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BFH-Urteil vom 13.12.1985 (VI R 203/84) BStBl. 1986 II S. 344

Als für die Zuordnung eines Kindes beim Vater erforderlicher Nachweis der Zugehörigkeit zu seinem Haushalt (§ 32 Abs. 4 Satz 3, 2. Alternative EStG) genügt es, wenn die zuständige Behörde bescheinigt, daß das Kind mit seinen Eltern in Hausgemeinschaft lebe.

EStG 1979 § 32 Abs. 4 Satz 3.

Vorinstanz: FG Rheinland Pfalz

Sachverhalt

Im Haushalt des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) und der Frau K, mit der der Kläger in eheähnlicher Gemeinschaft lebt, wohnt das im November 1968 geborene gemeinsame Kind M und ein weiteres Kind von Frau K aus früherer Ehe. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) lehnte die vom Kläger beantragte Eintragung des Kindes M auf seiner Lohnsteuerkarte 1979 ab. Da das Kind in der gemeinsamen Wohnung seiner Eltern gemeldet sei, sei es der Mutter zuzuordnen. Das Kreisjugendamt bescheinigte am 6. März 1978, daß das Kind M mit seinen Eltern in Haushaltsgemeinschaft lebe, der Kläger die Vaterschaft anerkannt habe und die elterliche Gewalt auf die Mutter übertragen worden sei. Mit weiterem Schreiben vom 25. Januar 1979 teilte das Jugendamt mit, es könne keine Bescheinigung des Inhalts ausstellen, daß die Haushalts- und Wirtschaftsführung unter Leitung des Vaters erfolge, da dies nicht beurteilt werden könne; statt dessen werde eine diesbezügliche Erklärung des Klägers an Eides Statt angeregt. Das FA hielt eine derartige Erklärung für unbeachtlich und wies den eingelegten Einspruch zurück.

Die Klage, mit der der Kläger zuletzt beantragt hatte festzustellen, daß die Unterlassung der Eintragung des Kindes M auf der Lohnsteuerkarte 1979 rechtswidrig gewesen sei, hatte Erfolg. Nachdem das Urteil des Finanzgerichts (FG) im ersten Rechtsgang aus formellen Gründen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Juni 1984 VI R 246/80, BFHE 141, 227, BStBl II 1984, 720) aufgehoben worden war, bestätigte das FG seine Entscheidung in der Sache mit den bereits in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1981, 130 wiedergegebenen Gründen.

Das FA rügt mit der Revision die Verletzung von § 32 Abs. 4 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Es macht geltend, das Gesetz weise bei nicht in intakter Ehe lebenden Eltern ein Kind im Regelfall (§ 32 Abs. 4 Satz 3, 1. Alternative EStG) der Mutter und nur ausnahmsweise (§ 32 Abs. 4 Satz 3, 2. Alternative EStG) dem Vater zu. Der Regelfall sei auch bei gleichzeitiger Zugehörigkeit des Kindes zu einem Haushalt der Mutter und einem solchen des Vaters, insbesondere bei gemeinsamem Haushalt der Eltern, gegeben. Die ausnahmsweise Zuordnung beim Vater komme nur bei ausschließlicher Zugehörigkeit zum Haushalt des Vaters in Betracht.

Das FA beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

1. Ein Kind eines unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaares, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht vorliegen und das in der gemeinsamen Wohnung der Eltern mit Hauptwohnung gemeldet ist, wird dem Vater zugeordnet, wenn dieser durch eine Bescheinigung der zuständigen Behörde nachweist, daß es zu seinem Haushalt gehört hat (§ 32 Abs. 4 Satz 3, 2. Alternative EStG). Es genügt die bloße Bescheinigung der Haushaltszugehörigkeit. Darüber hinaus ist weder eine amtliche Erklärung des Inhalts erforderlich, daß der Haushalt, zu dem das Kind gehört, nur ein Haushalt des Vaters und nicht gleichzeitig ein solcher weiterer Personen, etwa der Mutter, sei, noch darüber, daß das Kind die Wohnung des Vaters "unter dessen Leitung" teile (Clausen in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19. Aufl., § 32 EStG, Grüne Blätter, S. 20, m. w. N.; Lademann/Söffing/Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 32 Anm. 54; anderer Ansicht Stolterfoht in Frotscher, Einkommensteuergesetz, § 32 Anm. 33).

a) Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch besitzt der Vater einen Haushalt dort, wo er allein oder mit anderen eine Wohnung innehat, in der hauswirtschaftliches Leben herrscht, an dem er sich persönlich und finanziell beteiligt. Das Kind gehört zu diesem Haushalt jedenfalls dann, wenn es in diesem wohnt und unterhalten wird.

aa) Unter der Haushaltszugehörigkeit i. S. von § 32 Abs. 4 Satz 3, 2. Alternative EStG ist nicht abweichend hiervon die Zugehörigkeit nur zu einem Haushalt des Vaters zu verstehen. Hiergegen spricht bereits der Umstand, daß die Zuordnung beim Vater aufgrund Haushaltszugehörigkeit gerade für den Fall vorgesehen ist, daß das Kind in einer gemeinsamen Wohnung der Eltern mit Hauptwohnung gemeldet war (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 27. Juli 1984 VI R 124/80, BFHE 142, 119, BStBl II 1985, 8). Der Gesetzgeber wollte erkennbar eine Zuordnungsregelung für alle möglichen Meldeverhältnisse eines Kindes treffen, also auch für den Fall, daß das Kind mit Hauptwohnsitz dort gemeldet ist, wo beide Eltern wohnen. Sofern der Gesetzgeber für die Zuordnung beim Vater erschwerte Erfordernisse hätte aufstellen wollen, wäre zu erwarten gewesen, daß er dies durch entsprechende Formulierungen zum Ausdruck gebracht hätte, etwa dergestalt, daß das Kind nicht gleichzeitig zum Haushalt eines Dritten gehören dürfe bzw. der Vater bei gemeinsamer Haushaltsführung den finanziellen Aufwand des Haushalts überwiegend oder ausschließlich tragen müsse. Solche Anforderungen sind dem Begriff der bloßen Haushaltszugehörigkeit indessen nicht zu entnehmen. Sie widersprechen im übrigen dem in der Gesamtregelung des § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG ersichtlichen Prinzip, die Zuordnung aus Gründen einfacher Verwaltungshandhabung an formale, leicht feststellbare Kriterien zu knüpfen (BFH-Urteile vom 14. August 1981 VI R 33/78, BFHE 134, 277, BStBl II 1982, 111; vom 4. Juni 1982 VI R 29/79, BFHE 136, 230, BStBl II 1982, 733, und vom 17. September 1982 VI R 86/79, BFHE 136, 481, BStBl II 1983, 9).

bb) Aus den genannten Gründen ist entgegen Abschn. 60 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 der Lohnsteuer-Richtlinien 1978 (LStR), Abschn. 181 Abs. 2 Nr. 3 der Einkommensteuer-Richtlinien 1978 (EStR) auch keine Feststellung darüber erforderlich, daß das Kind "unter Leitung des Vaters" dessen Wohnung geteilt habe. Das Gesetz hat die Zuordnung des Kindes beim Vater nicht einmal davon abhängig gemacht, daß dem Vater die Personensorge über das Kind zustehen müsse. Noch weniger kann die selbst bei massivem Eindringen in die persönlichen Verhältnisse der Familie nur schwer zu treffende Feststellung darüber verlangt werden, daß der Vater die Personensorge über das Kind "leitend", also maßgeblich, tatsächlich ausgeübt hat.

b) Das Erfordernis der Zugehörigkeit des Kindes ausschließlich zum Haushalt des Vaters ergibt sich auch nicht aus einem - wie das FA meint - bei der Zuordnung des Kindes einzuhaltenden Regel-Ausnahmeverhältnis. Die Zuordnungsgesamtregelung (§ 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG) läßt nämlich einen prinzipiellen Vorrang der Mutter nicht erkennen.

Die Zuordnung hängt in erster Linie davon ab, in wessen Wohnung das Kind erstmals im Kalenderjahr mit Hauptwohnung gemeldet war (§ 32 Abs. 4 Satz 2 EStG). Das kann die Wohnung des Vaters oder die der Mutter sein. Für den zusätzlich regelungsbedürftigen Fall, daß das Kind entweder in der Wohnung keines Elternteiles oder in einer gemeinsamen Wohnung der Eltern mit Hauptwohnung gemeldet war, ist wiederum alternativ eine Zuordnung bei der Mutter oder beim Vater möglich (§ 32 Abs. 4 Satz 3 EStG). Wenn auch die Zuordnung beim Vater zusätzlich den Nachweis der Zugehörigkeit des Kindes zum Haushalt des Vaters voraussetzt, kann daraus nicht hergeleitet werden, das Kind sei vorrangig der Mutter und nur ausnahmsweise dem Vater zuzuordnen. Denn bei Erbringen der Bescheinigung über die Haushaltszugehörigkeit ist das Kind nur dem Vater zuzuordnen, und die Mutter hat keine Möglichkeit, ihrerseits die Zuordnung des Kindes durch den Nachweis zu erreichen, daß das Kind auch zu ihrem Haushalt gehöre.

c) Deshalb trifft es auch nicht zu, daß eine nicht einschränkende Auslegung des Begriffs der Haushaltszugehörigkeit zu einer Doppelberücksichtigung des Kindes führe.

Dem FA ist lediglich insofern zu folgen, daß ein Kind eines unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Elternpaares, bei dem die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht vorliegen, gemäß § 32 Abs. 4 Sätze 2 und 3 EStG entweder dem Vater oder der Mutter zugeordnet wird. Diese Vorschriften bezwecken nämlich - wie sich auch aus ihrer Entstehungsgeschichte ergibt - den Ausschluß einer Mehrfachzuordnung eines Kindes jedenfalls hinsichtlich derjenigen Personen, die zu diesem Kind in einem gleichartigen Kindschaftsverhältnis stehen. Auch nach Satz 3 des § 32 Abs. 4 EStG soll das Kind nicht beiden Eltern, sondern entweder der Mutter (1. Satzteil) oder dem Vater (2. Satzteil) zugeordnet werden. Das entspricht dem vom Gesetz verfolgten Zweck, das Kind nicht kumulativ, sondern alternativ zuzuordnen.

d) Allerdings hat die Auslegung, daß ein Kind, das im gemeinsamen Haushalt der Eltern wohnt, zum Haushalt des Vaters i. S. des § 32 Abs. 4 Satz 3, 2. Alternative EStG gehört, zur Folge, daß die Eltern die Zuordnung des Kindes einvernehmlich bei demjenigen Elternteil bewirken können, bei dem sich die Zuordnung steuerlich am günstigsten auswirkt, indem sie die Bescheinigungen der Haushaltszugehörigkeit vorlegen oder hiervon absehen. Diese Folge ist vom Gesetzgeber indessen beabsichtigt; er hat sie zumindest in Kauf genommen.

Offenbar in Kenntnis des Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 17. Oktober 1973 1 BvL 20/72 (BVerfGE 36, 126, BStBl II 1974, 92) hat der Gesetzgeber in § 32 Abs. 4 Satz 3, zweiter Halbsatz EStG ausdrücklich die Möglichkeit geschaffen, ein Kind, das mit seinen Eltern in einer gemeinsamen Wohnung lebt, auch dem Vater zuzuordnen. Dadurch wird erreicht, daß in derartigen Fällen ein Kind nicht deswegen steuerlich unberücksichtigt bleibt oder nur unzureichend berücksichtigt wird, weil die Mutter kein oder nur ein geringes Einkommen bezieht (BFH-Beschluß vom 24. Oktober 1980 VI B 78/80, BFHE 131, 514, BStBl II 1981, 54).

Die Eltern können bereits durch Erklärungen gegenüber der Meldebehörde in gewissem Umfang einvernehmlich auf die Zuordnung eines Kindes bei einem von beiden Elternteilen Einfluß nehmen (vgl. BFHE 134, 277, BStBl II 1982, 111, und BFHE 136, 230, BStBl II 1982, 733). Durch die dem Vater in § 32 Abs. 4 Satz 3, 2. Alternative EStG eingeräumte Nachweismöglichkeit wird die Gestaltungsbefugnis erweitert. Die Befugnis zur Gestaltung ergibt sich aus der Tatsache, daß die Zuordnung des Kindes beim Vater nicht schon zwingend an die Zugehörigkeit des Kindes zum Haushalt des Vaters anknüpft, sondern daran, daß sich der Vater eine diesbezügliche Bescheinigung beschafft und sie dem FA vorlegt. Bereits in Art. 1 § 99 des Entwurfs eines Dritten Steuerreformgesetzes vom 9. November 1974, der die Zuordnung eines Kindes noch durchgängig von der Haushaltszugehörigkeit abhängig machen wollte, war den Steuerpflichtigen in bestimmten Fällen die Befugnis eingeräumt worden, einen von ihnen gemeinsam zum Zuordnungsberechtigten zu bestimmen (Absatz 3). Bei einem Elternpaar ergab sich eine derartige Gestaltungsmöglichkeit nach Absatz 4 der bezeichneten Vorschrift dadurch, daß die Haushaltszugehörigkeit bei der Mutter fingiert wurde, solange der Vater nicht nachwies, daß das Kind zu seinem Haushalt gehöre. Demnach sollte es bei der Zuordnung des Kindes zur Mutter verbleiben, wenn der Vater - obgleich er dazu in der Lage war - die erforderliche Bescheinigung nicht vorlegte. Diese Regelung ist in modifizierter Form in § 32 Abs. 4 Satz 3, 2. Alternative EStG übernommen worden.

Bei der dargelegten Auslegung greifen auch die Bedenken einer verfassungswidrigen Benachteiligung (Geier in Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 14. Aufl., § 32 EStG Rz. 16e; Schmidt/Seeger, Einkommensteuergesetz, 4. Aufl., § 32 Anm. 5 e S. 1436; Schlarp, Finanz-Rundschau 1980, 262, 263) nicht durch, die aus der Tatsache hergeleitet werden, daß der Vater gegenüber der Mutter wegen des besonderen Nachweiserfordernisses der Haushaltszugehörigkeit schlechtergestellt sei. Denn der zusätzliche Nachweis hat auch die endgültige Zuordnung des Kindes beim Vater zur Folge. Eine derartige endgültige Zuordnung verstößt nicht gegen das Willkürverbot des Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes, da der Gesetzgeber für den Regelfall zu Recht davon ausgehen konnte, daß ein Kind, das - ggf. auch - zum Haushalt des Vaters gehört, sich dort überwiegend aufhalten wird und daß der Vater den Unterhalt des Kindes überwiegend tragen wird (vgl. ebenso hinsichtlich der melderechtlichen Anknüpfung BFHE 134, 277, BStBl II 1982, 111). Darüber hinaus konnte der Gesetzgeber davon ausgehen, daß das Kind sich regelmäßig mit Einverständnis des Sorgeberechtigten im Haushalt des Vaters befinden wird und daß die Vorlage der erforderlichen Bescheinigung im Regelfall erfolgen werde, um die Zuordnung bei demjenigen Elternteil herbeizuführen, bei dem sie sich steuerlich am günstigsten auswirkt. Die zur Vermeidung einer Doppelberücksichtigung endgültige Zuordnung bei einem Elternteil und die Entscheidung zugunsten des Vaters bei Zugehörigkeit zu seinem Haushalt ist sachgerecht, weil die Haushaltszugehörigkeit die Vermutung nahelegt, daß der Vater das Kind jedenfalls auch persönlich betreut und unterhält (vgl. BVerfG-Beschluß vom 8. Juni 1977 1 BvR 265/75, BVerfGE 45, 104, BStBl II 1977, 526, 534).

2. Im Streitfall war das Kind dem Vater zuzuordnen, weil er die in § 32 Abs. 4 Satz 3, 2. Alternative EStG vorgesehene Bescheinigung beigebracht hat. Die Erklärung der zuständigen Behörde, das Kind M lebe mit seinen Eltern in Haushaltsgemeinschaft, schloß die Feststellung mit ein, das Kind gehöre jedenfalls auch zum Haushalt des Vaters. Weitere Erläuterungen über die Intensität dieser Haushaltsgemeinschaft waren, wie dargelegt, nicht erforderlich.