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BFH-Beschluß vom 21.4.1986 (IV R 190/85) BStBl. 1986 II S. 568

Verfahrensmängel, die eine zulassungsfreie Revision eröffnen (§ 116 Abs. 1 FGO), sind nur dann ordnungsgemäß gerügt, wenn die zu ihrer Begründung angeführten Tatsachen schlüssig vorgetragen sind. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt, wenn der Kläger rügt, das angefochtene Urteil sei auf einen Erörterungstermin ergangen, bei dem die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden seien.

FGO § 79, § 116 Abs. 1 Nr. 4.

Vorinstanz: Hessisches FG

Sachverhalt

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreiben als Rechtsanwälte gemeinsam eine Praxis und ermitteln ihren Gewinn aus freiberuflicher Tätigkeit durch Einnahmeüberschußrechnung. Nachdem für das Streitjahr 1976 ein Gewinnfeststellungsbescheid erklärungsgemäß ergangen war, führten Ermittlungen des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) zu einer Änderung dieses bestandskräftigen Bescheides. Das FA erfaßte die Einnahmen aus dem Verkauf eines Gebrauchtwagens und erhöhte den Gewinn aus selbständiger Arbeit um 5.000 DM. Auch dieser geänderte Gewinnfeststellungsbescheid vom 1. November 1982 wurde bestandskräftig.

Mit Schreiben vom 24. August 1984 machten die Kläger die Nichtigkeit dieses Gewinnfeststellungsbescheides geltend und beantragten dessen Aufhebung. Das FA lehnte dies ab und wies auch den dagegen erhobenen Einspruch zurück.

Während des Klageverfahrens führte der Berichterstatter des Finanzgerichts (FG) am 23. September 1985 im Gebäude des FA D einen Erörterungstermin durch, zu dem die Beteiligten geladen waren; für die Kläger war der Kläger zu 1 erschienen. Die Sach- und Rechtslage wurde erörtert; die Beteiligten verzichteten auf mündliche Verhandlung. Nachdem die Kläger zu dem Erörterungstermin schriftlich Stellung genommen hatten, erging das klageabweisende Urteil ohne mündliche Verhandlung.

Dagegen richtet sich die Revision, mit der die Kläger die Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens gemäß §§ 116, 52 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 169 des Gerichtsverfassungsgesetzes (GVG) rügen. Der Verhandlungsraum des FA D, in dem der Erörterungstermin stattgefunden habe, sei nicht jedem beliebigen Zuhörer Zugänglich gewesen, weil es an einer Hinweistafel gefehlt habe.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil, die Einspruchsentscheidung vom 27. Dezember 1984 und den geänderten Gewinnfeststellungsbescheid 1976 vom 1. November 1982 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unzulässig.

Gegen das Urteil des FG steht den Beteiligten die Revision zu, wenn das FG oder der Bundesfinanzhof (BFH) sie zugelassen haben (§ 115 Abs. 1 FGO i. V. m. Art. 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFH-EntlG - i. d. F. des Gesetzes zur Beschleunigung verwaltungsgerichtlicher und finanzgerichtlicher Verfahren vom 4. Juli 1985, BGBl I, 1274, BStBl I, 496). Einer Zulassung der Revision bedarf es nicht, wenn einer der in § 116 Abs. 1 FGO genannten Verfahrensmängel gerügt wird. Im Streitfall ist keine dieser Voraussetzungen erfüllt.

Die Revision ist weder vom FG noch vom BFH zugelassen worden.

Sie ist auch nicht ohne Zulassung nach § 116 Abs. 1 FGO statthaft. Zwar haben die Kläger die Verletzung der Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens gerügt und damit einen Verfahrensmangel nach § 116 Abs. 1 Nr. 4 FGO geltend gemacht. Verfahrensmängel i. S. von § 116 Abs. 1 FGO sind jedoch nur dann ordnungsgemäß gerügt, wenn die zur Begründung vorgetragenen Tatsachen, ihre Richtigkeit unterstellt, die Mängel ergeben, d. h. wenn sie schlüssig vorgetragen sind (vgl. Beschluß des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. März 1982 9 CB 1076/81, Neue Juristische Wochenschrift 1982, 2274, betreffend die dem § 116 Abs. 1 FGO vergleichbare Vorschrift des § 133 der Verwaltungsgerichtsordnung; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 116 FGO Anm. 23; Kopp, Verwaltungsgerichtsordnung, 6. Aufl., 1984, § 133 Anm. 1). Dies ist im Streitfall nicht geschehen.

Die Kläger rügen, das Urteil sei auf eine Verhandlung am 23. September 1985 hin ergangen, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden seien. Diese Verhandlung war jedoch keine mündliche Verhandlung vor dem erkennenden Senat des FG, wie sie in § 116 Abs. 1 Nr. 4 FGO vorausgesetzt wird, sondern ein Erörterungstermin (§ 79 Satz 2 FGO) vor dem Berichterstatter des FG; ein solcher Erörterungstermin dient - wie sich aus dem Sinnzusammenhang mit § 79 Satz 1 FGO ergibt - der Vorbereitung einer mündlichen Verhandlung und kann daher auch nicht einer mündlichen Verhandlung gleichgestellt werden.

In diesem Erörterungstermin haben die Kläger zudem ihren Verzicht auf eine mündliche Verhandlung erklärt. Damit haben sie zum Ausdruck gebracht, daß das Klageverfahren nach Maßgabe des § 90 Abs. 2 FGO durchgeführt werden sollte. Mit dem Verzicht auf ein Verfahren in mündlicher Verhandlung vor dem FG war zugleich ein Verzicht auf Herstellung der Öffentlichkeit im gesamten Verfahren verbunden und des weiteren auch ein Verzicht auf die Rüge i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 4 FGO.