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BFH-Urteil vom 13.8.1985 (IX R 10/80) BStBl. 1985 II S. 709

Entgeltlich im Austausch mit einer Gegenleistung übernommene dauernde Lasten können nur insoweit als Sonderausgaben abgezogen werden, als der Wert der wiederkehrenden Leistungen den Wert der Gegenleistung übersteigt (Fortführung von BFH-Urteil vom 16. September 1965 IV 67/61 S, BFHE 83, 568, BStBl III 1965, 706).

EStG 1974/1975 § 10 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Nr. 2.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammenveranlagte Eheleute. Der Kläger erhielt aufgrund des "Leibrentenvertrages" vom 25. Mai 1974 von seinen Eltern 12.000 DM. Hierfür verpflichtete er sich, seinen Eltern eine "Leibrente" von monatlich 170 DM, beginnend mit dem 1. Juli 1974, zu zahlen. Mit dem Tod des Vaters sollte sich die "Leibrente" auf 130 DM monatlich ermäßigen. Die Höhe der Verpflichtung des Klägers war im übrigen mit einer Wertsicherungsklausel verbunden und unterlag der Anpassung entsprechend dem Rechtsgedanken des § 323 der Zivilprozeßordnung (ZPO).

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ließ bei seiner Veranlagung der Kläger zur Einkommensteuer für die Streitjahre 1974 und 1975 die Zahlungen des Klägers an seine Eltern in Erfüllung des Vertrages vom 25. Mai 1974 von 1.020 DM im Jahre 1974 und 2.040 DM im Jahre 1975 nicht als dauernde Last zum Abzug nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes 1974/1975 (EStG) zu. Er erblickte hierin Kapitalrückzahlungen auf die 12.000 DM, weil der Kläger diesen Betrag darlehensweise von seinen Eltern empfangen habe.

Die Klage hatte Erfolg. In seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1981, 236 veröffentlichten Urteil berücksichtigte das Finanzgericht (FG) die Leistungen des Klägers an seine Eltern als dauernde Lasten. Zwar habe das Rechtsgeschäft zwischen dem Kläger und seinen Eltern darlehensähnlichen Charakter; jedoch könne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht gefolgt werden, nach der in solchen Fällen zunächst der Wert der Leistung und derjenige der Gegenleistung zu verrechnen seien. Für eine solche Einschränkung des Abzugs von dauernden Lasten gebe weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG etwas her.

Mit seiner vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Die Leistungen des Klägers an seine Eltern hätten vorwiegend Unterhaltscharakter. Dem empfangenen Geldbetrag von 12.000 DM stehe ein kapitalisierter Barwert der Versorgungsverpflichtung des Klägers von 19.768 DM gegenüber.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist begründet.

Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Entscheidung in der Sache selbst (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das angefochtene Urteil war aufzuheben, weil das FG die Leistungen des Klägers an seine Eltern von 1.020 DM im Jahre 1974 und von 2.040 DM im Jahre 1975 unzutreffend als dauernde Last i. S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG im Rahmen der Sonderausgaben zum Abzug zugelassen hat.

Dauernde Lasten nach dieser Vorschrift sind wiederkehrende, nach Zahl oder Wert nicht gleichmäßige Aufwendungen, die ein Steuerpflichtiger in Geld oder Sachwerten für längere Zeit einem anderen gegenüber aufgrund einer rechtlichen Verpflichtung zu erbringen hat (vgl. BFH-Urteile vom 3. Dezember 1964 IV 99/62 U, BFHE 81, 458, BStBl III 1965, 166; vom 17. April 1980 IV R 207/75, BFHE 130, 491, BStBl II 1980, 639).

a) Der Kläger schuldete seinen Eltern aufgrund des Vertrages vom 25. Mai 1974 wiederkehrende Geldleistungen in nicht stets gleichbleibender Höhe im vorstehenden Sinne. Die Vertragsparteien haben in dem Vertrag ausdrücklich vereinbart, daß die Höhe der Zahlungen entsprechend dem Rechtsgedanken des § 323 ZPO gegebenenfalls angepaßt werden soll. Der erkennende Senat hat bereits in seinem Urteil vom 30. Oktober 1984 IX R 2/84 (BFHE 143, 317) in Fällen der vorliegenden Art zur Unterscheidung zwischen einer Leibrente und einer dauernden Last maßgeblich auf die Vereinbarung einer entsprechenden Abänderungsklausel abgestellt.

b) Auch wenn die wiederkehrenden Leistungen des Klägers auf einem besonderen Verpflichtungsgrund i. S. von § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG, nämlich dem Vertrag vom 25. Mai 1974 beruhen, so könnten sie dennoch möglicherweise - der Rüge des FA folgend - nicht als dauernde Last, sondern lediglich als freiwillige Unterhaltsleistungen des Klägers an seine Eltern entsprechend § 12 Nr. 2 EStG zu werten sein. Es ist nicht auszuschließen, daß der Kläger die Verpflichtung zu wiederkehrenden Leistungen nicht im Hinblick auf die von seinen Eltern empfangenen 12.000 DM, sondern auf das zwischen ihnen bestehende Verwandtschaftsverhältnis übernommen hat. Das FA weist in diesem Zusammenhang zutreffend darauf hin, daß dem erhaltenen Geldbetrag von 12.000 DM ein kapitalisierter Barwert der Versorgungsverpflichtung des Klägers von 19.768 DM gegenüberstehe.

Der Senat braucht diese Frage jedoch nicht abschließend zu entscheiden. Denn selbst wenn er zugunsten des Klägers von dessen Vortrag ausgehen würde, seine wiederkehrenden Zahlungen seien die Gegenleistung für die empfangenen 12.000 DM, so daß damit eine dauernde Last grundsätzlich zu bejahen wäre, so scheitert dennoch ein Abzug der Zahlungen als Sonderausgaben während der Streitjahre 1974 und 1975 an der gebotenen Verrechnung des Wertes von Leistung und Gegenleistung.

c) Entgeltlich im Austausch mit einer Gegenleistung übernommene dauernde Lasten können nur insoweit als Sonderausgaben abgezogen werden, als der Wert der wiederkehrenden Leistungen den Wert der Gegenleistung übersteigt. Eine solche Wertverrechnung hatte die Rechtsprechung früher mit jeglichem Gegenwert, der im Zusammenhang mit einem Versprechen wiederkehrender Leistungen erlangt wird, für notwendig gehalten. Dem lag die Erwägung zugrunde, daß insoweit Leistungen und Gegenleistung lediglich zu einer Vermögensumschichtung führen. Inzwischen hat die Rechtsprechung von einer Wertverrechnung bei Altenteilsleistungen abgesehen, die im Zusammenhang mit Vermögensübertragungen in vorweggenommener Erbfolge versprochen werden, weil in diesen Fällen nicht Leistung und Gegenleistung ausgetauscht werden. Der Übernehmer erhält das übertragene Vermögen vielmehr mit der Auflage geschenkt, den Übertragenden zu versorgen. Die Rechtsprechung hat jedoch auch weiterhin an einer Verrechnung der Werte von Leistung und Gegenleistung bei kauf- und darlehensähnlichen Vorgängen festgehalten (vgl. zum Vorstehenden den ähnlich gelagerten Fall BFH-Urteile vom 28. Juni 1963 VI 321/61 U, BFHE 77, 287, BStBl III 1963, 424, und vom 16. September 1965 IV 67/61 S, BFHE 83, 568, BStBl III 1965, 706, sowie vom 27. September 1973 VIII R 71/69, BFHE 111, 33, BStBl II 1974, 101).

Der erkennende Senat schließt sich dieser Rechtsprechung mit der Maßgabe an, daß er eine Wertverrechnung bei kauf- und darlehensähnlichen Vorgängen und darüber hinaus in allen Fällen für geboten erachtet, in denen wiederkehrende Leistungen im Austausch mit einer Gegenleistung erbracht werden. In allen diesen Fällen führt der Leistungsaustausch zunächst nicht zu einer Minderung der Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen, der mit dem Abzug als dauernde Last nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG Rechnung getragen werden soll, sondern nur zu einer Vermögensumschichtung, solange der Wert der wiederkehrenden Leistungen noch nicht den Wert der Gegenleistung übersteigt.

d) Im vorliegenden Falle ist Gegenstand des Vertrages vom 25. Mai 1974 nicht eine Vermögensübertragung der Eltern auf den Kläger in vorweggenommener Erbfolge verbunden mit der Auflage, die Eltern durch laufende Geldzahlungen zu versorgen.

Die Leistung der Eltern besteht vielmehr in der Überlassung eines Kapitalbetrages von 12.000 DM und die des Klägers in einem Entgelt für die Kapitalnutzung und einer auf Lebenszeit seiner Eltern verteilten Kapitalrückzahlung. Der Senat beurteilt daher das Rechtsgeschäft zwischen dem Kläger und seinen Eltern als einen darlehensähnlichen Vorgang. Aus diesem Grunde muß eine Wertverrechnung vorgenommen werden. Die vom Kläger erstmals in den Streitjahren 1974 und 1975 erbrachten wiederkehrenden Leistungen von 1.020 und 2.040 DM übersteigen noch nicht den Gegenwert des empfangenen Kapitals von 12.000 DM zuzüglich des Wertes seiner Nutzung.

2. Die Sache ist spruchreif.

Die Klage ist nach den vorstehenden Ausführungen als unbegründet abzuweisen.