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BFH-Beschluß vom 6.8.1985 (VII B 3/85) BStBl. 1985 II S. 672

Zur Frage der Aussetzung des finanzgerichtlichen Verfahrens bei Aufrechnung mit rechtswegfremden Gegenforderungen.

FGO §§ 74, 155; ZPO § 322 Abs. 2.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) machte bei dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) den Anspruch auf Lohnsteuererstattung für das Kalenderjahr 1980 der Eheleute T geltend, der ihr zur Sicherung eines Darlehens verpfändet worden war. Das FA lehnte die Erstattung des Guthabens aus dem Lohnsteuer-Jahresausgleich an die Klägerin ab, weil das Land Berlin, vertreten durch das Bezirksamt Spandau, mit übergeleiteten Unterhaltsansprüchen gegen T (§ 90 des Bundessozialhilfegesetzes - BSHG -) gegen dessen an die Klägerin verpfändeten Steuererstattungsanspruch aufgerechnet hatte. Der Einspruch der Klägerin gegen den ihr erteilten Abrechnungsbescheid blieb erfolglos.

Die Klägerin wendet sich in dem vor dem Finanzgericht (FG) anhängigen Klageverfahren gegen die Wirksamkeit der Aufrechnung und bestreitet die Aufrechnungsforderung des Landes Berlin der Höhe nach.

Das FG hat das Verfahren gemäß § 74 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ausgesetzt, bis über die zur Aufrechnung gestellte Forderung des Landes Berlin rechtskräftig entschieden worden sei. Zur Begründung führte das FG aus, für die Entscheidung über diese Forderung sei nicht der Rechtsweg zu den FG, sondern der Zivilrechtsweg gegeben.

Mit der Beschwerde beantragt die Klägerin sinngemäß, den Aussetzungsbeschluß des FG aufzuheben. Sie ist der Ansicht, eine Aufspaltung des Rechtsstreits in einen der Finanzgerichtsbarkeit und einen der Zivilgerichtsbarkeit unterliegenden Teil würde der Einheitlichkeit des Verfahrens widersprechen und zusätzliche Kosten und Zeitverluste verursachen.

Das FA beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist begründet. Das FG war zwar befugt, das Verfahren auszusetzen. Es hätte aber in diesem Falle dem FA eine Frist zur Klärung der umstrittenen Gegenforderung auf dem Zivilrechtsweg setzen müssen.

I. 1. Das Land Berlin hat als Schuldnerin des Steuererstattungsanspruchs (§ 226 Abs. 4 der Abgabenordnung - AO 1977 -) gegenüber der Klägerin als Zessionarin dieses Anspruchs mit Unterhaltsansprüchen gegen den Zedenten aufgerechnet (§ 226 Abs. 1 AO 1977, §§ 387, 406 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -), die es durch Überleitungsanzeige gemäß § 90 Abs. 1 BSHG auf sich übergeleitet hatte. Die Überleitungsanzeige als Verwaltungsakt (vgl. § 90 Abs. 3 BSHG) hat die Wirkung einer Abtretung. Sie läßt die Rechtsnatur des übergeleiteten Anspruchs - hier der zivilrechtlichen Unterhaltsansprüche gegen den Zedenten - unberührt. Die übergeleiteten bürgerlich-rechtlichen Ansprüche sind im Streitfall vor den ordentlichen Gerichten geltend zu machen (Knopp/Fichtner, Bundessozialhilfegesetz, 5. Aufl., § 90 Anm. 22, 24, 31).

2. Die fortbestehende Rechtsnatur der übergeleiteten Unterhaltsansprüche als zivilrechtliche Ansprüche steht ihrer Aufrechnung gegenüber dem abgetretenen Steuererstattungsanspruch nicht entgegen. Die Aufrechnung mit zivilrechtlichen Ansprüchen gegen öffentlich-rechtliche Ansprüche und umgekehrt ist, soweit die allgemeinen Voraussetzungen der Aufrechnung gegeben sind und das Gesetz keine Einschränkungen enthält, grundsätzlich zulässig (vgl. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 11. Januar 1955 I ZR 106/53, BGHZ 16, 124, 127; Urteil des Bundessozialgerichts - BSG - vom 26. Juni 1963 I RA 21/60, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1963, 1844; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 226 AO 1977 Tz. 2). Der Senat hat bereits in mehreren Entscheidungen die Zulässigkeit der auch im Streitfall vorgenommenen Aufrechnung mit übergeleiteten Unterhaltsansprüchen durch das Land Berlin, vertreten durch das Bezirksamt bzw. das FA, gegen Steuererstattungsansprüche bejaht (vgl. Urteil vom 4. Oktober 1983 VII R 143/82, BFHE 139, 487, BStBl II 1984, 178).

Die Aufrechnung ist auch dann zulässig und materiell-rechtlich wirksam, wenn Forderung und Gegenforderung in verschiedenen Verfahrensarten - im Streitfall: der Steuererstattungsanspruch vor dem FG, die übergeleiteten Unterhaltsansprüche vor dem Zivilgericht - geltend zu machen sind (BGHZ 16, 124, 127). Hier bestehen keine verfahrensmäßigen Schwierigkeiten, wenn die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung unstreitig ist oder sie von der zuständigen Verwaltungsbehörde oder dem zuständigen Gericht rechtskräftig festgestellt worden ist. Der Richter, der zur Entscheidung über die Klageforderung zuständig ist, braucht dann über das Bestehen der Gegenforderung nicht zu entscheiden. Mit der Entscheidung darüber, ob die vom Beklagten erklärte Aufrechnung mit der (unstreitigen oder rechtskräftig festgestellten) Gegenforderung zulässig war und ganz oder teilweise zum Erlöschen der Klageforderung geführt hat, verbleibt er innerhalb des ihm gesetzlich zugewiesenen Zuständigkeitsbereichs. Verfahrensrechtliche Probleme, die die materiell-rechtliche Zulässigkeit der Aufrechnung indessen nicht hindern, wirft die Aufrechnung mit einer Gegenforderung, für die ein anderer Rechtsweg als die Klageforderung gegeben ist, dagegen dann auf, wenn diese - wie im Streitfall - nicht rechtskräftig festgestellt ist und vom Kläger bestritten wird.

3. a) Nach allgemeinen Verfahrensgrundsätzen kann das Gericht über Vorfragen, von denen die Entscheidung des bei ihm anhängigen Rechtsstreits abhängig ist, auch dann entscheiden, wenn ihre klageweise Geltendmachung in diesem Rechtsweg nicht zulässig wäre (vgl. BGHZ 16, 127, 134, BSG-Urteil vom 11. Dezember 1968 10 RV 606/65, NJW 1969, 1368). Das Gericht kann aber nach der übereinstimmenden Regelung aller Verfahrensordnungen (§ 148 der Zivilprozeßordnung - ZPO -, § 74 FGO, § 94 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -, § 114 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -), wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, auch anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei. Das Reichsgericht (RG) hatte dementsprechend im Falle der Aufrechnung mit einer streitigen öffentlich-rechtlichen Gegenforderung dem Zivilrichter ein Wahlrecht gegeben, ob er nach § 148 ZPO aussetzen oder selbst über das Bestehen der Gegenforderung entscheiden wolle (Rechtsprechungshinweise in BGHZ 16, 124, 130; ebenso BSG-Urteil in NJW 1979, 1368, für den Fall der Aufrechnung in einem Sozialrechtsstreit mit einer bestrittenen Gegenforderung, die in den Entscheidungsbereich der allgemeinen Verwaltungsgerichte fällt).

Dagegen sieht der BGH die Befugnis des Zivilrichters, über rechtswegfremde Vorfragen in eigener Zuständigkeit zu entscheiden, dann nicht mehr als gegeben an, wenn damit eine der Rechtskraft fähige Entscheidung über solche Fragen erginge, die dem Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten entzogen sind (BGHZ 16, 124, 134). Das sei hinsichtlich der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung, für die ein anderer Rechtsweg gegeben ist, der Fall. Denn nach § 322 Abs. 2 ZPO sei die Entscheidung, daß die Gegenforderung nicht bestehe, bis zur Höhe des Betrages, für den die Aufrechnung geltend gemacht worden ist, der materiellen Rechtskraft fähig. Die Entscheidung des Zivilrichters über das Nichtbestehen der zur Aufrechnung gestellten öffentlich-rechtlichen Forderung würde also die über diese Forderung an sich entscheidungsbefugten Verwaltungsgerichte binden. Der BGH halte deshalb, wenn im Zivilrechtsweg mit einer öffentlich-rechtlichen Gegenforderung aufgerechnet wird, die klageweise nur im Verwaltungsrechtsweg geltend gemacht werden kann, die Aussetzung der Verhandlung (§ 148 ZPO) mit Rücksicht auf die Rechtskraftwirkung nach § 322 Abs. 2 ZPO aus Rechtsgründen für geboten (BGHZ 16, 124, 138). Zum gleichen Ergebnis gelangen das Hamburgische Oberverwaltungsgericht - OVG - (Beschluß vom 27. Mai 1950 Bs I 95/50, Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR - 1951, 314) für den umgekehrten Fall, daß gegen einen verwaltungsgerichtlichen Kostenerstattungsanspruch mit einem privatrechtlichen Schadensersatzanspruch aufgerechnet wird, und das BSG im Urteil in NJW 1963, 1844 für die Aufrechnung des Versicherungsträgers im sozialgerichtlichen Verfahren mit einer bürgerlich-rechtlichen Ersatzforderung als Gegenforderung gegen den Rentenanspruch des Klägers (ebenso Eyermann/Fröhler, Verwaltungsgerichtsordnung, Kommentar, 8. Aufl., § 40 Rdnrn. 36 bis 40).

b) Da § 74 FGO (ebenso wie die § 94 VwGO, § 114 Abs. 2 SGG) dem § 148 ZPO entspricht und § 322 Abs. 2 ZPO nach § 155 FGO im FG-Prozeß entsprechend anzuwenden ist (ebenso im Verwaltungs- und Sozialgerichtsprozeß, § 173 VwGO, § 141 Abs. 2 SGG), liegt es nahe, die von den vorgenannten Gerichten entwickelten Rechtsgrundsätze auch dann anzuwenden, wenn - wie im Streitfall - im FG-Prozeß mit einer bürgerlich-rechtlichen Forderung, die klageweise nur vor den Zivilgerichten geltend gemacht werden könnte, gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis aufgerechnet wird (ebenso List in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 74 FGO Anm. 10). Die angefochtene Entscheidung des FG, das Verfahren mit Rücksicht darauf, daß die Klägerin den zur Aufrechnung gestellten übergeleiteten Unterhaltsanspruch der Höhe nach bestritten hat, gemäß § 74 FGO bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Gegenforderung auszusetzen, wäre demnach grundsätzlich nicht zu beanstanden.

Für die Entscheidung über die Aussetzungsbefugnis der Vorinstanz kann dahingestellt bleiben, ob im Streitfall die Aussetzung des Verfahrens nur zulässig oder entsprechend den Ausführungen des BGH zwingend geboten war. Da das Bestehen oder Nichtbestehen der in den Entscheidungsbereich der Zivilgerichte fallenden Aufrechnungsgegenforderung für die Entscheidung über den geltend gemachten Steuererstattungsanspruch vorgreiflich war (vgl. List, a. a. O., § 74 FGO Anm. 3), lag es jedenfalls im Ermessen des FG, das Verfahren gemäß § 74 FGO auszusetzen. Im Hinblick auf den Streit der Beteiligten über Bestand und Höhe der übergeleiteten Unterhaltsansprüche war es trotz der damit verbundenen Prozeßverzögerung auch nicht ermessenswidrig, hierüber das nach der Rechtswegzuweisung des Gesetzes zuständige Gericht entscheiden zu lassen.

c) Der Senat setzt sich mit dieser Rechtsauffassung nicht in Widerspruch zu seinem von der Klägerin angeführten Urteil in BFHE 139, 487, BStBl II 1984, 178 und ähnlichen Entscheidungen, in denen er für vergleichbare Sachverhalte (Klage und Revision von Zessionaren von Steuererstattungsansprüchen) die Sache an das FG zurückverwiesen hatte, damit dieses tatsächliche Feststellungen über das Bestehen und die Höhe der übergeleiteten Unterhaltsansprüche, mit denen aufgerechnet worden war, treffen solle. In den genannten Entscheidungen wird zur Frage der Aussetzung des Verfahrens nicht Stellung genommen. Aus ihnen geht lediglich hervor, daß die Feststellungen über die Aufrechnungsgegenforderungen für eine Entscheidung des Revisionsgerichts nicht ausreichten. Das schließt aber nicht aus, daß das FG, an das die Sachen zurückverwiesen worden sind, die ihm aufgegebene Prüfung des Bestehens dieser Forderung dem Grunde und der Höhe nach auf dem Wege über die Aussetzung des Verfahrens gemäß § 74 FGO durch das nach der Rechtswegzuweisung für diese Forderung zuständige Gericht vornehmen läßt.

d) Im übrigen brauchte der Senat in seinen zurückverweisenden Entscheidungen auf die Frage der Aussetzung des Verfahrens auch deshalb nicht einzugehen, weil es sich nicht um Fälle handelte, in denen nach der vom BGH begründeten Rechtsprechung die Aussetzung aus Rechtsgründen geboten war. Die Sachverhalte in den angeführten Entscheidungen waren - ebenso wie im Streitfall - so gelagert, daß das Land Berlin mit seiner übergeleiteten zivilrechtlichen Forderung gegen den Steuerpflichtigen gegenüber einer Bank als Klägerin und Zessionarin des abgetretenen Steuererstattungsanspruchs aufgerechnet hatte. In den Fällen, in denen ein Zessionar klagt und ihm gegenüber nach § 406 BGB mit einer Forderung gegen den Zedenten aufgerechnet wird, kann es nicht zu der Rechtskraftwirkung nach § 322 Abs. 2 ZPO kommen, die den BGH veranlaßt hat, die Aussetzung der Verfahren bei der Aufrechnung mit rechtswegfremden streitigen Forderungen zwingend vorzusehen. Denn die Rechtskraft eines Urteils wirkt nur zwischen den Beteiligten des Verfahrens und ihren Rechtsnachfolgern (§ 110 Abs. 1 FGO, § 325 Abs. 1 ZPO, § 121 VwGO, § 141 Abs. 1 SGG), nicht aber gegenüber dem Zedenten als dem Rechtsvorgänger des an dem Prozeß beteiligten Zessionars. Würde also in den bisher vom Senat zurückverwiesenen Fällen - und ebenso auch im Streitfall - vom FG selbst entschieden, daß die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung nicht besteht, so wäre das Land Berlin durch die Rechtskraft des FG-Urteils nicht gehindert, den auf ihn übergeleiteten Unterhaltsanspruch nochmals vor den ordentlichen Gerichten gegen den Steuerpflichtigen (Zedenten) geltend zu machen, da dieser nicht Beteiligter oder Rechtsnachfolger eines Beteiligten im FG-Prozeß war. Daß aber im Streitfall die Aussetzung des Verfahrens durch das FG, auch wenn sie nicht geboten war, nach § 74 FGO jedenfalls zulässig ist, wurde bereits ausgeführt.

II. Die Beschwerde führt aber zur Aufhebung des angefochtenen Aussetzungsbeschlusses, weil das FG das anzuwendende Verfahren bei der Aussetzung der Verhandlung verkannt hat.

1. § 74 FGO verlangt seinem Wortlaut nach, daß der Rechtsstreit bei dem anderen Gericht anhängig sei, während er zuläßt, das Verfahren vor einer Verwaltungsbehörde erst in Gang zu bringen. Allgemein wird jedoch die Ansicht vertreten, daß im Interesse der Prozeßökonomie und zur Vermeidung widerstreitender Entscheidungen dem in Frage kommenden Beteiligten unter Fristsetzung aufgegeben werden kann, den Rechtsstreit bei dem anderen Gericht anhängig zu machen (vgl. § 151 ZPO), und daß das Verfahren zu diesem Zweck ausgesetzt werden kann (vgl. BGHZ 16, 124, 140, BSG-Urteil in NJW 1963, 1844; Eyermann/Fröhler, a. a. O., § 94 Rdnr. 4; Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 74 Anm. 7). Im Falle der Aufrechnung mit einer rechtswegfremden umstrittenen Gegenforderung ist die Frist zur Erhebung der Klage auf Feststellung der Gegenforderung in dem für diese zuständigen Rechtsweg dem aufrechnenden Beteiligten zu setzen. Erhebt der Aufrechnende die Klage vor dem anderen Gericht nicht innerhalb der ihm gesetzten Frist, so kann das Gericht in dem anhängigen Verfahren das Bestehen der Gegenforderung als nach den Grundsätzen der objektiven Beweislast nicht erwiesen behandeln (BGH: Zurückweisung der Aufrechnung nach § 279 ZPO a. F.) und ohne Berücksichtigung der Aufrechnung entscheiden. Durch eine Entscheidung dieses Inhalts, die keine Rechtskraftwirkung nach § 322 Abs. 2 ZPO hat, wäre der aufrechnende Beklagte auch im Falle des Prozesses mit dem ursprünglichen Gläubiger der Klageforderung - also nicht wie im Streitfall Aufrechnung nach § 406 BGB - nicht gehindert, die behauptete Gegenforderung später noch auf dem zuständigen Rechtsweg einzuklagen (BGHZ 16, 124, 140; BSG-Urteil in NJW 1963, 1844; Eyermann/Fröhler, a. a. O., § 40 Rdnr. 40, § 94 Rdnr. 4).

2. Die Vorinstanz hat diese Rechtsgrundsätze nicht beachtet. Sie hat das Verfahren nach § 74 FGO ausgesetzt, ohne daß ein Rechtsstreit zur Klärung der umstrittenen Gegenforderung bei dem hierfür zuständigen Zivilgericht anhängig war und ohne dem FA als Aufrechnenden eine Frist zur Erhebung dieser Klage zu setzen. Damit läßt das FG den bei ihm anhängigen Rechtsstreit auf unabsehbare Zeit in der Schwebe und verweigert der Klägerin den begehrten Rechtsschutz. Denn das FA ist nicht gezwungen, zur Vermeidung seiner Verurteilung hinsichtlich des mit der Klage geltend gemachten Steuererstattungsanspruchs seinerseits Klage zu erheben. Das FG hat offensichtlich auch verkannt, daß es Sache des aufrechnenden FA wäre, den Bestand der streitigen Gegenforderung bis zum Zeitpunkt der Aufrechnungserklärung auf dem Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten feststellen zu lassen. Denn das Gericht hat nicht das FA, sondern die Klägerin darauf hingewiesen, daß es ihr im Falle der Aussetzung des Verfahrens überlassen bleibe, das Nichtbestehen der Forderung zivilgerichtlich feststellen zu lassen.

Einer Verpflichtung des FA, im Falle der Aussetzung des finanzgerichtlichen Verfahrens den Bestand der streitigen Gegenforderung zivilgerichtlich klären zu lassen, stünde nicht entgegen, daß diesem bzw. dem Land Berlin der übergeleitete Unterhaltsanspruch nicht gegen die Klägerin, der gegenüber nach § 406 BGB aufgerechnet worden ist, sondern nur gegen den Zedenten der Klageforderung zustehen kann. Ebenso wie die Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO nicht voraussetzt, daß das vorgreifliche Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten des anhängigen Rechtsstreits besteht, kann auch auf dem Wege der zivilgerichtlichen Feststellungsklage (§ 256 ZPO) Klage auf Feststellung des Bestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, das nicht unmittelbar zwischen den Prozeßparteien, sondern zu einem Dritten besteht (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, Zivilprozeßordnung mit Nebengesetzen, 12. Aufl., § 256 Anm. 3 a; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 43. Aufl., § 256 Anm. 2 B). An dem Vorliegen des hierfür erforderlichen Feststellungsinteresses des FA (Land Berlin) bestünden im Falle der Aussetzung des finanzgerichtlichen Verfahrens zum Zwecke der Feststellung dieses Rechtsverhältnisses keine Zweifel.

3. Da die Vorinstanz das bei der Aussetzung nach § 74 FGO anzuwendende Verfahren verkannt hat, ist der angefochtene Beschluß fehlerhaft und aufzuheben. Das FG wird erneut eine Ermessensentscheidung darüber treffen müssen, ob es das bei ihm anhängige Verfahren unter Beachtung der aufgezeigten Rechtsgrundsätze bis zu einer herbeizuführenden Entscheidung eines Zivilgerichts über das Bestehen der Aufrechnungsgegenforderung aussetzt oder ob es selbst über das vorgreifliche Rechtsverhältnis entscheidet.