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BFH-Urteil vom 7.8.1985 (I R 309/82) BStBl. 1986 II S. 42

1. Eine Revision kann auf die Verletzung von Landesrecht (KiStG Hmb) gestützt werden, wenn das maßgebliche Abgabengesetz die Vorschriften der FGO für entsprechend anwendbar erklärt.

2. Ein Nachforderungsbescheid ist inhaltlich unbestimmt und deshalb nichtig, wenn er die festgesetzte Steuer ihrer Art nach nicht bezeichnet.

3. Die Festsetzung einer Kirchensteuer ist nur dann ihrer Art nach hinreichend bestimmt, wenn sich aus dem Steuerbescheid ergibt, für welche Konfessionszugehörigkeit Kirchensteuer erhoben wird.

EStG § 40a; KiStG Hmb § 2 Abs. 1, § 3 Abs. 1a, § 8 Satz 2, §§ 10, 11 Abs. 3; FGO § 100 Abs. 1 Satz 1, § 118 Abs. 1; AGFGO Hmb § 5a; AO 1977 § 119 Abs. 1, § 125 Abs. 1, § 157 Abs. 1 Satz 2, § 162 Abs. 1 Satz 1; AOAnpG Hmb § 1 Nr. 4.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) beschäftigte in der Zeit vom 1. Januar bis zum 30. Juni 1975 in seiner Steuerberaterpraxis vier Aushilfskräfte, für die er Lohnsteuer im Wege der Pauschalierung gemäß § 40a des Einkommensteuergesetzes (EStG) berechnete und an das damals zuständige Finanzamt H abführte. Im Rahmen einer Lohnsteueraußenprüfung stellte der Außenprüfer fest, daß der Kläger für die Aushilfskräfte keine Lohnkirchensteuer abgeführt hatte.

Das Finanzamt H nahm deshalb den Kläger durch Nachforderungsbescheid vom 23. Oktober 1979 für "Kirchensteuer für die Zeit vom 1.1.1975 bis 30.6.1975" in Höhe von 41,76 DM in Anspruch. Einspruch und Klage blieben erfolglos.

Mit der vom Bundesfinanzhof (BFH) durch Beschluß vom 22. September 1982 II B 21/82 zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 11 Abs. 3 des Kirchensteuergesetzes Hamburg (KiStG Hmb).

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung, den Lohnkirchensteuer-Nachforderungsbescheid vom 23. Oktober 1979 und die Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 1980 aufzuheben.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Dem Revisionsverfahren sind die Finanzbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg (Beigetretener zu 1.) gemäß § 122 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) und der Kirchenkreis Stormarn der Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche (Beigetretener zu 2.) gemäß § 5a des Hamburgischen Gesetzes zur Ausführung der FGO (AGFGO) vom 17. Dezember 1965 (Hamburgisches Gesetz- und Verordnungsblatt - GVBI HA - 1965, 225) i. d. F. vom 15. Oktober 1973 (GVBI HA 1973, 431) beigetreten. Die Beigetretenen haben keine Anträge gestellt.

Entscheidungsgründe

II.

A.

Die Revision ist zulässig.

Zwar kann nach § 118 Abs. 1 Satz 1 FGO eine Revision nur darauf gestützt werden, daß das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruhe. § 118 Abs. 1 Satz 2 FGO enthält jedoch eine Ausnahme zu diesem Grundsatz. Danach kann eine Revision auch auf die Verletzung von Landesrecht gestützt werden, wenn im Falle des § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO die §§ 115 bis 127 FGO durch Landesgesetz für entsprechend anwendbar erklärt worden sind. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Nach § 5 AGFGO ist der Finanzrechtsweg auch in öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten über Abgabenangelegenheiten gegeben, soweit die Abgaben der Landesgesetzgebung unterliegen und von Landesfinanzbehörden im Sinne des § 2 Abs. 1 des Finanzverwaltungsgesetzes (FVG) i. d. F. des Finanzanpassungsgesetzes vom 30. August 1971 (BGBl I, 1426), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Neufassung des Umsatzsteuergesetzes und zur Änderung anderer Gesetze vom 26. November 1979 (BGBl I 1979, 1953), verwaltet werden. Die Kirchensteuer unterliegt in Hamburg der Landesgesetzgebung (Art. 140 des Grundgesetzes - GG - i. V. m. Art. 137 Abs. 8 der Weimarer Verfassung - WV - vom 11. August 1919). Sie wird in Hamburg von Landesfinanzbehörden verwaltet (§ 10 KiStG Hmb i. V. m. § 1 der Verordnung über die Verwaltung von Kirchensteuern durch staatliche Behörden in der Freien und Hansestadt Hamburg vom 18. Dezember 1973, GVBI HA 1973, 532). Auf Steuern dieser Art sind gemäß § 1 Nr. 4 des Hamburgischen Abgabengesetzes vom 17. Februar 1976 i. d. F. des Gesetzes zur Anpassung von Gesetzen an die Abgabenordnung (AOAnpG) vom 31. Januar 1977 (BStBl I 1977, 188) die Vorschriften der FGO - also auch die §§ 115 bis 127 FGO - entsprechend anzuwenden (vgl. BFH-Beschluß vom 24. Juni 1969 II B 2/68, BFHE 96, 155, 157, BStBl II 1969, 663).

B.

Die Revision ist auch begründet.

Sie führt zur Aufhebung sowohl der Vorentscheidung als auch des angefochtenen Nachforderungsbescheides (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

1. Der angefochtene Nachforderungsbescheid ist fehlerhaft, weil er die festgesetzte Steuer ihrer Art nach nicht bezeichnet. Gemäß § 157 Abs. 1 Satz 2 der Abgabenordnung (AO 1977) müssen schriftliche Steuerbescheide die festgesetzte Steuer u. a. ihrer Art nach bezeichnen. Die Vorschrift ist zwingendes Recht. Ihre Verletzung führt zur inhaltlichen Unbestimmtheit des Steuerbescheides im Sinne des § 119 Abs. 1 AO 1977. Inhaltlich unbestimmte Steuerbescheide sind nichtig im Sinne des § 125 Abs. 1 AO 1977 (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 19. Januar 1922 III A 318/21, RFHE 8, 138).

2. Die Festsetzung einer Kirchensteuer ist im Sinne von § 157 Abs. 1 Satz 2 AO 1977 nur dann der Art nach hinreichend bezeichnet, wenn sich aus dem Steuerbescheid ergibt, für welche Konfessionsangehörigkeit Kirchensteuer erhoben wird. Dies ergibt sich mittelbar aus § 2 Abs. 1 KiStG Hmb. Die Vorschrift enthält den Rechtssatz, daß die Kirchensteuer einem der Kirche nicht angehörenden Dritten durch staatliches Gesetz nicht auferlegt werden darf (vgl. dazu Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Dezember 1965 1 BvL 31/62, 32/62, BVerfGE 19, 226). Daraus folgt im Umkehrschluß, daß vor jeder Kirchensteuerfestsetzung die Finanzbehörde die Konfessionszugehörigkeit der Person prüfen muß, die den die Kirchensteuerpflicht auslösenden Besteuerungstatbestand erfüllt haben soll. Die festzustellende Konfessionszugehörigkeit muß in dem Steuerbescheid dadurch zum Ausdruck gebracht werden, daß die Kirchensteuer z. B. als evangelische oder als römisch-katholische festgesetzt wird. Dies entspricht allein der in Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 8 WV getroffenen Regelung. Danach ist das Kirchensteuerrecht insoweit ein staatliches, als die Bundesländer Rahmengesetze erlassen, innerhalb derer die einzelnen Religionsgemeinschaften ein kirchliches Besteuerungsrecht verwirklichen können. Es bedarf jedoch der von den Religionsgemeinschaften zu erlassenden Kirchensteuerordnungen, um eine Kirchensteuerpflicht zu begründen. Entsprechend gibt es keine Kirchensteuerpflicht schlechthin, sondern es gibt nur konfessionsgebundene innerhalb der verschiedenen Kirchen.

3. Für die Erhebung einer pauschalen Kirchensteuer als Zuschlag zur pauschalen Lohnsteuer gilt grundsätzlich nichts anderes. Dazu kann dahinstehen, ob das KiStG Hmb eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Festsetzung der pauschalen Kirchensteuer auch gegenüber dem Arbeitgeber enthält. Eine pauschale Kirchensteuer könnte jedenfalls - wenn überhaupt - nur auf § 3 Abs. 1 Buchst. a und auf § 8 Satz 2 KiStG Hmb gestützt werden. Die genannten Vorschriften regeln jedoch nur die Art der Kirchensteuererhebung und das dabei zu beachtende Verfahren. Sie regeln nicht die Kirchensteuerpflicht als solche. Insoweit ist § 2 Abs. 1 KiStG Hmb maßgebend. Diese Vorschrift gilt deshalb grundsätzlich auch für die Erhebung einer pauschalen Kirchensteuer als Zuschlag zur pauschalen Lohnsteuer, d. h. eine pauschale Kirchensteuer kann grundsätzlich nur für solche Personen erhoben werden, die einer kirchensteuerberechtigten Körperschaft angehören. Dem kann nicht entgegengehalten werden, auf die persönlichen Besteuerungsmerkmale der Arbeitnehmer komme es schon wegen der generalisierenden Regelung der Pauschalierung nicht an (so Giloy, Kirchensteuerrecht und Kirchensteuerpraxis in den Bundesländern, S. 87). Nach § 2 Abs. 1 KiStG Hmb ist die persönliche Konfessionszugehörigkeit des Arbeitnehmers zwingende Tatbestandsvoraussetzung für die Begründung einer Kirchensteuerpflicht. Die Vorschrift enthält keine anderweitige Ersatzvoraussetzung. Steht deshalb die Konfessionszugehörigkeit des Arbeitnehmers nicht fest, so kann schon aus diesem Grunde weder von ihm noch von seinem Arbeitgeber eine pauschale Kirchensteuer als Zuschlag zur pauschalen Lohnsteuer erhoben werden. Dies gilt unbeschadet der Tatsache, daß der Arbeitgeber seine Inanspruchnahme als Schuldner einer pauschalen Kirchensteuer durch entsprechende Antragstellung vermeiden könnte. In § 2 Abs. 1 KiStG Hmb ist die Kirchensteuerpflicht unabhängig von jeder Antragstellung durch den Arbeitgeber geregelt.

4. Zwar wird dem Arbeitgeber die Ermittlung der Konfessionszugehörigkeit ohne Vorlage der Lohnsteuerkarte in der Regel unmöglich sein. Auch soll die pauschale Lohnsteuererhebung der Vereinfachung dienen, weshalb die Forderung nach der Vorlage der Lohnsteuerkarte durch den Arbeitnehmer allein zur Feststellung der Konfessionszugehörigkeit im Widerspruch zu den Zielen der Pauschalierung stünde. Jedoch folgt daraus nur, daß die Konfessionszugehörigkeit ggf. durch Schätzung gemäß § 162 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 zu ermitteln ist. Dabei wird es beim Fehlen anderer Anhaltspunkte nicht zu beanstanden sein, wenn sich die Schätzung an den Erfahrungswerten orientiert, die die steuerberechtigten Religionsgemeinschaften ihren Vereinbarungen über die Aufteilung der pauschalierten Kirchensteuer zugrunde gelegt haben. Jedoch ändert das Bestehen solcher Vereinbarungen nichts daran, daß jede Kirchensteuer nur konfessionsgebunden festgesetzt werden darf.

5. Das FG hat durch die Bezugnahme auf den Bescheid vom 23. Oktober 1979 festgestellt, daß das FA eine Lohnkirchensteuer für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 30. Juni 1975 ohne Aufteilung in bzw. ohne Bezeichnung der Konfessionszugehörigkeiten festgesetzt hat. Damit ergibt sich aus dem Bescheid nicht, ob die Kirchensteuer als evangelische oder als römisch-katholische oder teils als evangelische und teils als römisch-katholische festgesetzt wurde. Entsprechend bezeichnet der Bescheid nicht die festgesetzte Steuer ihrer Art nach. Dieser Mangel führt zur Unbestimmtheit des angefochtenen Bescheides im Sinne des § 119 Abs. 1 AO 1977, was gemäß § 125 Abs. 1 AO 1977 dessen Nichtigkeit nach sich zieht. Obwohl der angefochtene Bescheid nichtig ist, kann er aufgrund der vom Kläger erhobenen Anfechtungsklage aufgehoben werden. Auch der nichtige Steuerbescheid erweckt den Schein der Rechtswirksamkeit. Dieser Schein muß beseitigt werden können. Dabei kann die Unsicherheit, ob ein Verwaltungsakt schon nichtig oder nur rechtsfehlerhaft ist, nicht zu Lasten des Steuerpflichtigen gehen. Deshalb muß dieser auch einen nichtigen Steuerbescheid mit der Anfechtungsklage anfechten können. Die Aufhebung des nichtigen Steuerbescheides beruht in diesen Fällen auf § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO.

6. Der Senat weist ausdrücklich darauf hin, daß er nicht darüber entschieden hat, ob § 3 Abs. 1 Buchst. a und § 8 Satz 2 KiStG Hmb eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Nachforderung einer pauschalen Lohnkirchensteuer enthalten.