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BFH-Urteil vom 24.9.1985 (II R 238/82) BStBl. 1986 II S. 46

Die bei Wertfortschreibungen unter Berücksichtigung des tatsächlichen Zustands des Grundstücks nach den Wertverhältnissen im Hauptfeststellungszeitpunkt nach § 79 Abs. 5 BewG 1965 anzusetzende Miete ist zu schätzen. Die geschätzte Miete kann unter Berücksichtigung von § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG 1965 nur dann der Berechnung des Grundstückswerts zugrunde gelegt werden, wenn sie nicht um mehr als 20 v. H. von der Miete abweicht, die im Hauptfeststellungszeitpunkt für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wurde.

BewG 1965 § 22 Abs. 1 Nr. 1, §§ 27, 78, 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 2, Abs. 5.

Vorinstanz: FG Berlin

Sachverhalt

Der Kläger ist Eigentümer eines Mietwohngrundstücks in Berlin mit einem im Jahre 1908 errichteten Wohngebäude. Mit Bescheid vom 18. August 1969 stellte das Finanzamt (FA) den Einheitswert des Grundstücks auf den 1. Januar 1964 auf 126.700 DM fest. In den Jahren 1967 bis 1972 ließ der Kläger das Gebäude erheblich modernisieren. Aufgrund der Modernisierungsarbeiten erhob der Kläger von den Mietern des Hauses zusätzlich zu der jährlichen Miete Mehrbeträge gemäß § 11 Abs. 1 Ziff. 1 der Altbaumietenverordnung Berlin (AMVOB).

Das FA führte aufgrund der Modernisierungsarbeiten eine Wertfortschreibung des Einheitswerts auf den 1. Januar 1974 durch und stellte mit Bescheid vom 8. Mai 1978 den Einheitswert nunmehr auf 307.000 DM fest. In den erläuternden Anlagen zu diesem Bescheid heißt es, zu der am 1. Januar 1964 erzielten Miete seien nur solche Mieterhöhungen hinzuzurechnen, die auf tatsächlichen Verbesserungen im Feststellungszeitpunkt beruhten. Diese seien wegen § 79 Abs. 5 des Bewertungsgesetzes (BewG) auf die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1964 umzurechnen. Da die Mieterhöhungen wegen Modernisierung sich nach der Höhe der dafür angefallenen Kosten richteten, sei es angemessen, für die Umrechnung auf die Wertverhältnisse vom 1. Januar 1964 das Verhältnis des am 1. Januar 1964 maßgeblichen Bauindexes zum jeweiligen Bauindex des Modernisierungsjahres zugrunde zu legen. So ist das FA auch verfahren.

Der Einspruch blieb erfolglos. Mit der Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des Wertfortschreibungsbescheides. Während des Klageverfahrens hat das FA am 30. Juni 1982 den Einheitswert auf 299.400 DM herabgesetzt. Dieser Bescheid wurde zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. Ungeachtet ihres ertragsteuerlichen Charakters als Erhaltungs- oder Herstellungsaufwand hätten die Modernisierungsarbeiten dazu geführt, daß sich die tatsächlichen Verhältnisse des Grundstücks geändert hätten, weshalb die Wertfortschreibung zulässig gewesen sei. Der Einheitswert sei durch das FA auch zutreffend ermittelt worden. Die Jahresrohmiete sei zu Recht nach § 79 Abs. 1 BewG ermittelt worden, denn die Voraussetzungen einer Schätzung der üblichen Miete nach § 79 Abs. 2 BewG lägen im Streitfall nicht vor. Der Modernisierungszuschlag in Höhe von 14 v. H. der aufgewendeten Kosten rechne zur Jahresrohmiete; die Herabschleusung durch das FA anhand des Baukostenindexes berücksichtige § 75 Abs. 5 und § 27 BewG.

Mit der Revision beantragt der Kläger, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils den Einheitswertbescheid vom 30. Juni 1982 dahin abzuändern, daß der Einheitswert zum 1. Januar 1974 auf 192.300 DM festgestellt wird. Er rügt Verletzung von § 79 BewG i. V. m. Art. 3 des Grundgesetzes (GG) und von § 82 BewG. Er ist der Auffassung, der Umstand, daß die Mietbestandteile, die auf den durch Modernisierung möglichen Mehrbeträgen beruhen, erstarrten und nur die Grundmiete an etwaigen Mieterhöhungen teilnähme, müsse zu einer von Art. 3 GG gebotenen Korrektur dahin gehend führen, daß § 79 Abs. 2 BewG analog angewendet werde. Zumindest aber gebiete § 82 Abs. 1 BewG die volle Berücksichtigung dieses wertmindernden Umstandes und rechtfertige deshalb einen Maximalabschlag in Höhe von 30 v. H.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung sowie zur Zurückverweisung der Sache an das FG zu anderweitiger Verhandlung und Entscheidung.

1. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, daß die vom Kläger durchgeführten Modernisierungsmaßnahmen eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse bezüglich des Grundstücks des Klägers bewirkten, die in den Grenzen des § 22 Abs. 1 Nr. 1 BewG zu einer Fortschreibung führte.

2. Das FG ist auch zutreffend davon ausgegangen, daß bei derartiger Wertfortschreibung für die Findung des Grundstückswerts bei der Bewertung im Ertragswertverfahren (vgl. § 78 BewG) diejenige Miete anzusetzen ist, die nach den Wertverhältnissen vom Hauptfeststellungszeitpunkt - dem 1. Januar 1964 - unter Berücksichtigung des tatsächlichen Zustands des Grundstücks im Fortschreibungszeitpunkt zu erzielen gewesen wäre (§ 22 Abs. 4 Satz 2, §§ 27, 79 Abs. 5 BewG). Diese Miete ist grundsätzlich zu schätzen, da es sich definitionsgemäß um eine hypothetische Miete handelt, weil die den Mietpreis bestimmenden Faktoren tatsächlicher Art im Hauptfeststellungszeitpunkt gerade nicht gegeben waren und die nunmehr erzielbare Miete deshalb damals weder erzielbar war noch Inhalt vertraglicher Vereinbarungen sein konnte (vgl. § 79 Abs. 1 BewG). Zutreffend ist das FG auch davon ausgegangen, daß die Anpassung tatsächlicher Mieten an die Wertverhältnisse im Hauptfeststellungszeitpunkt, die die §§ 27, 79 Abs. 5 BewG verlangen, nicht dem Regelungsbereich des § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BewG zuzuordnen ist. Es ist deshalb auch nicht zu beanstanden, wenn das FG davon ausgeht, daß die für die Findung des Grundstückswerts anzusetzende Miete anhand der mietpreisrechtlich zulässigen Erhöhung nach § 11 AMVOB unter Berücksichtigung der Indexentwicklungen für Bauleistungen geschätzt werden kann, weil Mieterhöhungen nach § 11 AMVOB auf Vomhundertsätze von Aufwendungen bezogen sind (so auch das Urteil des III. Senats des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Januar 1979 III R 99/76, BFHE 126, 569, BStBl II 1979, 254, dem der Senat sich anschließt). Durch diese Art der Ermittlung der auf den Hauptfeststellungszeitpunkt bezogenen Miete ist gewährleistet, daß die für das Grundstück zutreffende Miete gefunden wird, nämlich diejenige Miete, die zu erzielen gewesen wäre, wenn die die Mieterhöhung auslösenden Maßnahmen vor dem Hauptfeststellungszeitpunkt durchgeführt worden wären.

3. Die so gefundene Miete kann - ebenso wie eine vertraglich vereinbarte Miete im Hauptfeststellungszeitpunkt - jedoch dann nicht der Findung des Grundstückswerts (§ 78 BewG) zugrunde gelegt werden, wenn sie um mehr als 20 v. H. von der Miete abweicht, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig im Hauptfeststellungszeitpunkt gezahlt wurde (§ 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 BewG). Denn § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG sichert innerhalb der von ihm angegebenen Toleranzgrenzen die Findung gleichmäßiger Einheitswerte. Die der Vorschrift innewohnende Korrekturfunktion wird um so wichtiger, je größer der Abstand zwischen dem Hauptfeststellungszeitpunkt und dem Fortschreibungs- bzw. Nachfeststellungszeitpunkt wird.

Das FG hat es unterlassen zu prüfen, ob die gefundene Miete innerhalb der Grenzen des § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG liegt. Seine Entscheidung ist daher aufzuheben.

4. Die Sache ist nicht spruchreif, weil das FG keine tatsächlichen Feststellungen getroffen hat, die die erforderliche Vergleichsrechnung ermöglichen.