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BFH-Beschluß vom 17.10.1985 (VII B 59/85) BStBl. 1986 II S. 101

Zur Zulässigkeit der Gründung einer Steuerberatungsgesellschaft mbH durch einen Berufsverband (hier: Privatärztliche Verrechnungsstelle).

FGO § 138 Abs. 1; StBerG §§ 8, 32 Abs. 3 Satz 2, §§ 49, 50.

Vorinstanz: FG Düsseldorf

Sachverhalt

I.

Die Beigeladene zu 1, eine Privatärztliche Verrechnungsstelle e. V. (PVS), und der Beigeladene zu 2, Steuerberater L, der bisherige Leiter der Buch- und Steuerstelle der PVS, gründeten durch notariell beurkundeten Gesellschaftsvertrag die Beigeladene zu 3, eine Steuerberatungsgesellschaft (GmbH). Nach dem Vertrag übernahmen die PVS und Steuerberater L jeweils die Hälfte des Stammkapitals von 50.000 DM als Einlage. Das Stimmrecht der Gesellschafter sollte sich auch dann nicht ändern, wenn im Zuge einer künftigen Kapitalerhöhung neue Anteile durch einen oder mehrere Gesellschafter übernommen würden. Steuerberater L ist zum alleinigen Geschäftsführer der GmbH bestellt. § 10 Abs. 4 des Vertrages bestimmt: "Der oder die Geschäftsführer haben ihre Aufgaben unabhängig und eigenverantwortlich und unter Beachtung der §§ 57 bis 60 Steuerberatungsgesetz zu erfüllen. Insoweit dürfen sie nicht durch Vertrag oder Weisungen der Gesellschaft oder der Gesellschafter beschränkt werden." Die GmbH beantragte beim Antragsgegner und Beschwerdegegner (Landesfinanzminister, im folgenden Finanzminister) ihre Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft.

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) als örtlich zuständige Steuerberaterkammer vertrat die Auffassung, die GmbH dürfe nicht als Steuerberatungsgesellschaft anerkannt werden. Mit der Übertragung der Geschäfte ihrer Buch- und Steuerstelle auf die GmbH verstoße die PVS zwangsläufig gegen das Werbeverbot des § 8 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG). Die eigenverantwortliche Führung der Geschäfte der Gesellschaft (§ 57 StBerG) sei nicht gewährleistet, denn die GmbH werde durch die PVS beherrscht und ihr Geschäftsführer L besitze kein entscheidendes Stimmrecht. Mit der Einschaltung der GmbH als Tochtergesellschaft wolle die PVS das Verbot der unbefugten Hilfeleistung in Steuersachen umgehen. Die Antragstellerin erhob Klage mit dem Antrag, den Finanzminister zu verpflichten, dem Antrag der GmbH auf Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft nicht stattzugeben. Zugleich beantragte sie beim Finanzgericht (FG), dem Finanzminister bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Unterlassungsklage im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die Anerkennung auszusprechen oder zuzusagen.

Das FG lehnte den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung ab.

Mit ihrer Beschwerde hielt die Antragstellerin ihre Einwendungen gegen die Anerkennung der GmbH als Steuerberatungsgesellschaft und ihren Antrag auf Erlaß der begehrten einstweiligen Anordnung aufrecht. Insbesondere machte sie geltend, daß die Gründung und Führung einer Steuerberatungsgesellschaft in der vorliegenden Verbindung mit einem Berufsverein ohne Verstoß gegen das Werbeverbot überhaupt nicht denkbar sei. Nach der Darstellung des Steuerberaters L gegenüber dem Finanzminister seien Ende 1984 die Mitglieder der Steuerstelle der PVS durch den Vorsitzenden des Vereins darauf hingewiesen worden, daß die Steuerberatungsgesellschaft nunmehr gegründet sei und daß die Tätigkeit der Buch- und Steuerstelle beendet würde, sobald eine Eintragung der GmbH erfolgt sei. Darin liege bereits der Verstoß gegen das Werbeverbot und dessen Duldung durch die GmbH. Eine Übernahme der Mandanten der PVS durch die Steuerberatungsgesellschaft sei ohne Verletzung des Werbeverbots nicht möglich. Deshalb könne die Steuerberatungsgesellschaft ihre Tätigkeit im Zusammenhang mit dem sie gründenden Berufsverein nicht ausüben, ohne ihre Berufspflichten zu verletzen. Das müsse bereits im Anerkennungsverfahren berücksichtigt werden.

Nachdem der Finanzminister mit Erlaß vom 24. Juni 1985 die GmbH als Steuerberatungsgesellschaft anerkannt hatte, haben die Beteiligten übereinstimmend die Hauptsache im vorliegenden Beschwerdeverfahren über den Erlaß einer einstweiligen Anordnung für erledigt erklärt.

Entscheidungsgründe

II.

Da der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist, hat der Senat nur noch über die Kosten des gesamten Verfahrens zu entscheiden. Er hat diese Entscheidung unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu treffen (§ 138 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Dabei ist der mutmaßliche Ausgang des Rechtsstreits im Falle seiner Nichterledigung zu berücksichtigen. Einer eingehenden Prüfung der Rechtslage bedarf es allerdings für die Kostenentscheidung nicht (vgl. Gräber, Finanzgerichtsordnung, § 138 Anm. 7; Ziemer/Haarmann/Lohse/Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Bd. 3 Tz. 10662/4). Der Grundsatz der Billigkeit gebietet, auch Erwägungen darüber anzustellen, ob bei vernünftiger Abwägung der Verhältnisse ein Anlaß zur Anrufung des Gerichts gegeben war (Tipke/Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 138 FGO Tz. 57). Der Senat gelangt unter Abwägung dieser Gesichtspunkte zu dem Ergebnis, daß ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses ein Unterliegen der Antragstellerin im vorliegenden Verfahren wahrscheinlicher gewesen wäre als ihr Obsiegen. Er neigt zu der Auffassung, daß im Wege der beantragten einstweiligen Anordnung der von der Antragstellerin begehrte Rechtsschutz nicht zu erlangen war. Demgemäß waren der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

1. Die Vorinstanz hat zu Recht ausgeführt, daß ein Anspruch der Antragstellerin auf einstweilige Versagung der Anerkennung der GmbH als Steuerberatungsgesellschaft wegen der Beteiligung der PVS an der GmbH nicht bestand, weil weder die Vorschriften des StBerG über die Gründung und Anerkennung von Steuerberatungsgesellschaften (§§ 49, 50) noch das Vereinsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches die Beteiligung einer in der Form des eingetragenen Vereins geführten berufsständischen Vereinigung an einer Steuerberatungsgesellschaft verbieten.

2. Der Senat folgt dem FG auch darin, daß die Anerkennung nicht mit der Begründung versagt werden konnte, es fehle der in § 32 Abs. 3 Satz 2 StBerG geforderte Nachweis darüber, daß die GmbH von Steuerberatern verantwortlich geführt werde. Die bloße Möglichkeit einer künftigen Einflußnahme der PVS auf den in der GmbH geschäftsführenden Steuerberater L, den ehemaligen Leiter ihrer Buch- und Steuerstelle, hat das FG nicht verkannt. Es hat aber im Hinblick auf die hälftige Kapitalbeteiligung des L die Besorgnis einer gegenwärtigen Einflußnahme und Zweifel an der eigenverantwortlichen Geschäftsführung des L in der Steuerberatungsgesellschaft (vgl. § 32 Abs. 3 Satz 2, § 57 Abs. 1, § 60 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2, § 72 Abs. 1 StBerG) verneint. Der Senat schließt sich dieser Beurteilung an. Er weist darauf hin, daß nach dem Gesellschaftsvertrag die maßgebliche Stellung des Geschäftsführers auch künftig als gesichert erscheint. Denn das Stimmrecht des Geschäftsführers ändert sich nicht, wenn im Zuge einer Kapitalerhöhung neue Anteile durch einen oder mehrere Gesellschafter übernommen werden (§ 6). Ferner schreibt § 10 Abs. 4 des Vertrages ausdrücklich vor, daß der oder die Geschäftsführer ihre Aufgaben unabhängig und eigenverantwortlich und unter Beachtung der §§ 57 bis 60 StBerG zu erfüllen haben und daß sie insoweit nicht durch Vertrag oder Weisungen der Gesellschaft oder der Gesellschafter beschränkt werden dürfen.

Nach der Entscheidung des Senats vom 26. März 1981 VII R 14/78 (BFHE 133, 322, BStBl II 1981, 586) sind an den Nachweis der eigenverantwortlichen Führung der Gesellschaft durch Steuerberater (§ 32 Abs. 3 Satz 2 StBerG) erhöhte Anforderungen dann zu stellen, wenn aufgrund der Beherrschung der Gesellschaft durch Berufsfremde von vornherein die Gefahr besteht, daß diese auf die Tätigkeit der im Dienste der Gesellschaft stehenden Steuerberater Einfluß nehmen können. Da aber im Streitfall der geschäftsführende Steuerberater L nicht nur Angestellter, sondern auch Gesellschafter der GmbH mit einer hälftigen Kapitalbeteiligung und einem auf Dauer gesicherten entsprechenden Stimmrecht ist, hat das FG zu Recht eine Gefahr für die weisungsfreie und unabhängige Tätigkeit des Geschäftsführers verneint. Mit dem in dem Urteilsfall angesprochenen Beispiel, daß die Steuerberatungsgesellschaft Teil eines Konzerns mit eindeutiger gewerblicher Zielsetzung ist und bei der Verwirklichung dieser Zielsetzung eingeschaltet werden soll, sind die Sachlage und die Rechtsgestaltung bei der GmbH nicht vergleichbar.

3. Auch mit der Berufung auf den angeblichen Verstoß gegen das Werbeverbot (§ 8 StBerG), auf den die Antragstellerin ihre Beschwerde im wesentlichen gestützt hat, erscheint dem Senat ein für den Erlaß der begehrten einstweiligen Anordnung erforderlicher Anordnungsanspruch nicht hinreichend glaubhaft gemacht (§ 114 Abs. 2 FGO i. V. m. § 920 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung - ZPO -). Nach § 8 Abs. 1 StBerG ist das unaufgeforderte Anbieten der eigenen Dienste oder Dienste Dritter zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen untersagt. Das Verbot der berufswidrigen Werbung gilt auch für Steuerberatungsgesellschaften (§ 57 Abs. 1, § 72 Abs. 1 StBerG). Unter den gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Steuerberatungsgesellschaft ist die Einhaltung der Vorschriften über das Werbeverbot nicht aufgeführt (vgl. § 49 Abs. 1, § 50 StBerG). Der Verstoß gegen § 8 StBerG wird vielmehr als Ordnungswidrigkeit mit einer Geldbuße geahndet (§ 160 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 StBerG). Nach der Rechtsprechung des Senats sind allerdings im Anerkennungsverfahren nicht nur die Anerkennungsvoraussetzungen der §§ 49 ff. StBerG, sondern auch die Voraussetzungen der sonstigen Vorschriften dieses Gesetzes zu prüfen, die eine Steuerberatungsgesellschaft erfüllen muß. Denn es wäre mit dem Sinn und Zweck des Anerkennungsverfahrens nicht zu vereinbaren, Tatsachen außer acht zu lassen, aus denen sich ergibt, daß die Gesellschaft nach ihrer Anerkennung mit Sicherheit solchen anderen Vorschriften des StBerG nicht gerecht werden wird, deren Beachtung dann mit berufsrechtlichen Maßnahmen erzwungen werden müßte (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. Dezember 1980 VII R 20/77, BFHE 132, 372, BStBl II 1981, 343, und in BFHE 133, 322, BStBl II 1981, 586).

Der Senat braucht im Rahmen dieser Kostenentscheidung nicht darüber zu befinden, ob das auch für die Wahrung der Vorschriften über die berufswidrige Werbung gilt und ob im Streitfall ein Verstoß gegen das Werbeverbot vorliegt oder bevorsteht. Denn jedenfalls erscheint ihm ein Anspruch der Antragstellerin darauf, der GmbH die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft aus diesen Gründen einstweilen zu versagen, äußerst zweifelhaft.

Die Antragstellerin sieht einen Verstoß gegen das Werbeverbot bereits darin, daß die Mitglieder der Steuerstelle der PVS und möglicherweise auch andere Personen Ende 1984 vom Vorsitzenden der PVS auf die Gründung der GmbH und die bevorstehende Beendigung der Tätigkeit der Buch- und Steuerstelle hingewiesen worden seien. Wenn diese Beurteilung zutrifft, konnte der begehrte Erlaß einer einstweiligen Anordnung die bereits eingetretene Rechtsverletzung nicht mehr hindern. Die hier in Betracht kommende Sicherungsanordnung (§ 114 Abs. 1 Satz 1 FGO) dient aber dazu, eine (künftige) Veränderung des bestehenden Zustands, die die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereiteln oder wesentlich erschweren könnte, zu verhindern. Im übrigen wäre der Verstoß gegen das Werbeverbot nicht der GmbH, um deren Anerkennung es geht, sondern einem Dritten anzulasten.

Auch wenn die Ansicht der Antragstellerin zutreffen sollte, daß eine Übernahme der Mandanten der PVS durch die GmbH ohne Verletzung des Werbeverbots nicht möglich sei, kann daraus nicht ein Rechtsanspruch darauf hergeleitet werden, der GmbH die Anerkennung als Steuerberatungsgesellschaft zu versagen. Denn das würde über das Rechtsschutzbedürfnis der Antragstellerin hinausgehen und die GmbH auf Dauer von jeder steuerberatenden Tätigkeit auch für Mandanten, die keine Mitglieder der PVS sind, ausschließen. Ein Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Anordnung hätte, wenn man der Auffassung der Antragstellerin von der Geltung des Werbeverbots auch für den Fall der Überführung von Mandanten der PVS auf die GmbH folgt, allenfalls dann Aussicht auf Erfolg haben können, wenn er sich darauf beschränkt hätte, die Übernahme der unter Verletzung des Werbeverbots erlangten Mandate zu verbieten und eine künftige berufswidrige Werbung zu verhindern. Einen derartigen auf die Einhaltung des Werbeverbots beschränkten einstweiligen Rechtsschutzantrag hat, wie die Antragstellerin vorgetragen hat, eine andere Steuerberaterkammer in dem vergleichbaren Fall mit Erfolg bei dem zuständigen Landgericht gestellt. Der weitergehende Antrag der Antragstellerin hätte, wenn ihm stattgegeben worden wäre, einen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) garantierte Freiheit der Berufswahl zur Folge, auf die sich auch die GmbH berufen kann (Art. 19 Abs. 3 GG; Maunz/Dürig/Herzog/Scholz, Grundgesetz, Art. 19 Abs. III Rdnrn. 8, 29, 32).