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BFH-Beschluß vom 11.11.1985 (IV B 77/85) BStBl. 1986 II S. 67

Haben die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt erklärt, kann für diesen ein Antrag auf Prozeßkostenhilfe nicht mehr wirksam gestellt werden.

FGO § 142; ZPO §§ 114 ff.

Vorinstanz: FG Münster

Sachverhalt

Im Erörterungstermin vom 13. Juni 1985, in dem u. a. auch über die Klage der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) gegen die Gewinnfeststellungen 1979 bis 1981 verhandelt wurde, wurde dieser Rechtsstreit von den Beteiligten übereinstimmend für erledigt erklärt. Die Klägerin und der Beklagte und Beschwerdegegner (Finanzamt - FA -) beantragten übereinstimmend, die Kosten gegeneinander aufzuheben. Im Anschluß hieran beantragte die Klägerin, ihr für das Verfahren Prozeßkostenhilfe (PKH) zu gewähren.

Dieser Antrag wurde vom Finanzgericht (FG) mit Beschluß vom 24. Juni 1985 als unzulässig mit der Begründung zurückgewiesen, daß eine rückwirkende Bewilligung der PKH deshalb nicht möglich sei, weil das Verfahren durch übereinstimmende Erledigungserklärungen bereits beendigt gewesen wäre.

Hiergegen legte die Klägerin am 24. Juli 1985 - fristgerecht - Beschwerde ein. Sie macht geltend, daß sie bereits mit Schriftsatz vom 1. Oktober 1984 in dem Verfahren VII 4762/84 E betreffend die Einkommensteuerbescheide 1979 bis 1981 PKH beantragt habe. Da es sich bei den Angelegenheiten um einen einheitlichen Steuervorgang, der sich auf die Jahre 1979 bis 1981 bezieht, handelte, sei davon auszugehen, daß dem für alle Angelegenheiten zuständigen Senat der Antrag der Klägerin, PKH bewilligt zu bekommen, bekanntgewesen sei. Wegen hinreichender Erfolgsaussichten hätte ihrem Antrag daher stattgegeben werden müssen.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist unbegründet.

Zu Recht hat das FG entschieden, daß der Antrag auf Bewilligung von PKH nicht mehr wirksam gestellt werden konnte, nachdem die Beteiligten durch ihre übereinstimmenden Erledigungserklärungen die Rechtshängigkeit der Hauptsache beendigt hatten (hierzu Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 138 FGO Tz. 30). Schon das Reichsgericht (RG) hat zum damals noch geltenden Armenrecht ausgeführt (Beschluß vom 22. Februar 1938 VII 170/37, RGZ 157, 96), daß eine Gewährung seinem Wesen nach nur für die zukünftige Prozeßführung in Frage kommen könne, weil das Gesetz von einer "beabsichtigten Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung" spreche (§ 114 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung - ZPO - a. F.). Es könne daher nicht mehr bewilligt werden, wenn die Instanz beendigt sei, da Gerichtskosten für die Zukunft überhaupt nicht mehr neu erwachsen könnten. An dieser Rechtslage hat sich nach Einführung der PKH sowohl dem Wortlaut des Gesetzes (s. § 114 Satz 1 ZPO n. F.) als auch seinem Sinn und Zweck nach nichts geändert. PKH kann daher grundsätzlich nur für die Zukunft und allenfalls ab Antragstellung gewährt werden, keinesfalls aber dann, wenn der Prozeß beendigt ist (so auch Blümler, Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR - 1983, 96, 97/98 und Anm. 27; Christl, MDR 1983, 537).

Der Antrag auf Bewilligung von PKH für die Verfahren VII 6324/83, VII 148/84 F ist im Sinne der vorstehenden Ausführungen verspätet gestellt. Gemäß § 117 Abs. 1 Satz 1 ZPO setzt die Bewilligung von PKH einen Antrag voraus, der auf ein bestimmtes Verfahren bezogen ist. Dies ergibt sich aus § 117 Abs. 1 Satz 2 ZPO, der die Darstellung des Streitverhältnisses unter Angabe von Beweismitteln verlangt. Diese Antragsbezogenheit würde unterlaufen, wenn der für ein bestimmtes Verfahren gestellte Antrag von Amts wegen auf andere, wenn auch sachlich damit zusammenhängende Verfahren erstreckt werden könnte. Vorliegend hat die Klägerin allein im Schreiben vom 1. Oktober 1984 - unter Angabe des Aktenzeichens VII 4762/84 E - um Gewährung von PKH nachgesucht mit dem ausdrücklichen Bemerken, sie sei zur Tragung der Kosten durch das vorliegende Verfahren nicht in der Lage. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist eine Auslegung der damit abgegebenen Prozeßerklärung in dem Sinne, daß der PKH-Antrag auch für die Verfahren VII 6324/83, VII 148/84 F gestellt sei, nicht möglich.