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BFH-Urteil vom 7.11.1985 (IV R 65/83) BStBl. 1986 II S. 364

Zu den personellen Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung, insbesondere, wenn einer Betriebskapitalgesellschaft durch zwei personell unterschiedlich zusammengesetzte Grundstücksgesellschaften bzw. Grundstücksgemeinschaften je ein Betriebsgrundstück zur Nutzung überlassen ist.

GewStG § 2; EStG § 15.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz

Sachverhalt

Der Kaufmann B war Alleininhaber eines Textileinzelhandelsgeschäfts. Er betrieb dieses Unternehmen auf dem bebauten Grundstück X-Straße (sog. altes Kaufhaus). Das Grundstück gehörte einer Erbengemeinschaft, bestehend aus B und seiner Schwester, Frau W. Mit Vertrag vom 15. Dezember 1971 übertrug Frau W unter gleichzeitiger Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft mit B ihren Grundstückshälfteanteil an U; dieser ist leiblicher Sohn der Frau W und Adoptivsohn des B und dessen Ehefrau (Frau B). Mit Vertrag vom 1. Januar 1972 verpachtete B sein Einzelhandelsgeschäft einschließlich des im Miteigentum von B und U zu je 1/2 stehenden Grundstücks "altes Kaufhaus" an die X- GmbH (GmbH) zum Betrieb eines Kaufhauses.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine mit Vertrag vom 15. Dezember 1971 gegründete Grundstücksgesellschaft (Gesellschaft bürgerlichen Rechts - GbR -), an der Frau B und deren Adoptivsohn und Neffe U zu je 1/2 beteiligt sind. Zum Gesellschaftsvermögen der Klägerin gehört das von Frau B und U erst am 15. Dezember 1971 erworbene, unmittelbar an das sog. alte Kaufhaus angrenzende Grundstück Y-Straße. Auf diesem Grundstück errichtete die Klägerin 1972 einen Rohbau (sog. neues Kaufhaus), den sie ab 1. Oktober 1972 an die GmbH zum weiteren Ausbau und Betrieb eines Kaufhauses vermietete.

Am Stammkapital der GmbH sind B zu 40 v. H., Frau B zu 25 v. H., U zu 25 v. H. und ein Angestellter der GmbH, der Prokurist St zu 10 v. H. beteiligt. Frau B hat ihr Stimmrecht aus ihrem Geschäftsanteil unter dem Vorbehalt des jederzeitigen Widerrufs an ihren Ehemann B abgetreten. B ist alleiniger Geschäftsführer der GmbH; Frau B und U haben Prokura.

Altbau und Neubau sind bautechnisch selbständige Gebäudeeinheiten, werden aber als einheitliches Kaufhaus genutzt.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) vertrat im Anschluß an eine Außenprüfung die Auffassung, es liege eine teils echte, teils unechte Betriebsaufspaltung vor. Die GmbH sei Betriebsgesellschaft nicht nur im Verhältnis zu der aus B und U bestehenden Grundstücksgemeinschaft (altes Kaufhaus), sondern auch im Verhältnis zu der aus Frau B und U bestehenden Grundstücksgesellschaft (neues Kaufhaus), der Klägerin. Frau B und U seien zwar an der GmbH nicht mehrheitlich beteiligt. Die Personengruppe B, Frau B und U sei aber wegen des gegenseitigen Aufeinanderangewiesenseins, wie dies in der wirtschaftlich allein sinnvollen einheitlichen Nutzung beider Gebäude zum Ausdruck komme, eine Personengruppe mit einheitlichen Interessen, die beide Unternehmen beherrsche. Die Klägerin sei daher gewerbesteuerpflichtig. Auf dieser Grundlage erließ das FA Gewerbesteuermeßbescheide für die Klägerin für die Streitjahre 1973 bis 1975.

Den Einspruch wies das FA zurück.

Mit der Klage machte die Klägerin in erster Linie geltend, zwischen ihr und der GmbH bestehe kein einheitlicher geschäftlicher Betätigungswille, weil Frau B und U an der GmbH nicht mehrheitlich beteiligt seien; die Anteile des Ehemannes B müßten insoweit außer Betracht bleiben, weil Frau B stimmenmäßig an der GmbH überhaupt nicht beteiligt und eine Zusammenrechnung sog. Nullbeteiligungen von Ehegatten nach herrschender Meinung unzulässig sei.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab, da sowohl die sachlichen wie die persönlichen Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung erfüllt seien. Bei den Familienangehörigen B handle es sich um eine durch gleichgerichtete Interessen vereinigte Personengruppe, die gemeinschaftlich über beide Besitzunternehmen verfüge und zusammen auch die Mehrheit an der Betriebs-GmbH besitze.

Mit der Revision beantragt die Klägerin, das angefochtene Urteil, die Einspruchsentscheidung und die Gewerbesteuermeßbescheide 1973 bis 1975 aufzuheben. Die Klägerin rügt Verletzung materiellen Rechts.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

1. Wird ein Grundstück an eine Kapitalgesellschaft vermietet oder verpachtet, so ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) das Vermieten oder Verpachten keine private Vermögensverwaltung i. S. von § 9 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV), sondern eine gewerbliche Betätigung i. S. von § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG), wenn das Grundstück im Rahmen einer Betriebsaufspaltung vermietet oder verpachtet wird und demgemäß keine echte Fremdvermietung oder Fremdverpachtung vorliegt.

Tatbestandliche Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung sind eine enge sachliche und personelle Verflechtung zwischen der Kapitalgesellschaft, an die das Grundstück vermietet oder verpachtet ist (Betriebskapitalgesellschaft), und den Personen, die das Grundstück vermietet oder verpachtet haben (Besitzunternehmen).

Eine enge sachliche Verflechtung liegt vor, wenn das vermietete (verpachtete) Grundstück zu den wesentlichen Betriebsgrundlagen des von der Kapitalgesellschaft betriebenen gewerblichen Unternehmens gehört, insbesondere für deren Betriebsführung wirtschaftliches Gewicht besitzt.

Eine enge personelle Verflechtung ist gegeben, wenn die hinter dem Besitzunternehmen und der Betriebskapitalgesellschaft stehenden natürlichen Personen "einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben" (grundlegend BFH-Beschluß vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, 444, BStBl II 1972, 63). Dieser einheitliche geschäftliche Betätigungswille tritt am klarsten bei Beteiligungsidentität zutage, d. h., wenn "an beiden Unternehmen dieselben Personen im gleichen Verhältnis beteiligt sind". Er kann aber auch bei Beherrschungsidentität vorhanden sein, d. h., wenn "die Personen, die das Besitzunternehmen tatsächlich beherrschen, in der Lage sind, auch in der Betriebskapitalgesellschaft ihren Willen durchsetzen" (BFHE 103, 440, 444, BStBl II 1972, 63).

2. Wie der Senat mehrfach entschieden hat, sind die Personen, die das Besitzunternehmen beherrschen, in der Regel dann in der Lage, ihren Willen in der Betriebsgesellschaft durchzusetzen (mit der Folge, daß ein einheitlicher geschäftlicher Betätigungswille der hinter den beiden Unternehmen stehenden Personen zu bejahen ist), wenn sie kraft ihrer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung an der Betriebskapitalgesellschaft bei dieser über die Stimmenmehrheit verfügen, weil in diesem Falle das Gesellschaftsrecht den das Besitzunternehmen beherrschenden Personen die Möglichkeit vermittelt, auch bei der Betriebsgesellschaft ihren geschäftlichen Betätigungswillen im gewünschten Umfang zur Geltung zu bringen (z. B. BFH-Urteil vom 26. Juli 1984 IV R 11/81, BFHE 141, 536, 538, BStBl II 1984, 714, m. w. N.). Hierbei ist nach dem grundlegenden Urteil des Senats vom 2. August 1972 IV 87/65 (BFHE 106, 325, BStBl II 1972, 796) davon auszugehen, daß die Personen, die an beiden Unternehmen beteiligt sind, eine durch gleichgerichtete Interessen geschlossene Personengruppe darstellen, die in der Lage ist, beide Unternehmen zu beherrschen, "wenn ihr in beiden die Mehrheit der Anteile gehört".

3. Im Streitfall kann nicht zweifelhaft sein, daß das von der Klägerin an die GmbH vermietete Grundstück Y-Straße für das von der GmbH betriebene Kaufhaus zwar nicht die einzige, aber doch eine von mehreren wesentlichen Betriebsgrundlagen bildet und demgemäß zwischen der Klägerin und der GmbH eine enge sachliche Verflechtung im Sinne der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung besteht.

4. Der Senat kann jedoch bei der gebotenen Berücksichtigung der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zur Betriebsaufspaltung (Beschluß vom 12. März 1985 1 BvR 571/81, 1 BvR 494/82 und 1 BvR 47/83, BStBl II 1985, 475) der Vorentscheidung nicht darin folgen, daß ein einheitlicher geschäftlicher Betätigungswille der hinter der Klägerin und der GmbH stehenden natürlichen Personen, nämlich einerseits Frau B und U und andererseits B, Frau B, U und St, zu bejahen ist und demgemäß zwischen der Klägerin und der GmbH auch eine enge personelle Verflechtung im Sinne der tatbestandlichen Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung besteht.

a) Eigentümer des an die GmbH vermieteten Grundstücks Y-Straße sind allein Frau B und ihr Neffe und Adoptivsohn U in GbR zu je 1/2. Frau B und U sind auch an der GmbH beteiligt; sie bilden daher insoweit eine "durch gleichgerichtete Interessen geschlossene Personengruppe" im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung. Diese Personengruppe ist aber - ungeachtet dessen, daß Frau B die Stimmrechte aus ihren Geschäftsanteilen an der GmbH ohnehin an ihren Ehemann B, wenn auch widerruflich, "abgetreten" hat - schon deshalb nicht in der Lage, ihren einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen in der GmbH gegen die eventuell andersartigen Vorstellungen der übrigen GmbH- Gesellschafter mit den rechtlichen Möglichkeiten, die das Gesellschaftsrecht vermittelt, durchzusetzen, weil Frau B und U an der GmbH nur zu je 25. v. H., zusammen also nicht mehrheitlich beteiligt sind.

b) Im Hinblick auf die zitierte Entscheidung des BVerfG ist es auch nicht möglich, die vierzigprozentige Beteiligung des B an der GmbH der Frau B wie eine eigene zusätzliche vierzigprozentige Beteiligung mit der Begründung zuzurechnen, es sei zu vermuten, daß Frau B und B als Ehegatten stets gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen verfolgten. Besondere konkrete Umstände, die ausnahmsweise eine solche Zurechnung rechtfertigten, sind nicht festgestellt.

c) FG und FA sehen die die Annahme eines einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens der Klägerin und der GmbH rechtfertigenden Besonderheiten des Streitfalls darin,

aa) daß die GmbH ihr Kaufhaus in den Streitjahren als Organisationseinheit nicht nur auf dem von der Klägerin gemieteten Grundstück, sondern auch auf dem unmittelbar angrenzenden Grundstück X-Straße betrieben hat,

bb) daß B und U Miteigentümer dieses Grundstücks zu je 1/2 sind und demgemäß im Verhältnis zwischen B und U als Miteigentümer des Grundstücks X-Straße und der GmbH die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung erfüllt sind, weil B und U zusammen mit 65 v. H. an der GmbH beteiligt sind und diese deshalb als "durch gleichgerichtete Interessen geschlossene Personengruppe" zu beherrschen in der Lage sind und

cc) B, Frau B und U Familienangehörige sind.

Dem vermag der Senat nicht zuletzt mit Rücksicht darauf, daß an die personelle Verflechtung als tatbestandliche Voraussetzung einer Betriebsaufspaltung "strenge Anforderungen" zu stellen sind (BFHE 103, 440, 444, BStBl II 1972, 63), nicht zu folgen.

Der Umstand, daß Frau B und B miteinander verheiratet und U ihr volljähriger Neffe und Adoptivsohn ist, muß bei Beurteilung der Frage, ob die hinter der Klägerin stehende Personengruppe "Frau B und U" einerseits und die GmbH-Gesellschafter andererseits einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben, aus verfassungsrechtlichen Gründen grundsätzlich außer Betracht bleiben. Unterstellt man aber, daß B, Frau B und U wie nicht familiär miteinander verbundene Personen handeln können und danach zu beurteilen sind, so muß ausschlaggebend bleiben, daß Frau B und U weder allein noch gemeinsam in der Lage sind, ihren geschäftlichen Betätigungswillen als Eigentümer des ihnen in GbR gehörenden Grundstücks Y-Straße in der GmbH gegen den Willen der übrigen Gesellschafter durchzusetzen. Daß U zusammen mit B Miteigentümer des anderen von der GmbH genutzten Grundstücks ist und zusammen mit B die GmbH beherrschen kann, vermag nicht zu rechtfertigen, in dieses Beherrschungsverhältnis auch Frau B und damit auch die Klägerin einzubeziehen.

Es mag zutreffen, daß B, Frau B und U nicht nur durch familiäre, sondern auch durch gemeinsame geschäftliche Interessen verbunden sind. Diese geschäftlichen Interessen müssen aber im Hinblick darauf, daß die GmbH zwei Grundstücke betrieblich nutzt und an diesen Grundstücken und an der GmbH unterschiedliche Beteiligungsverhältnisse bestehen, nicht schlechthin und ausnahmslos gleichlaufend sein.

U vermag seine Vorstellungen über die geschäftliche Betätigung der GmbH bei dieser nur im Zusammenwirken mit B und damit nur dann durchzusetzen, wenn diese Vorstellungen denen des B entsprechen, nicht jedoch nur im Zusammenwirken mit Frau B und damit dann nicht, wenn diese zwar den Vorstellungen von Frau B entsprechen, zwischen Frau B und B aber Meinungsverschiedenheiten bestehen. Danach ist es geboten, die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung zwar im Verhältnis der GmbH zu B und U als Miteigentümer des Grundstücks X-Straße zu bejahen, nicht aber auch im Verhältnis der GmbH zu Frau B und U als Eigentümer des Grundstücks Y-Straße in GbR.

5. Im vorliegenden Verfahren ist nicht darüber zu befinden,

a) ob etwa der Anteil des U am Gesellschaftsvermögen der Klägerin als Sonderbetriebsvermögen des U in seiner Eigenschaft als Mitunternehmer des aus B und U bestehenden Besitzunternehmens altes Kaufhaus zu werten ist, oder

b) ob zwischen B, Frau B und U konkludent ein Gesellschaftsvertrag zustande gekommen ist, der die Vermietung beider Grundstücke durch die Gesellschafter an die GmbH zum Gegenstand hat und der demgemäß eine aus B, Frau B und U bestehende Personenvereinigung als Besitzunternehmen im Verhältnis zur GmbH erscheinen ließe.

Danach war die Klägerin in den Streitjahren nicht gewerblich tätig.