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BFH-Urteil vom 9.10.1985 (II R 189/80) BStBl. 1986 II S. 171

1. Zur Abgrenzung von Zweifamilienhäusern bei gewerblicher Mitbenutzung.

2. Streitgegenstand bei beantragter Fortschreibung eines Einheitswerts ist der konkrete Antrag.

BewG 1965 § 75 Abs. 6 Satz 2 i.V.m. Abs. 5 Satz 4; FGO § 65.

Vorinstanz: FG Bremen

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war Eigentümer eines bebauten Grundstücks.

Das Gebäude enthielt am streitigen Stichtag (1. Januar 1978) mehrere Wohnungen im Erd- und Obergeschoß (umstritten ist, ob es sich um zwei oder drei Wohnungen handelt) und zusätzlich ein im Erdgeschoß betriebenes Ladengeschäft, das mit zwei Schaufenstern ausgestattet war und einen eigenen Eingang besaß. Die Eingangstür für den Wohnbereich des Grundstücks befand sich neben dem zur X-Straße gelegenen Schaufenster an der Grenze zum Nachbargrundstück.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) bewertete das Grundstück zum Hauptfeststellungszeitpunkt (1. Januar 1964) als gemischtgenutztes Grundstück.

Durch notariellen Vertrag vom 29. September 1978 erwarb der Beigeladene das Grundstück.

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 27. Juni 1978, eine Artfortschreibung auf den 1. Januar 1978 durchzuführen und als Grundstücksart "Zweifamilienhaus" festzustellen.

Das FA lehnte den Fortschreibungsantrag durch Bescheid vom 18. Juli 1978 ab.

Einspruch und Klage waren erfolglos. Zur Begründung führte das Finanzgericht (FG) im wesentlichen aus: Nach § 75 Abs. 4 des Bewertungsgesetzes (BewG) könne ein Grundstück nicht in die Grundstücksart gemischtgenutztes Grundstück eingeordnet werden, wenn es die Merkmale eines Zweifamilienhauses erfülle. Auch ein Grundstück, das zu gewerblichen oder freiberuflichen Zwecken mitbenutzt werde, gelte als Zweifamilienhaus, wenn dadurch die Eigenart als Zweifamilienhaus nicht wesentlich beeinträchtigt werde (§ 75 Abs. 6 Satz 2 i. V. m. Abs. 5 Satz 4 BewG). Das in dem Gebäude betriebene Ladengeschäft habe zwei Schaufenster und einen separaten Ladeneingang. Schon allein dadurch spreche das äußere Erscheinungsbild deutlich gegen den Charakter des Gebäudes als Zweifamilienhaus. Da die Mitbenutzung zu gewerblichen Zwecken im Streitfall schon nach dem äußeren Erscheinungsbild die Eigenart des Gebäudes als Zweifamilienhaus wesentlich beeinträchtige, seien der Umfang des Geschäfts sowie die Art seiner inneren Gestaltung zweitrangig. Es komme daher auch weder auf das Verhältnis der gewerblichen Nutzung zur Nutzung zu Wohnzwecken an noch auf die Frage, ob sich in dem Gebäude neben dem Ladengeschäft zwei oder drei selbständige Wohnungen befänden.

Mit der Revision rügt der Kläger unrichtige Anwendung der Abgrenzungsmerkmale von Zweifamilienhaus und gemischtgenutztem Grundstück (§ 75 Abs. 6 i. V. m. Abs. 5 Satz 4 BewG). Der Laden im Erdgeschoß sei gegenüber der Wohnung im Erdgeschoß und der Wohnung im ersten Stock bzw. im Dachgeschoß von untergeordneter Bedeutung.

Er beantragt, die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung aufzuheben und als Grundstücksart Zweifamilienhaus festzustellen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen.

Nach § 75 Abs. 4 BewG ist ein Grundstück u. a. nur dann in die Grundstücksart "gemischtgenutztes Grundstück" einzuordnen, wenn es nicht alle Merkmale eines Zweifamilienhauses erfüllt. Dabei ist zu berücksichtigen, daß ein Grundstück auch dann als Zweifamilienhaus gilt, wenn es zwar zu gewerblichen Zwecken mitbenutzt wird, dadurch aber die Eigenart als Zweifamilienhaus nicht wesentlich beeinträchtigt wird (§ 75 Abs. 6 Satz 2 i. V. m. Abs. 5 Satz 4 BewG). Aus der Systematik des BewG folgt demnach, daß die Einordnung in die Grundstücksart Zweifamilienhaus Vorrang vor der Einreihung in die Grundstücksart gemischtgenutztes Grundstück hat (§ 75 Abs. 4 BewG; vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Februar 1985 III R 78/81, BFHE 142, 570, BStBl II 1985, 284, mit weiteren Nachweisen).

Ob im Streitfall eine andere Artfeststellung als Zweifamilienhaus in Betracht kommt, hängt demnach davon ab, ob wegen der gegebenen gewerblichen Mitbenutzung die Eigenart als Zweifamilienhaus wesentlich beeinträchtigt wird. Hierzu hat das FG die Umstände dargelegt, aus denen sich eine wesentliche Beeinträchtigung ergibt. Zulässige oder begründete Verfahrensrügen werden von der Revision insoweit nicht vorgebracht.

Der erkennende Senat hat in seiner Entscheidung vom 9. Oktober 1985 II R 249/81 (BStBl II 1986, 172) ausgeführt, es hänge vom Umfang der freiberuflichen (im Streitfall handelt es sich um eine gewerbliche) Nutzung, dem äußeren Erscheinungsbild des Grundstücks und der inneren baulichen Gestaltung des Gebäudes ab, ob die Eigenart als Ein- oder Zweifamilienhaus wesentlich beeinträchtigt werde. Er wies darauf hin, daß der räumliche Umfang kein ausschließliches Beurteilungsmerkmal, sondern nur einen Anhaltspunkt darstellt, der im Zusammenhang mit weiteren Merkmalen von Bedeutung ist. Er maß neben der inneren Gestaltung des Gebäudes dem äußeren Erscheinungsbild vorrangige Bedeutung bei. Dies muß bei einer gewerblichen Mitbenutzung - wie im Streitfall - in erhöhtem Maße gelten (vgl. auch BFH-Urteile vom 27. Mai 1970 III R 65/68, BFHE 99, 493, BStBl II 1970, 678; vom 2. Juli 1976 III R 54/75, BFHE 119, 294, BStBl II 1976, 640). Von diesen Grundsätzen geht die Vorentscheidung aus. Sie räumt daher dem äußeren Erscheinungsbild zu Recht Vorrang ein.

Der erkennende Senat teilt auch die Auffassung des FG, daß es in diesem Zusammenhang nicht mehr darauf ankommt, ob in dem Gebäude neben dem Ladengeschäft zwei oder drei selbständige Wohnungen vorhanden sind. Streitgegenstand ist der konkrete Antrag des Klägers, mit dem er die Bewertung des Grundstücks als Zweifamilienhaus begehrt. Dem Senat ist es daher verwehrt zu überprüfen, ob aus anderen Gründen eine andere Artfeststellung als Zweifamilienhaus oder gemischtgenutztes Grundstück geboten sein könnte (vgl. Entscheidungen des Großen Senats vom 17. Juli 1967 GrS 1/66, BFHE 91, 393, BStBl II 1968, 344; vom 26. November 1979 GrS 1/78, BFHE 129, 117, BStBl II 1980, 99, sowie BFH-Urteil vom 13. November 1981 III R 116/78, BFHE 135, 85, BStBl II 1983, 88).