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BFH-Urteil vom 15.3.1985 (VI R 30/81) BStBl. 1985 II S. 581

Ein Bescheid, in dessen Tenor der Arbeitgeber vom FA als Haftender in Anspruch genommen wird, dessen Begründung aber eindeutig auf die Festsetzung einer pauschalen Lohnsteuer hinweist, ist unwirksam.

AO 1977 § 119 Abs. 1.

Vorinstanz: FG des Saarlandes

Sachverhalt

Der Kläger, Revisionsbeklagte und Anschlußrevisionskläger (Kläger) ist ein eingetragener Verein des bürgerlichen Rechts. Eine am 1. Juli 1977 durchgeführte Lohnsteuer-Außenprüfung ergab, daß der Kläger seinem Präsidenten im ersten Halbjahr 1977 eine unversteuerte monatliche Aufwandsentschädigung von .... DM zahlte. Außerdem hat er für fünf Bedienstete in der Zeit vom 1. Januar 1974 bis 30. Juni 1977 Arbeitskammerbeiträge nicht einbehalten. Der Beklagte, Revisionskläger und Anschlußrevisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) forderte deshalb durch "Haftungsbescheid" vom 22. Juli 1977 vom Kläger .... DM ein. Der Betrag setzt sich aus .... DM Lohn- und Kirchensteuer für die unversteuerten Aufwandsentschädigungen und .... DM für nachgeforderte Arbeitskammerbeiträge zusammen. Im Teil C des "Haftungsbescheids" ist auf die Lohnsteuer-Außenprüfung Bezug genommen und zur Begründung auf den Prüfungsbericht verwiesen. Darin heißt es u.a.: "Da es sich um eine Tätigkeit in geringem Umfang und gegen geringes Entgelt handelt, kann die Lohnsteuer mit dem Pauschsteuersatz von 10 % des Arbeitslohns erhoben werden, wenn der Arbeitgeber die Steuern übernimmt (§ 40a EStG). Die aufgrund dieser Regelung pauschal besteuerten Arbeitslöhne und die davon eingehaltenen Steuerabzugsbeträge bleiben bei einer Veranlagung des Arbeitnehmers außer Betracht."

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Der angefochtene Bescheid ist aufzuheben, weil er insoweit nicht hinreichend bestimmt ist. Denn er läßt nicht erkennen, ob das FA den Kläger als Haftenden in Anspruch nehmen oder eine pauschale Lohnsteuer gegen ihn festsetzen wollte.

Nach der Rechtsprechung des BFH kommt es für die Frage, ob ein Haftungs- oder Steuerbescheid inhaltlich hinreichend bestimmt ist (§ 119 Abs. 1 AO 1977), grundsätzlich auf die Überschrift und den verfügenden Teil (Tenor) des Bescheids an (vgl. Entscheidungen vom 28. Januar 1983 VI R 35/78, BFHE 138, 188, BStBl II 1983, 472; vom 29. April 1983 VI S 10/82, BFHE 138, 379, BStBl II 1983, 517, und vom 2. Dezember 1983 VI R 47/80, BFHE 140, 143, BStBl II 1984, 362). Überschrift und Tenor weisen hier verhältnismäßig eindeutig auf eine Inhaftungnahme hin, da der Bescheid als Haftungsbescheid überschrieben ist und in seinem - wenn auch mit "Steuerfestsetzung" gekennzeichneten - Teil A nur von Haften spricht.

In direktem Gegensatz hierzu steht aber die Begründung des angefochtenen Bescheids, wegen derer das FA ausdrücklich auf den beigefügten Prüfungsbericht verwiesen hat. Denn die im Prüfungsbericht enthaltenen, auf § 40a Abs. 1 Nr. 2 EStG bezogenen und die Rechtsfolge des § 40a Abs. 4 i.V.m. § 40 Abs. 3 EStG zitierenden Ausführungen des FA weisen eindeutig auf die Festsetzung einer pauschalen Lohnsteuer hin. Festsetzungen einer pauschalen Lohnsteuer und Lohnsteuerhaftung sind aber wesensmäßig verschieden und schließen sich gegenseitig aus, weil es sich einmal um das Schulden einer eigenen Steuerschuld und das andere Mal um das Einstehenmüssen für eine fremde Steuerschuld handelt, was unterschiedliche Voraussetzungen und verschiedene Rechtsfolgen bedingt (BFHE 140, 143, BStBl II 1984, 362).

Stehen aber Tenor und Begründung eines Bescheids in direktem, sich gegenseitig ausschließenden Gegensatz zueinander, so führt dies dazu, daß dem Steuerverwaltungsakt die erforderliche Bestimmtheit fehlt. Dabei kann dahinstehen, ob und ggf. inwieweit die Begründung zum Inhalt des Bescheids gehört. Widerspricht sie dem verfügenden Teil des Bescheids so grundlegend wie im vorliegenden Fall, so kann der Bescheid jedenfalls aus Gründen der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit nicht aufrechterhalten werden, weil der Wille des FA nicht eindeutig genug zum Ausdruck kommt.