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BFH-Beschluß vom 10.1.1986 (IX B 5/85) BStBl. 1986 II S. 270

Wird der Beschluß, durch den einem Zeugen gemäß § 82 FGO i. V. m. § 380 Abs. 1 ZPO die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten und ein Ordnungsgeld auferlegt wurden, auf die durch eine nach Art. 1 Nr. 1 BFH-EntlG vertretungsberechtigte Person eingelegte Beschwerde des Zeugen aufgehoben, so fallen die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers der Staatskasse zur Last.

FGO §§ 82, 135 Abs. 1; ZPO §§ 380, 401; ZSEG § 11; OWiG § 46; StPO § 467.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

Durch Beschluß vom 29. Oktober 1984 hat das Finanzgericht (FG) dem Beschwerdeführer die durch sein Ausbleiben als Zeuge in der mündlichen Verhandlung vom 23. Oktober 1984 verursachten Kosten auferlegt sowie ein Ordnungsgeld von 100 DM, ersatzweise Ordnungshaft von zwei Tagen festgesetzt. Gegen den Beschluß legte der Beschwerdeführer Beschwerde ein.

Er beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluß aufzuheben.

Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Entscheidungsgründe

Die Beschwerde ist zulässig (wird ausgeführt).

Die Beschwerde ist begründet (wird ausgeführt).

Da es sich bei einem Beschwerdeverfahren, durch das sich ein Zeuge gegen Maßnahmen eines Gerichts i. S. von § 82 FGO, § 380 Abs. 1 ZPO wendet, um ein selbständiges Zwischenverfahren handelt, hat der Senat auch gemäß § 143 Abs. 1 FGO über die Kosten dieses Verfahrens zu entscheiden (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 11. Aufl., § 143 FGO Tz. 1).

Eine Entscheidung über die Gerichtskosten entfällt (Anlage 1 zu § 11 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes - GKG -). Nach § 135 Abs. 1 FGO trägt der unterliegende Beteiligte die Kosten des Verfahrens. Beteiligter im vorliegenden Beschwerdeverfahren ist aber nur der beschwerdeführende Zeuge, der obgesiegt hat.

Die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeführers hat auch nicht der im Hauptverfahren unterliegende Beteiligte nach § 135 Abs. 1, § 139 Abs. 1, § 82 FGO i. V. m. § 401 ZPO zu tragen; denn die Kosten der Beschwerde eines Zeugen gegen die Auferlegung der durch sein Ausbleiben verursachten Kosten und einer Ordnungsstrafe sind nicht nach § 11 des Gesetzes über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen (ZSEG) erstattungsfähig (anderer Meinung Beschluß des Oberlandesgerichts - OLG - Düsseldorf vom 17. September 1984 21 W 28/84, Monatsschrift für Deutsches Recht - MDR - 1985, 60; Hartmann, Kostengesetze, 21. Aufl., § 11 ZSEG Anm. D; Meyer/Höver, ZSEG, 15. Aufl., § 11 Tz. 331, jeweils mit weiteren Hinweisen).

Außer in den durch §§ 9 und 10 ZSEG geregelten Fällen werden dem Zeugen nach § 11 ZSEG die Auslagen ersetzt, "soweit sie notwendig sind". Dies gilt besonders für die Kosten einer notwendigen Vertretung und für die Kosten notwendiger Begleitpersonen (Satz 2). Zwar sind die Kosten der Beschwerde eines Zeugen dadurch veranlaßt, daß er vom Gericht als Zeuge zu Beweiszwecken herangezogen worden ist. Dem Beschwerdeführer entstanden die außergerichtlichen Kosten auch zwangsläufig, da er sich nach Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFH-EntlG) vor dem BFH durch einen Rechtsanwalt, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen mußte (vgl. BFH-Beschluß vom 16. Januar 1984 GrS 5/82, BFHE 140, 408, BStBl II 1984, 439). Die Kosten sind jedoch nicht notwendig i. S. des § 11 ZSEG. Sie werden nicht aufgewendet, um der Verpflichtung nachzukommen, als Zeuge vor Gericht zu erscheinen. Daß nur diese Aufwendungen von § 11 Satz 1 ZSEG erfaßt werden, ergibt sich nach Auffassung des Senats aus dem Sinn und Zweck des ZSEG und aus dem Zusammenhang von § 11 Satz 1 mit den §§ 9 und 10 ZSEG sowie aus § 11 Satz 2 ZSEG. Nach den letztgenannten Vorschriften werden nur die Auslagen ersetzt bzw. der Aufwand entschädigt, der dadurch entsteht, daß der Zeuge den Termin wahrnimmt. Im übrigen hielte es der Senat auch für nicht gerechtfertigt, daß der im Hauptverfahren unterliegende Beteiligte bei einer erfolgreichen Beschwerde des Zeugen dessen außergerichtliche Kosten zu tragen hätte. Eine unrichtige Sachbehandlung i. S. des § 8 GKG mit der Folge, daß diese Kosten von dem im Hauptverfahren unterliegenden Beteiligten nicht erhoben werden würden, kann in Fällen der vorliegenden Art, in denen das Ausbleiben des Zeugen nachträglich entschuldigt wird, nicht angenommen werden.

Die Kostenregelung der FGO erweist sich mithin für den Fall des Obsiegens des beschwerdeführenden Zeugen als planwidrig unvollständig. Nach Auffassung des Senats ist diese Regelungslücke durch Anwendung des in § 46 Abs. 1 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten i. V. m. § 467 der Strafprozeßordnung zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedankens, daß dann, wenn es nicht zu einer Verurteilung kommt, die Kosten des Betroffenen der Staatskasse zur Last fallen, auszufüllen (vgl. auch Zöller/Stephan, Zivilprozeßordnung, 14. Aufl., § 380 Anm. 10, und Thomas/Putzo, Zivilprozeßordnung mit Nebengesetzen, 13. neu bearbeitete Aufl., § 380 ZPO Tz. 3, mit weiteren Hinweisen); denn das unentschuldigte Fernbleiben vor Gericht gehört seinem Wesen nach zu den Ordnungswidrigkeiten (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs zum Einführungsgesetz zum Strafgesetzbuch, BT-Drucks. 7/550, Nr. 12 S. 195).

Der I. und VIII. Senat des BFH haben der Abweichung von ihren Entscheidungen vom 8. Januar 1975 I B 61/74 (BFHE 114, 404, BStBl II 1975, 305) bzw. vom 19. Juni 1980 VIII B 26/79 (BFHE 131, 265, BStBl II 1981, 57) und vom 22. Juni 1984 VIII B 122/83 (nicht veröffentlicht) zugestimmt.