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BFH-Urteil vom 31.7.1985 (II R 236/81) BStBl. 1985 II S. 632

Grundbesitz, den ein eingetragener Verein seinen Mitgliedern zum sog. Sportfischen zur Verfügung stellt, ist nicht von der Grundsteuer befreit.

GrStG §§ 2, 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b, § 6; BewG §§ 2, 19 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Nr. 1, §§ 33, 34 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 Buchst. e, § 62 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: FG München

Sachverhalt

1. Der Kläger und Revisionskläger zu 1 (Kläger zu 1) ist ein eingetragener Verein, dessen Mitglieder das sog. Sportfischen betreiben. Er kaufte 1975 ein in der Gemarkung G liegendes, rd. 23 ha großes ehemaliges Kiesabbaugelände. Auf diesem Gelände war infolge des Kiesabbaues ein rd. 17 ha großer Baggersee entstanden, den der Kläger zu 1 seinen Mitgliedern als Fischwasser zur Verfügung stellt. Das umliegende, rd. 6 ha große und bereits rekultivierte Gelände dient zur Erholung.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) beurteilte das bezeichnete Vermögen des Klägers zu 1 als eine wirtschaftliche Einheit i. S. des Bewertungsgesetzes (BewG), und zwar als einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft, und stellte dessen Einheitswert auf den 1. Januar 1976 neu fest (Zurechnungsfortschreibung). Außerdem setzte er durch Bescheid vom 20. Oktober 1976 den Grundsteuermeßbetrag "für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft in G" auf 57 DM fest.

Gegen den Grundsteuermeßbescheid legte der Kläger zu 1 Einspruch ein mit der Begründung, er nutze den bezeichneten Grundbesitz nicht land- und forstwirtschaftlich, sondern "lediglich zu rein sportlichen Zwecken und für Freizeit und Erholung". Er sei vom FA als gemeinnütziger Verein ausgewiesen. Sportfischerei sei keine Binnenfischerei. Das FA hat den Einspruch zurückgewiesen.

2. Der Kläger und Revisionskläger zu 2 (Kläger zu 2) ist ein eingetragener Verein, zu dessen satzungsmäßigen Aufgaben es gehört, das waidgerechte Sportfischen zu verbreiten, zu fördern und zu verbessern, sowie Fischgewässer zu erwerben und zu erhalten. Er ist vom FA "wegen Förderung des Sportes und des Umweltschutzes vorläufig als ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dienend" anerkannt worden. Ihm stehen Fischereirechte an der B zu im Gebiet der Gemeinden X und Y. Dort dürfen seine Mitglieder die waidgerechte Sportfischerei ausüben.

Das FA beurteilte die Fischereirechte als eine wirtschaftliche Einheit i. S. des BewG, und zwar als einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft, und stellte dessen Einheitswert auf den 1. Januar 1974 nachträglich fest (Nachfeststellung). Außerdem setzte es durch Bescheid vom 25. Juni 1976 den Grundsteuermeßbetrag "für den Betrieb der Land- und Forstwirtschaft in Gem. X u. Y Fischereirechte" auf den 1. Januar 1974 auf 6 DM fest (Hauptveranlagung).

Gegen den Grundsteuermeßbescheid legte der Kläger zu 2 Einspruch ein mit der Begründung, er benutze das bezeichnete Vermögen ausschließlich und unmittelbar zu gemeinnützigen Zwecken, insbesondere "zur Ausübung der Sportfischerei, und nicht zur Binnenfischerei".

Beide Kläger haben Klage erhoben und jeweils begehrt, den Grundsteuermeßbescheid und die dazu ergangene Einspruchsentscheidung ersatzlos aufzuheben. Das Finanzgericht (FG) hat beide Klagen zu gemeinsamer Verhandlung und Entscheidung verbunden und sie abgewiesen. Die angefochtenen Grundsteuermeßbescheide seien rechtmäßig. Das bezeichnete Vermögen der Kläger sei bewertungsrechtlich jeweils als ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft zu beurteilen und werde demzufolge auch i. S. des § 6 des Grundsteuergesetzes (GrStG) "land- und forstwirtschaftlich genutzt", nämlich zur Binnenfischerei. Zur Binnenfischerei gehöre es auch, wenn ein Fischereiberechtigter die Ausübung seines Fischereirechts Personen übertragen habe, die den Fischfang nur aus Liebhaberei oder als Sport betrieben. Das habe der Bundesfinanzhof (BFH) ausgesprochen in seinem Urteil vom 20. November 1959 III 197/58 U (BFHE 70, 550, 555, BStBl III 1960, 205, 206). Dieser Auffassung schließe sich das FG an.

Mit ihrer vom BFH wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision rügen die Kläger Verletzung des § 6 GrStG und des § 76 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Sie beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Kläger ist zurückzuweisen, weil sie unbegründet ist (§ 126 Abs. 2 FGO).

Das FG hat die angefochtenen Grundsteuermeßbescheide im Ergebnis zutreffend für rechtmäßig erachtet. Für diese Beurteilung kann dahingestellt bleiben, ob jeder der Kläger nach seiner Satzung und nach seiner tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dient und den bezeichneten Grundbesitz unmittelbar für gemeinnützige Zwecke benutzt, wie dies die in § 3 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b GrStG normierte Grundsteuerbefreiung voraussetzt. Denn selbst wenn diese Voraussetzungen gegeben wären, könnte die Befreiungsvorschrift ihre Wirkung nicht entfalten, weil die Kläger ihren Grundbesitz zugleich land- und forstwirtschaftlich nutzen. In diesem Fall gilt aber die Befreiung nur für Grundbesitz, der Lehr- oder Versuchszwecken dient, der von der Bundeswehr als Übungsplatz oder Flugplatz benutzt wird, der dem Gottesdienst einer Religionsgesellschaft gewidmet ist, der der Totenbestattung, dem öffentlichen Verkehr oder den Einrichtungen zur Ordnung und Verbesserung der Wasser- und Bodenverhältnisse dient (§ 6 GrStG). Diese Einschränkung der Steuerbefreiung hat ihren Grund darin, daß land- und forstwirtschaftlich genutzter Grundbesitz "im Interesse des Grundsteueraufkommens der kleinen ländlichen Gemeinden grundsätzlich steuerpflichtig sein" muß (Gesetzesbegründung BTDrucks 7/78 S. 45, BTDrucks VI/3418 S. 81 zu § 6).

Die Kläger sind demgegenüber der Ansicht, sie nutzten ihren Grundbesitz nicht land- und forstwirtschaftlich, denn die Sportfischerei gehöre nicht zur Binnenfischerei i. S. des § 62 Abs. 1 Nr. 1 BewG.

Diese Ansicht steht nicht in Einklang mit dem Gesetz.

Zwar läßt sich die Beurteilung, daß die Kläger ihren Grundbesitz "zugleich land- und forstwirtschaftlich genutzt" haben, nicht schon - wie das FG anzunehmen scheint - aus der Erwägung gewinnen, daß das FA im jeweiligen Einheitswertbescheid festgestellt hatte, jener Grundbesitz sei ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft mit sonstiger land- und forstwirtschaftlicher Nutzung "Binnenfischerei" (§ 62 Abs. 1 Nr. 2 BewG).

Denn § 6 GrStG setzt nicht voraus, daß der zu beurteilende Grundbesitz bewertungsrechtlich die Eigenschaft eines Betriebs der Land- und Forstwirtschaft hat, sondern daß er tatsächlich land- und forstwirtschaftlich genutzt wird. Auf die Motive der land- und forstwirtschaftlichen Nutzung kommt es nicht an.

"Grundbesitz" in diesem Sinne (§ 2 GrStG) ist nicht nur das Grundstück des Klägers zu 1, sondern sind auch die Fischereirechte des Klägers zu 2, denn sie hängen zusammen mit der Ausnützung eines Grundstücks und werden deshalb von der Grundsteuer miterfaßt (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs vom 26. November 1943 III 24/43, RStBl 1944, 51, 52). "Genutzt" wird der Grundbesitz dadurch, daß die Mitglieder der Kläger in den bezeichneten Gewässern fischen, d. h. dort lebende Fische hegen, fangen und sich aneignen. Ob sie dies tun in der Absicht, möglichst viele Fische zu erbeuten oder lediglich, um sich zu erholen und sportlich zu betätigen, ist unerheblich. Auch kommt es nicht darauf an, ob sie als Fanggeräte nur die Handangel oder auch Netze und Reusen verwenden. "Land- und forstwirtschaftlich" genutzt wird der bezeichnete Grundbesitz, weil der nicht gewerbliche Fischfang eine Form der Nutzung tierischer landwirtschaftlicher Urproduktion ist. Deshalb gehört nach dem BewG die Fischerei in stehenden und fließenden Gewässern zur "sonstigen land- und forstwirtschaftlichen Nutzung" (§ 62 Abs. 1 Nr. 1 BewG).

Die Kläger rügen mangelnde Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 FGO): Das FG habe trotz ihres dahingehenden Antrags keinen Sachverständigen gehört zu der Frage, "ob unter den Begriff der Binnenfischerei als Teil der landwirtschaftlichen Nutzung auch die Ausübung der Sportfischerei fällt". Diese Verfahrensrüge ist schon deshalb unbegründet, weil die von den Klägern aufgeworfene Frage die Auslegung von Gesetzesnormen betrifft, dies aber nicht eine Aufgabe des Sachverständigen, sondern des Gerichts ist.