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BVerwG-Urteil vom 12.3.1985 (7 C 60.83) BStBl. 1986 II S. 110

Leitsatz vom BMF gebildet.

Der Begriff des "Steuerpflichtigen im Sinne des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes" beurteilt sich auch im Bescheinigungsverfahren nach §-2 InvZulG 1977 nach steuerrechtlichen Merkmalen, nicht hingegen die Frage, ob eine Betriebsstätte gewerblicher Art ist. Ein Investitionsvorhaben in einer gewerblichen Betriebsstätte im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1977 liegt nicht vor, wenn es in einem Betrieb gewerblicher Art einer juristischen Person des öffentlichen Rechts durchgeführt wird und die Einrichtung einem öffentlichen Zweck dient, bei dem die Gewinnabsicht nicht eindeutig im Vordergrund steht.

InvZulG 1977 § 2 Abs. 1 Satz 1, § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2.

Vorinstanz: VGH Hessen

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt die Erteilung einer Investitionszulagenbescheinigung gemäß § 2 des Investitionszulagengesetzes in der Neufassung vom 3. Mai 1977 - InvZulG 1977 - für eine Erweiterung des "...bades" in ... Dieses Bad ist eine Einrichtung des ..., eines haushaltsrechtlich und organisatorisch verselbständigten Regiebetriebes des Klägers. Das "...bad" besteht aus einem Sole-Bewegungshallenbad mit Sauna sowie Massage- und Gymnastikabteilung und einem Sommerfreibad. Seine Einrichtungen wurden im wesentlichen im Herbst 1970, das Freibad im Frühjahr 1971 in Betrieb genommen.

In den Jahren 1975 und 1976 ließ der Kläger mit einem Gesamtinvestitionsaufwand von ... DM Erweiterungsmaßnahmen durchführen; sie betrafen im wesentlichen die Errichtung eines Freibeckens für das Sole-Bewegungshallenbad und einer Wärmehalle für das Sommerfreibad mit jeweils begleitenden Maßnahmen für die Ruhe- und Umkleidemöglichkeiten. Hierfür beantragte die Kurverwaltung im August 1976 die Erteilung einer Investitionszulagenbescheinigung nach § 2 InvZulG in der damals geltenden Fassung; sie gab dabei u. a. an, daß durch die erfolgte Kapazitätsausweitung mit einer wirtschaftlicheren Nutzung des Bades gerechnet werden könne.

Mit Bescheid vom 8. Dezember 1977 lehnte das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft den Antrag ab und wies mit Bescheid vom 31. Mai 1978 den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers zurück: Das Investitionsvorhaben sei volkswirtschaftlich nicht besonders förderungswürdig im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 1 letzter Satzteil InvZulG 1977, weil es nicht der Unterbringung von Fremdenverkehrsgästen diene. Im übrigen erziele es keinen Primäreffekt im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 InvZulG 1977, weil es bei der gebotenen typisierenden Betrachtungsweise dem der regionalen Nachfrage dienenden Folgeleistungsbereich zuzuordnen sei.

Die daraufhin vom Kläger erhobene Klage wurde vom Verwaltungsgericht mit der Begründung abgewiesen, der Kläger sei kein Steuerpflichtiger im Sinne des Einkommen- oder Körperschaftsteuergesetzes; damit fehle es an einer gemäß § 1 Abs. 1 InvZulG 1977 erforderlichen Voraussetzung für die Erteilung der begehrten Bescheinigung. Die gegen dieses Urteil eingelegte Berufung des Klägers hatte Erfolg. Das Berufungsurteil beruht auf der Erwägung, daß die Steuerpflicht eines Antragstellers nicht im Rahmen des auf wirtschaftsrechtliche Fragen beschränkten Bescheinigungsverfahrens gemäß § 2 InvZulG 1977 zu prüfen sei; im übrigen erfülle die Investition die in der genannten Vorschrift für die Erteilung einer Investitionszulagenbescheinigung aufgestellten Voraussetzungen. Durch die Erweiterung des "...bades" sei insbesondere ein Primäreffekt im Sinne von § 2 Abs. 2 Nr. 2 InvZulG 1977 eingetreten, weil die in Hallenbädern namhafter und überörtlich bedeutsamer Kurorte möglichen Behandlungsweisen ihrer Art nach überwiegend gegenüber Kurgästen aus Gebieten außerhalb der Region erbracht würden; demgemäß sei das "...bad" in einer den Beherbergungsbetrieben vergleichbaren Weise geeignet, Besucher aus überregionalen Gebieten anzuziehen. Schließlich sei auch die Zahl der bestehenden Dauerarbeitsplätze um mindestens 20 v. H. erhöht worden. Nach der vom Kläger dem Verwaltungsgericht vorgelegten Übersicht über die Personalentwicklung habe sich die Zahl der ganzjährig Beschäftigten von 27 im Jahre 1975 auf 36 im Jahre 1977 erhöht.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte die vom Berufungsgericht zugelassene Revision eingelegt, mit der sie die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erstrebt. Sie ist der Meinung, daß in die Prüfungskompetenz der am Bescheinigungsverfahren beteiligten Verwaltungsbehörden auch die Frage falle, ob der Antragsteller Steuerpflichtiger im Sinne des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes sei; diese Frage habe das Verwaltungsgericht im vorliegenden Falle mit zutreffenden Gründen verneint. Die vom "...bad" angebotenen Leistungen würden im übrigen auch nicht ihrer Art nach überregional erbracht; eine vergleichbare medizinisch-therapeutische Behandlung sei in jeder entsprechend ausgerüsteten Arztpraxis erhältlich.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Er tritt dem Vorbringen der Revision entgegen und verteidigt das angefochtene Urteil.

II.

Die Revision der Beklagten hat Erfolg; das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht und beruht auf dieser Verletzung.

1. Der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts ist - entgegen dem Vorbringen der Revision - zutreffend; ob der um die Erteilung einer Investitionszulagenbescheinigung nachsuchende Antragsteller gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des Investitionszulagengesetzes in der Fassung vom 3. Mai 1977 (BGBl I S. 670) - InvZulG 1977 - Steuerpflichtiger im Sinne des Einkommen- und Körperschaftsteuergesetzes ist, haben als rein steuerrechtliche Frage grundsätzlich nur die Finanzbehörden zu prüfen. Der Gesetzgeber hat im Interesse einer möglichst klaren Abgrenzung zwischen den Aufgaben der Finanzbehörden einerseits und denen der Wirtschaftsbehörden andererseits die Voraussetzungen für die Erteilung der Investitionszulagenbescheinigung in § 2 InvZulG 1977 im einzelnen mit der Folge geregelt, daß nur die Wirtschafts- und nicht die Finanzbehörden zu prüfen haben, ob ein dem Grunde nach begünstigtes Investitionsvorhaben vorliegt. Gesetzestechnisch ist die angestrebte Abgrenzung der beiden Kompetenzbereiche zwar nicht vollständig geglückt; gleichwohl läßt sich die für die Finanzbehörden bindende Prüfungs- und Entscheidungskompetenz der Wirtschaftsbehörden im Bescheinigungsverfahren hinreichend sicher ermitteln. Sie erstreckt sich nicht nur auf alle in § 2 Abs. 2 InvZulG 1977 ausdrücklich aufgeführten Voraussetzungen, sondern auch darauf, was nach § 2 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 2 InvZulG 1977 ausdrücklich Inhalt der Investitionszulagenbescheinigung ist. Dazu gehört zunächst, daß das Investitionsvorhaben den Zielen und Grundsätzen der Raumordnung und Landesplanung entspricht, und des weiteren, daß die errichtete oder erweiterte Betriebsstätte eine "gewerbliche" sein muß. Diese Abgrenzung ist auch sinnvoll. Ob eine Betriebsstätte im Sinne der genannten Vorschriften gewerblich ist, beurteilt sich nicht nach steuerrechtlichen Kriterien, sondern nach den wirtschaftspolitischen Lenkungszwecken, die der Gesetzgeber mit der Gewährung einer gebietsbezogenen Investitionszulage verfolgt; die Gewerblichkeit der Betriebsstätte stellt damit eine Voraussetzung dar, die für die Investitionszulage als Instrument der regionalen Strukturpolitik von besonderer Bedeutung ist. Für den in § 1 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1977 verwendeten Begriff des "Steuerpflichtigen im Sinne des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes" trifft das dagegen nicht zu. Demgemäß stellt schon der Wortlaut der genannten Vorschrift klar, daß über eine derartige Steuerpflicht im Rahmen des Bescheinigungsverfahrens nicht zu befinden ist; sie ist allein Voraussetzung für die Antragsberechtigung im Bewilligungsverfahren vor den Finanzbehörden. Das schließt im Einzelfall nicht aus, daß die Wirtschaftsbehörden eine offensichtlich fehlende Steuerpflicht im Rahmen des Sachbescheidungsinteresses mit berücksichtigen können; eine derartige Fallgestaltung ist hier jedoch nicht gegeben.

2. Das Berufungsgericht hat - was es nach dem Vorstehenden hätte tun müssen - nicht geprüft, ob das "...bad" eine gewerbliche Betriebsstätte im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1977 darstellt; diese Frage läßt sich, wie schon erwähnt, nicht nach steuerrechtlichen Kriterien beantworten. Deshalb kommt es nicht darauf an, ob das ... als ein "Betrieb gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts" im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 6 des Körperschaftsteuergesetzes oder als Gewerbebetrieb im Sinne von § 2 des Gewerbesteuergesetzes anzusehen ist. Auszugehen ist vielmehr von der Überlegung, daß die Investitionszulage als subventionsähnliches Lenkungsmittel das Investitionsverhalten der gewerblichen Wirtschaft beeinflussen soll. Diese Anreizfunktion setzt voraus, daß bei Standort- und Investitionsentscheidungen wirtschaftliche Überlegungen, nämlich die nachhaltige Absicht der Gewinnerzielung, zumindest gleichrangig neben anderen einschlägigen Erwägungen stehen. Das ist typischerweise nicht der Fall, soweit es - wie hier - um öffentliche Einrichtungen der Länder im Bereich des Gesundheitswesens geht; hier ließe es sich mit dem verfolgten öffentlichen Zweck in aller Regel nicht vereinbaren, wenn derartige Aktivitäten in erster Linie gezielt und nachhaltig unter dem Gesichtspunkt der Gewinnerzielung betrieben würden.

Der Kläger hält dem entgegen, das "...bad" sei in diesem Sinne keine öffentliche Einrichtung, sondern Teil eines Betriebes, der allein fiskalischen Zwecken - vergleichbar den Staatsbrauereien - diene. Das ist ersichtlich unzutreffend. Der Betrieb des ... und damit auch des ihm zugeordneten "...bades" geschieht in Wahrnehmung staatlicher Aufgaben im Bereich öffentlicher Daseinsvorsorge und ist damit keine vorwiegend gewinnorientierte Teilnahme des Fiskus am erwerbswirtschaftlichen Wettbewerb. Das folgt auch aus § 25a des Kostengesetzes. Danach kann für die Bereitstellung der in den Staatsbädern zu Kurzwecken unterhaltenen Einrichtungen eine Kurtaxe erhoben werden. Das "...bad" ist eine solche Einrichtung. Es dient damit einem öffentlichen Zweck; denn für rein erwerbswirtschaftlich ausgerichtete Betriebe wäre die Erhebung einer öffentlichen Abgabe nicht zulässig. Auf jeden Fall steht hier die Gewinnabsicht nicht in einer den fiskalischen Betrieben vergleichbaren Weise im Vordergrund, die es rechtfertigen würde, das "...bad" als gewerbliche Betriebsstätte im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1977 anzusehen; dies auch deshalb, weil das "...bad" als staatliche Kureinrichtung zugleich eine öffentliche Fremdenverkehrseinrichtung des Landes ist und damit die auf dieses Bad bezogenen Investitionsentscheidungen neben den Belangen der Volksgesundheit als öffentlichen Zweck auch die Förderung der regionalen Wirtschaftsstruktur zu berücksichtigen haben. Dem entspricht die Regelung in § 2 Abs. 2 Satz 2 des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" vom 6. Oktober 1969 (BGBl I S. 1861), wonach unter anderem öffentliche Fremdenverkehrseinrichtungen des Bundes und der Länder im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe nicht gefördert werden. Hier wie dort ist es also nicht Zweck der Förderung, den Staat durch Gewährung von finanziellen Zuschüssen zu einer besseren Aufgabenwahrnehmung zu bewegen. Der Kläger kann daher die von ihm begehrte Bescheinigung nicht erhalten, weil er sie für eine Betriebsstätte begehrt, die nicht als eine "gewerbliche" im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InvZulG 1977 anzusehen ist; demgemäß war das klageabweisende Urteil der ersten Instanz wiederherzustellen.