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BFH-Urteil vom 9.10.1985 (I R 149/82) BStBl. 1986 II S. 51

Verspricht der Sohn einige Jahre nach der Übernahme des väterlichen Betriebs seinem gelegentlich mitarbeitenden Vater, diesem ab dem 65. Lebensjahr eine Rente zu zahlen, und verspricht er nach dem Tode des Vaters seiner Mutter Rentenzahlungen in gleicher Höhe, sind die Rentenzahlungen an die Mutter nicht betrieblich veranlaßt und die für diese Verpflichtung gebildeten Rückstellungen aufzulösen.

EStG § 6a.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

Im Streit ist, ob eine vom Kläger und Revisionskläger (Kläger) seiner Mutter zugesagte Rente betrieblich veranlaßt ist.

Der Kläger hatte am 1. Januar 1963 den Betrieb seines Vaters - eine Malerwerkstatt - übernommen. In seiner Eröffnungsbilanz wies er "Übernahmeschulden" von ... DM aus. Am 22. Dezember 1964 machte der Kläger seinem damals 63 Jahre alten Vater "in Anerkennung seiner bisher dem Unternehmen geleisteten Dienste und aus Dankbarkeit für seine Verbundenheit mit dem Betrieb" eine Pensionszusage des Inhalts, daß dieser nach Vollendung des 65. Lebensjahres eine lebenslange Rente von 4.800 DM, zahlbar in jährlichen Vorschüssen, erhält. Hierfür bildete der Kläger Pensionsrückstellungen, die bis zum 31. Dezember 1966 auf ... DM angelaufen waren.

Am 1. Februar 1967 starb der Vater. Am 2. April machte der Kläger seiner Mutter die schriftliche Zusage, ihr monatlich 400 DM als Witwenrente zu zahlen. Der Kläger wies für diese Verpflichtung in den Bilanzen ab 31. Dezember 1967 Rückstellungen aus. In den auf die Zusage folgenden Jahren wurden die jährlichen Rentenzahlungen von 4.800 DM - abzüglich einer anteiligen Auflösung der Pensionsrückstellungen - als Betriebsausgaben behandelt. Dem folgte zunächst der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -).

Aufgrund einer Betriebsprüfung im Jahre 1975 gelangte das FA zu der Auffassung, die Pensions- und Rentenzusagen hätten auf privaten und nicht auf betrieblichen Erwägungen beruht. Entsprechend dem Vorschlag des Prüfers verfuhr es bei den endgültigen Einkommensteuerveranlagungen und den endgültigen Festsetzungen der Gewerbesteuermeßbeträge für die Streitjahre 1971 bis 1973 wie folgt: Es löste die für die Witwenrente am jeweiligen Jahresende noch vorhandene Pensionsrückstellung zugunsten des Gewinns auf. Eine Berücksichtigung der laufenden Rentenzahlungen als Betriebsausgaben entfiel; das FA lehnte es unter Hinweis auf § 12 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auch ab, die Rentenzahlungen in Höhe eines Ertragsanteils als Sonderausgaben abzuziehen.

Im Einspruchsverfahren und später auch im Klageverfahren machte der Kläger geltend, der Vater habe nach der Betriebsübergabe im Betrieb seines Sohnes als "freier Mitarbeiter" gegen den verhältnismäßig niedrigen Stundenlohn von 4 DM mitgearbeitet. Mit Rücksicht auf dieses Arbeitsverhältnis sei dem Vater und dann auch der Mutter die geringe Rente von monatlich 400 DM zugesagt worden. Das Finanzgericht (FG) wies nach erfolglosem Einspruch die Klage zum überwiegenden Teil ab. Es verneinte die betriebliche Veranlassung der Rentenzusagen an den Vater und die Mutter; es berücksichtigte aber bei der Einkommensteuer für 1971 bis 1973 die Rentenzahlungen an die Mutter mit einem Ertragsanteil von je ... DM als Sonderausgaben.

Gegen die Entscheidung des FG wendet sich der Kläger mit der Revision. Der Kläger rügt die Verletzung materiellen Rechts.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

Nach § 6a EStG sind unter den dort näher bestimmten Voraussetzungen Rückstellungen für Pensionsverpflichtungen möglich. Pensionszusagen werden in erster Linie den im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmern gegeben. Als Empfänger von Pensionszusagen kommen auch sonstige Personen, wie z. B. jahrelang für den Betrieb tätige Handelsvertreter, Wirtschaftsprüfer, Betriebsberater und dergleichen in Betracht. Voraussetzung ist, daß die vom Betriebsinhaber in Gestalt einer Pensionszusage eingegangene Verbindlichkeit betrieblich veranlaßt ist. § 6a EStG macht keine Ausnahme von dem Grundsatz, daß Ausgaben und Verbindlichkeiten, die in Höhe ihres Wertes den steuerpflichtigen Gewinn mindern sollen, betrieblich veranlaßt sein müssen (Schmidt, Einkommensteuergesetz, 4. Aufl., § 6a Anm. 6).

Wird die nach dem Tode des Vaters der Mutter erteilte Zusage über eine Witwenrente von monatlich 400 DM für sich betrachtet, fehlt für diese Zusage eine betriebliche Veranlassung. Die Rentenzusage läßt sich nur aus den nahen familiären Beziehungen des Klägers erklären.

Das FG ist aber auch zu Recht darauf eingegangen, ob die Pensionszusage an die Mutter mit der im Jahre 1964 dem Vater erteilten Pensionszusage im Zusammenhang steht oder sich aus ihr herleiten läßt. Es ist nicht erkennbar, daß bei Erteilung der Pensionszusage an den Vater Übereinstimmung geherrscht hat, nach dem Tode des Vaters solle die Rente an die Mutter weitergezahlt werden. Das FG hat aus der Nichtaufnahme einer Witwenrente in die Pensionszusage an den Vater geschlossen, daß es ursprünglich an einer ernsthaft gewollten Pensionsverpflichtung des Klägers auch der Mutter gegenüber gefehlt habe. Es untermauert dies noch mit Hinweisen auf die buchmäßige Behandlung (im Jahre des Todes des Vaters vollständige Auflösung der Rückstellung wegen der ihm gegebenen Pensionszusage, statt dessen Neubildung einer Pensionsrückstellung wegen der der Mutter gegebenen Zusage) und weiterhin mit der nur zwei Jahre dauernden Mitarbeit des Vaters im Betrieb des Klägers, für die er nur verhältnismäßig gering entlohnt worden ist. Für eine selbständige Pensionszusage gegenüber der Mutter hat das FG ferner angeführt, daß die Rente die gleiche Höhe wie die des Vaters haben sollte, was nicht üblich ist. Diese Würdigung, die auf tatsächlichem Gebiet liegt, ist möglich und damit revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Sollte dennoch bei Erteilung der Pensionszusage an den Vater Übereinstimmung zwischen Vater und Sohn (Kläger) dahin bestanden haben, daß eine Witwenpension eingeschlossen sei, ist die Zusage einer späteren Witwenversorgung ebenfalls nicht als betrieblich veranlaßt anzusehen, obwohl im Jahre 1964 die schriftliche Erteilung der Pensionszusage in der damaligen Fassung des § 6a EStG noch nicht gefordert worden war. Die Auffassung des Klägers, daß er einem fremden Arbeitnehmer, der bei Aufnahme seiner Arbeit schon 63 Jahre alt ist, sofort eine Zusage für die Zahlung einer Pension ab dem 65. Lebensjahr gibt, überzeugt nicht. Die Altersversorgung eines in einem so vorgerückten Alter stehenden Arbeitnehmers wird üblicherweise schon gesichert sein. Mit Recht weist das FG darauf hin, daß unter diesen Umständen die Erteilung einer Pensionszusage nicht üblich ist. Nach den Feststellungen des FG hat der Kläger keinem seiner zahlreichen Arbeitnehmer und Angestellten eine Pension zugesagt. Damit folgt auch für die dem Vater gegebene Pensionszusage, daß sie nicht auf betrieblicher, sondern auf einer außerbetrieblichen - familiären - Grundlage beruht.

Auch aus anderen Gründen ist eine Rückstellung für die der Mutter zugesagte Rente steuerrechtlich nicht möglich. Ausführungen des Klägers in seiner Revisionsbegründung deuten darauf hin, daß er eine rechtliche Prüfung auch in der Hinsicht begehrt, ob die der Mutter zugesagte Witwenrente Teil einer Gegenleistung für die Betriebsübertragung vom Vater auf den Sohn (Kläger) sein könnte und sich schon hieraus die betriebliche Veranlassung dieser Rentenzusage ergebe. Rentenzusagen aus Anlaß einer Betriebsübergabe sind entweder als Veräußerungsrenten, betriebliche oder außerbetriebliche (private) Versorgungsrenten zu beurteilen (vgl. die grundlegende Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 3. Juli 1964 VI 346/62 U, BFHE 80, 202, BStBl III 1964, 548). Werden bei Betriebsübergaben von Eltern an Kinder den Eltern Renten zugesagt, werden in der Regel private Versorgungsrenten vorliegen, weil der familiäre Charakter der Zusage im Vordergrund steht. Hierfür spricht nach der Rechtsprechung eine nur in Ausnahmefällen zu widerlegende Vermutung (BFH-Urteil vom 6. März 1975 IV R 191/71, BFHE 115, 443, BStBl II 1975, 600 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Die Vermutung könnte nur dann widerlegt und eine betriebliche Versorgungsrente nur angenommen werden, wenn einwandfrei festgestellt werden könnte, daß wie unter fremden Dritten die beiderseitigen Leistungen des den Betrieb abgebenden Vaters und des den Betrieb übernehmenden Sohnes nach kaufmännischen Grundsätzen gegeneinander abgewogen worden sind. Der vom FG festgestellte Sachverhalt gibt hierfür keinen Anhaltspunkt. Eine betriebliche Versorgungsrente kommt daher nicht in Betracht.

Rückstellungen sind gewinnerhöhend aufzulösen, wenn nach den Verhältnissen am Bilanzstichtag die Gründe für ihre Bildung weggefallen sind. Entsprechendes gilt nach dem Grundsatz des Bilanzzusammenhangs, wenn eine Rückstellung von Anfang an zu Unrecht gebildet worden ist oder die Voraussetzungen für die Bildung schon in früheren Jahren weggefallen sind, soweit die entsprechenden Bilanzen und Veranlagungen nicht mehr berichtigt werden können (Schmidt, a. a. O., § 5 Anm. 43 c mit Rechtsprechungsnachweisen). Danach war die wegen der Zusage an die Mutter gebildete Pensionsrückstellung bei der endgültigen Veranlagung 1971 gewinnerhöhend aufzulösen. Die laufenden Zahlungen waren nicht mehr als Betriebsausgaben abzusetzen. Hinzurechnungen zum Gewinn wegen Abbau der Rückstellung entsprechend den laufenden Rentenzahlungen entfielen. Ob das FG bei der Einkommensteuer zu Recht einen Ertragsanteil der Rente als Sonderausgaben abgezogen hat, ist nicht zu entscheiden, da das FA keine Revision eingelegt hat.

Treu und Glauben stehen der Auflösung der Pensionsrückstellung anläßlich der Veranlagung für 1971 nicht entgegen. Einkommensteuer und Gewerbesteuer gehören zu den Veranlagungssteuern. Das FA hat die Grundlagen der Besteuerung bei jeder Veranlagung selbständig festzustellen und die Rechtslage neu zu beurteilen. Eine Bindung an rechtliche Beurteilungen bei früheren Veranlagungen besteht nicht. Die Grundsätze der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gebieten es, eine als falsch erkannte Rechtsauffassung vom frühest möglichen Zeitpunkt an aufzugeben (Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 2 EStG Anm. 73 a mit Rechtsprechungsnachweis). Das gilt sowohl für erstmalige Veranlagungen als auch für endgültige oder berichtigte Veranlagungen. Im Streitfall sind für die Streitjahre vorläufige Veranlagungen vorausgegangen. Fehler in der vorläufigen Veranlagung können bei der endgültigen Veranlagung richtiggestellt werden. Eine ausdrückliche Zusicherung, daß die Pensionszusage an die Mutter steuerrechtlich anerkannt wird und Pensionsrückstellungen demgemäß mit steuerlicher Wirkung gebildet werden dürfen, hat das FA nach dem Vortrag des Klägers nicht gegeben. Die Nichtbeanstandung der Rückstellung in Veranlagungszeiträumen bis einschließlich 1970 hat nicht zu einem Vertrauenstatbestand geführt, der es dem FA verboten hätte, wider bessere rechtliche Kenntnis die Rückstellung weiterhin anzuerkennen.