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BFH-Urteil vom 4.7.1985 (V R 107/76) BStBl. 1986 II S. 153

Eine aus den Mietern und Grundstückseigentümern eines Einkaufszentrums bestehende Werbegemeinschaft erbringt gegenüber ihren Gesellschaftern steuerbare Leistungen, wenn sie Werbemaßnahmen für das Einkaufszentrum vermittelt oder ausführt und zur Deckung der dabei entstehenden Kosten entsprechend den Laden- bzw. Verkaufsflächen gestaffelte Umlagen von ihren Gesellschaftern erhebt.

UStG 1967 § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, § 2 Abs. 1 Satz 3, § 14 Abs. 1, § 15 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Hamburg

Sachverhalt

I.

Die Klägerin als Gesellschaft bürgerlichen Rechts hatte nach § ... des Gesellschaftsvertrages zum Gesellschaftszweck die Förderung der gemeinsamen Interessen aller Mitglieder des X-Einkaufszentrums durch Maßnahmen auf dem Gebiet der Verkaufsförderung und Werbung. Gesellschafter waren alle Mieter und Grundstückseigentümer des X-Einkaufszentrums, sowie der Vermieter (§ ... des Gesellschaftsvertrages). Zu den Grundstückseigentümern gehörten die A-GmbH und die B-AG, die in dem Einkaufszentrum je ein eigenes Kaufhaus betrieben. Die Gesellschafter hatten nach § ... des Vertrages Umlagen zur Deckung der allgemeinen Unkosten der Gesellschaft und für Leistungen zu zahlen, welche die Gesellschaft den Gesellschaftern erbrachte, wie z.B. Werbemaßnahmen. Die Umlagen wurden von den Gesellschaftern nach dem Verhältnis ihrer Mietflächen erhoben. Zu Lagerzwecken gemietete Kellerräume blieben hierbei außer Ansatz. Sofern ein Gesellschafter zugleich Grundstückseigentümer war und Einzelhandel betrieb, war statt dessen seine Verkaufsfläche zugrunde zu legen. Der Vermieter des Einkaufszentrums hatte 15 v.H. der Summe der Umlagen aller übrigen Gesellschafter zu bezahlen. Über die zu zahlende Jahresumlage erteilte die Klägerin den Gesellschaftern Rechnungen, in denen sie Umsatzsteuer gesondert auswies.

In der Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahr 1970 hat die Klägerin als steuerbaren Umsatz den Gesamtbetrag der den Gesellschaftern in Rechnung gestellten Umlagen in Höhe von 285.901 DM ausgewiesen. Der sich daraus ergebenden Umsatzsteuer von 31.449,14 DM hat sie Vorsteuerbeträge in Höhe von 27.042,34 DM gegenübergestellt, so daß eine Umsatzsteuer in Höhe von 4.406,80 DM verblieb.

Das Finanzamt (Beklagter) hat die Umsatzsteuer 1970 auf 31.449,10 DM festgesetzt. Es vertrat die Auffassung, die Klägerin sei nicht Unternehmerin im Sinne des Umsatzsteuergesetzes und daher nicht berechtigt, Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen oder Vorsteuerbeträge abzuziehen. Gemäß § 14 Abs. 3 UStG 1967 schulde sie die in den Rechnungen gesondert ausgewiesene Umsatzsteuer.

Die Klage hatte keinen Erfolg.

Das Finanzgericht schloß sich der Auffassung des Finanzamts an, die Klägerin habe keine unternehmerische Tätigkeit ausgeübt, weil es an einem Leistungsaustausch fehle. Die Zahlungen der Gesellschafter stellten sog. echte Mitgliedsbeiträge dar, die zur Erreichung des Gemeinschaftszwecks erhoben würden und daher außerhalb eines Leistungsaustausches stünden. Die Klägerin habe keine Sonderbelange der einzelnen Gesellschafter wahrgenommen und mit ihren Werbemaßnahmen nicht auf die individuellen Verhältnisse des einzelnen Gesellschafters abgestellt. Es sei nämlich grundsätzlich für das X-Einkaufszentrum und die dort vorhandenen Einkaufsgelegenheiten geworben worden, nicht dagegen für das einzelne Ladengeschäft. Stets sei das X-Einkaufszentrum im Vordergrund gestanden. Die von der Klägerin erbrachte Werbeleistung sei grundsätzlich für alle Gesellschafter gleich gewesen. Die im Schrifttum vertretene Auffassung, daß die Erfüllung der Hauptaufgaben einer Personenvereinigung ebenfalls eine steuerbare Leistung sei und auch echte Mitgliedsbeiträge der Umsatzsteuer unterliegen, sei übereinstimmend mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung abzulehnen. Lediglich Leistungen, die dem einzelnen Mitglied erbracht und berechnet würden, stellten eine "Leistung" gegen Entgelt dar.

Das Finanzgericht hat die Revision zugelassen.

Mit der Revision rügt die Klägerin, das Finanzgericht habe zu Unrecht die Unternehmereigenschaft verneint; sie beantragt, das Urteil des Finanzgerichts aufzuheben und die Umsatzsteuer 1970 auf 4.406,80 DM festzusetzen.

Das Finanzamt beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist begründet.

Das angefochtene Urteil war aufzuheben. Es verletzt § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1967. Die Sache war zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Finanzgericht zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).

§ 14 Abs. 3 UStG 1967 greift nicht ein. Die Klägerin war zur Ausstellung von Rechnungen mit gesondertem Steuerausweis (§ 14 Abs. 1 UStG 1967) und zum Abzug der ihr von anderen Unternehmern in Rechnung gestellten Vorsteuerbeträge (§ 15 Abs. 1 UStG 1967) berechtigt.

Die Klägerin ist als Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen gegenüber ihren Mitgliedern tätig geworden (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1967). Sie hat steuerbare Leistungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 UStG 1967 erbracht. Die Klägerin ist im Verhältnis zu ihren Gesellschaftern im Rahmen eines Leistungsaustausches im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1967 tätig geworden; allein hiernach richtet sich, ob sie gegenüber ihren Gesellschaftern steuerbare Umsätze erbracht hat. Das Umsatzsteuerrecht hat für die Personenvereinigungen keine besondere Regelung getroffen.

1. Der Reichsfinanzhof (Urteil vom 5. Oktober 1934 V A 587/33, RFHE 37, 30), ihm folgend der Oberste Finanzhof (Urteil vom 28. Februar 1946 V 37/44, RFHE 54, 191) und der Bundesfinanzhof (Urteile vom 12. April 1962 V 134/59 U, BFHE 74, 703, BStBl III 1962, 260; vom 2. Februar 1967 V 138/64, BFHE 88, 529, BStBl III 1967, 502; vom 5. Dezember 1968 V 228/65, BFHE 95, 58, BStBl II 1969, 302; vom 9. Mai 1974 V R 128/71, BFHE 112, 430, BStBl II 1974, 530; und, in anderem Zusammenhang, Urteil vom 20. Dezember 1984 V R 25/76, BFHE 142, 524, BStBl II 1985, 176), haben sich zur Abgrenzung der steuerbaren von den nicht steuerbaren Leistungen einer Personenvereinigung gegenüber ihren Mitgliedern zwar, wie das Finanzgericht, auf die Begriffe Sonderbelange und Gesamtbelange gestützt. Als entscheidend wurde es aber angesehen, ob die Leistungen der Vereinigung in einem derartigen Zusammenhang zu den Beiträgen der Mitglieder standen, daß man von einem Leistungsaustausch sprechen konnte. Leistungsaustausch wurde angenommen, soweit eine Personenvereinigung Sonderbelange ihrer Mitglieder wahrnahm; soweit die Personenvereinigung den satzungsgemäßen Gemeinschaftszweck für die Gesamtbelange der Mitglieder erfüllte, wurde der für einen Leistungsaustausch erforderliche Zusammenhang zu den Beiträgen der Mitglieder verneint.

2. Der Leistungsaustausch (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG 1967) ist gekennzeichnet durch die innere Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung. Die Leistung wird erbracht, um die Gegenleistung zu erhalten. Diese wiederum wird bewirkt, um die Leistung zu erhalten. Stehen die einander gewährten Leistungen in dieser Wechselbeziehung und gegenseitigen Abhängigkeit, ist der Tatbestand der entgeltlichen Leistung erfüllt (BFH-Urteile vom 28. Februar 1980 V R 90/75, BFHE 130, 430, BStBl II 1980, 535 und vom 7. Mai 1981 V R 47/76, BFHE 133, 133, BStBl II 1980, 495). Leistungsaustausch ist dann nicht gegeben, wenn die Mitglieder nicht Leistungspartner der Personenvereinigung sind (BFH in BFHE 74, 703, BStBl III 1962, 260; s. auch Urteil vom 17. Juli 1980 V R 5/72, BFHE 131, 114, BStBl II 1980, 622). Etwas anderes ist auch BFHE 142, 524, BStBl II 1985, 176 nicht zu entnehmen.

3. Durch die (Hilfs-)Begriffe Sonderbelange einerseits, Gesamtbelange/Gemeinschaftszweck andererseits werden diese Tatbestandsvoraussetzungen des Leistungsaustausches im Hinblick auf das System des Umsatzsteuergesetzes 1967 nur unzureichend erfaßt und abgegrenzt. Dies zeigt sich am vorliegenden Sachverhalt. Das Finanzgericht hat die Leistungen der Klägerin deshalb als nicht steuerbar beurteilt, weil sie für alle Mitglieder (Gesellschafter) gleich seien und mit ihnen die Hauptaufgabe der Personenvereinigung (Gesellschaft) erfüllt werde. Diese Erwägungen stehen der Subsumtion der Tätigkeit der Klägerin unter den Begriff Leistungsaustausch jedoch nicht entgegen.

a) Wie § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1967 belegt, schließt es die Annahme eines Leistungsaustausches nicht aus, wenn mit der Tätigkeit einer Personenvereinigung lediglich deren satzungsgemäßer Zweck erfüllt wird; denn eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit wird vom Gesetz auch dann angenommen, wenn eine Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird. Bereits der Reichsfinanzhof (Urteil vom 18. Oktober 1926 V A 145/26, RFHE 19, 320, RStBl 1927, 79) hat es nicht für entscheidend erachtet, ob mit der Tätigkeit eines Verbandes lediglich der Verbandszweck erfüllt werde.

b) Die den Leistungsaustausch kennzeichnende Wechselbeziehung zwischen Leistung und Gegenleistung wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß die Leistungen der Personenvereinigung für alle Mitglieder gleich sind. Der Senat hat in BFHE 112, 430, BStBl II 1974, 530 einen Sachverhalt als Leistungsaustausch beurteilt, bei dem die Vereinigung gegenüber allen Mitgliedern gleichartige Leistungen erbracht, nämlich Hilfe in Lohnsteuersachen geleistet hatte oder zumindest dazu bereit war. Der dem Senat nunmehr zur Entscheidung vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich von dem jenem Urteil zugrunde liegenden Sachverhalt im wesentlichen nur dadurch, daß die Klägerin nicht, wie der Lohnsteuerhilfeverein, gegenüber jedem einzelnen Mitglied durch gleichartige Einzelleistungen tätig wird oder zumindest zur Leistung bereit ist, sondern durch seine Tätigkeit mit ein und derselben Leistung gleichzeitig für alle Mitglieder tätig wird. Die Tätigkeit der Klägerin stellt sich gleichwohl als steuerbare Leistung an jedes einzelne Mitglied an. Denn jedes Mitglied ist in erster Linie an den Auswirkungen der von der Klägerin veranlaßten Werbemaßnahmen für seinen Geschäftsbetrieb interessiert und nur in einem diesem Interesse entsprechenden Umfang bereit, Zahlungen an die Klägerin zu leisten; das gilt auch für den Vermieter. Nur in einem in diesem Sinn gleichgelagerten Interesse erfüllt die Klägerin somit gemeinschaftliche Belange ihrer Gesellschafter.

Ohne entscheidende Bedeutung ist, daß die Werbemaßnahmen auch der Aufrechterhaltung des Einkaufszentrums als solchem und damit auch den jeweils anderen Gesellschaftern dienen. Denn diese Folge der Werbemaßnahmen geht in ihrem Hauptzweck, die wirtschaftliche Existenz der einzelnen Gesellschafter zu sichern, auf; sie ergibt sich zwangsläufig aus der besonderen Organisationsform, in der die gewerbliche Tätigkeit der Gesellschafter ausgeübt wird. Dies kommt auch darin zum Ausdruck, daß in den Fällen, in denen bei einer Werbemaßnahme eine Branche besonders hervorgehoben wurde, darauf geachtet wurde, daß dies bei anderer Gelegenheit auch für die anderen geschah.

c) Die von der Klägerin erhobenen Umlagen stehen in der erforderlichen Wechselbeziehung und gegenseitigen Abhängigkeit zu ihren Leistungen. Hierfür genügt es, daß die Höhe der Umlagen sich nach den für die Vermittlung und Durchführung der Werbemaßnahmen erforderlichen Aufwendungen der Klägerin richtet und entsprechend dem vermuteten Eigennutzen der Mitglieder an diesen Werbemaßnahmen bemessen wird. Sie werden nicht unabhängig davon erhoben, ob und in welchem Umfang den Gesellschaftern die Leistungen der Klägerin zugute kommen. Die Staffelung der Umlagen nach der Laden- bzw. Verkaufsfläche berücksichtigt in erster Linie das Interesse der Gesellschafter an den Leistungen der Klägerin. Denn der von den einzelnen Mitgliedern geleistete Aufwand entspricht dem - auch von der Verkaufsfläche abhängigen - erwarteten Erfolg der Werbemaßnahmen.

Ohne Belang ist, ob Leistung und Gegenleistung gleichwertig waren, ob also die Umlagen anteilsmäßig dem Wert der Werbemaßnahmen für das einzelne Mitglied entsprachen. Denn die Verwirklichung des Steuertatbestandes ist von der Angemessenheit der jeweiligen Leistungen grundsätzlich unabhängig; diese Frage berührt vielmehr die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer (vgl. Weiß, Anmerkung in UR 1982, 162, Fußnote 9).

4. Die Sache ist nicht zur abschließenden Entscheidung reif. Die Prüfung der Umsätze und der von der Klägerin geltend gemachten Vorsteuerbeträge ist nachzuholen.