Landwirt in Kenntnis der Buchführungspflicht von der Einrichtung einer Buchhaltung absieht und seinen Gewinn im Wege der Schätzung ermittelt und zur Einkommensteuerveranlagung erklärt. So sind die Kläger nach der Feststellung des FG in den Einkommensteuererklärungen jeweils verfahren; in der Gewinnermittlung für das Wirtschaftsjahr 1974/75 haben die Kläger sich außerdem ausdrücklich als "Schätzungslandwirte" bezeichnet.

Zu Unrecht beanstandet die Revision, daß der die Buchführungspflicht auslösende Einkommensteuerbescheid 1974 den zusammen veranlagten Klägern nur in einer Ausfertigung übersandt wurde. Dies ist dann unbedenklich, wenn jeder Ehegatte Empfangsvollmacht für den anderen Ehegatten hat; eine solche Bevollmächtigung ist in der Regel anzunehmen, wenn Eheleute, wie im Streitfall geschehen, ihre Einkommensteuererklärung gemeinsam abgeben (BFH-Urteile vom 13. August 1970 IV 48/65, BFHE 100, 171, BStBl II 1970, 839; vom 16. August 1978 I R 26/78, BFHE 126, 5, BStBl II 1979, 58).

Die Buchführungspflicht hat auch nicht geendet. Es ist vor Beginn des Wirtschaftsjahres 1976/77 kein Steuerbescheid ergangen, der einen Gewinn unter 12.000 DM feststellte (§ 161 Abs. 1 Nr. 1e AO). Die Übergangsregelung des Art. 97 § 19 des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung gilt nur für den Fall, daß der nach § 13a EStG a. F. ermittelte Gewinn in einem nach dem 31. Dezember 1973 beginnenden Wirtschaftsjahr erstmals 12.000 DM überschreitet. Nach den tatsächlichen Feststellungen des FG war die Gewinngrenze aber bereits in dem am 1. Juli 1973 beginnenden Wirtschaftsjahr 1973/74 überschritten.