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BFH-Urteil vom 18.2.1986 (VIII R 125/85) BStBl. 1986 II S. 611

Der VIII. Senat schließt sich in der Beurteilung besonderer Umstände, die es in Fällen der Betriebsaufspaltung rechtfertigen, die Anteile von Ehegatten an einem Unternehmen zusammenzurechnen, der Rechtsauffassung des I. Senats (Urteil vom 27. November 1985 I R 115/85, BFHE 145, 221) an.

GewStG § 2 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Nürnberg

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist Eigentümerin eines mit einer Fabrikhalle und Anbauten bebauten Grundstücks, das seit 1950 an eine GmbH vermietet ist, die auf dem Grundstück eine Porzellanfabrik betreibt.

An der GmbH waren in den Streitjahren - seit 1966 - bis zum 25. November 1971 die Klägerin und ihr Ehemann mit je 31,5 v. H. sowie deren volljähriger Sohn mit 37 v. H. des Stammkapitals beteiligt. Seit dem 25. November 1971 halten die Klägerin und ihr Ehemann nur noch je 2 v. H. der Gesellschaftsanteile. Die Klägerin war und ist Prokuristin der GmbH, ihr Ehemann war in den Streitjahren Geschäftsführer, der Sohn war bis April 1968 Prokurist, seitdem ist er weiterer Geschäftsführer.

Nach dem Gesellschaftsvertrag der GmbH waren in der seit dem 4. April 1960 maßgebenden Fassung Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Mehrheit zu fassen. Nach der seit dem 25. November 1971 maßgebenden Fassung bedarf die Geschäftsführung der Zustimmung sämtlicher Gesellschafter bei "Abschluß, Aufhebung und Kündigung von Mietverträgen, soweit es sich nicht um die An- und Vermietung von Betriebswohnungen handelt".

Nach einer Betriebsprüfung bei der GmbH nahm der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) für die Zeit ab 1965 eine unechte Betriebsaufspaltung mit einem Besitzunternehmen der Klägerin und einem Betriebsunternehmen der GmbH an und sah in der Vermietung des Fabrikgrundstücks durch die Klägerin an die GmbH einen Gewerbebetrieb. Nach einem entsprechenden Hinweis mit Schreiben vom 29. Juni 1971 erließ das FA erstmalige Gewerbesteuermeßbescheide für 1966 bis 1971. Der Einspruch hiergegen hatte nur zum Teil Erfolg.

Der Klage, mit der sich die Klägerin gegen die "rückwirkende" Annahme eines Gewerbebetriebs bei Betriebsaufspaltung wandte, gab das Finanzgericht (FG) mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1979, 37 veröffentlichten Urteil statt.

Die Revision des FA hatte Erfolg. Durch Urteil vom 24. Februar 1981 VIII R 159/78 (BFHE 132, 472, BStBl II 1981, 379) hob der Bundesfinanzhof (BFH) die Vorentscheidung auf und verwies die Streitsache an das FG zurück.

Im zweiten Rechtsgang wies das FG die Klage durch Urteil vom 24. Februar 1982 V 122/81 ab. Das FG sah in der Vermietung des Fabrikgrundstücks durch die Klägerin einen Gewerbebetrieb. Die sachlichen und personellen Voraussetzungen für die Annahme eines Gewerbebetriebs bei Betriebsaufspaltung seien gegeben. Die Klägerin habe eine wesentliche Betriebsgrundlage an die GmbH vermietet. Sie habe auch die GmbH beherrscht. Die Anteile der Ehegatten an der GmbH seien zusammenzurechnen, denn die Vermutung eines gleichgerichteten Handelns mit ihrem Ehemann habe sie nicht widerlegen können.

Auf die Verfassungsbeschwerde der Klägerin hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluß vom 12. März 1985 1 BvR 571/81, 1 BvR 494/82, 1 BvR 47/83 (BVerfGE 69, 188, BStBl II 1985, 475) die Entscheidung des BFH in BFHE 132, 472, BStBl II 1981, 379 sowie das Urteil des FG Nürnberg vom 24. Februar 1982 V 122/81 aufgehoben und die Sache an den BFH zurückverwiesen. Dazu wurde ausgeführt, die Fortentwicklung der Rechtsprechung des BFH zur Betriebsaufspaltung verstoße zwar nicht gegen Art. 20 des Grundgesetzes (GG). Unvereinbar mit Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 6 Abs. 1 GG sei es aber, wenn bei der Beurteilung der personellen Verflechtung zwischen Besitz- und Betriebsunternehmen als Voraussetzung für die Annahme einer Betriebsaufspaltung von der - wenn auch widerlegbaren - Vermutung ausgegangen werde, Ehegatten verfolgten gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen. Ehegatten dürften im Vergleich zu Ledigen steuerlich nicht schlechtergestellt werden. Die Finanzbehörde trage die Beweislast für die Tatsachen, die den Steueranspruch begründeten. Die konkreten Umstände des Einzelfalls könnten es allerdings rechtfertigen, Anteile der Ehefrau an einem Unternehmen des Ehemanns diesem wie eigene Anteile zuzurechnen.

Die Verfahrensbeteiligten haben sich erneut in dem beim BFH anhängigen Verfahren geäußert.

Das FA macht geltend, hinsichtlich der Frage einer personellen Verflechtung sei von gleichgerichteten wirtschaftlichen Interessen der Klägerin und ihres Ehemanns in der GmbH auszugehen. Die Klägerin habe die unternehmerischen Entscheidungen des geschäftsführenden Ehemanns immer akzeptiert. In den Gesellschafterversammlungen habe es keine Interessengegensätze gegeben. Das Verhältnis zwischen dem Besitzunternehmen und dem Betriebsunternehmen sei konfliktfrei gewesen. Für gleichgerichtete Interessen sprächen auch die Satzungsvorschriften der GmbH über die Beschlußfassung bei der Kündigung von Mietverhältnissen; danach hätten die Ehegatten zusammenwirken müssen.

In der "rückwirkenden" Annahme eines Gewerbebetriebs der Klägerin bei Erlaß der Gewerbesteuermeßbescheide liege kein Verstoß gegen Treu und Glauben.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung vom 2. August 1978 aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Streitsache an das FG.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Die Klägerin macht geltend, die Rechtsprechung des BFH zur Betriebsaufspaltung sei bedenklich im Hinblick auf den Beschluß des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751). Hiervon abgesehen, habe im Streitfall auch keine personelle Verflechtung im Sinne der bisherigen Rechtsprechung bestanden. Die Klägerin habe die GmbH nicht beherrschen können, weil für Entscheidungen über Mietverhältnisse einstimmige Beschlußfassung in der Gesellschaft erforderlich gewesen sei und die Klägerin außerdem einem Stimmrechtsausschluß nach § 47 Abs. 4 Satz 2 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) unterlegen habe. Es fehlten auch Umstände zur Annahme einer faktischen Beherrschung der GmbH durch die Klägerin.

Entscheidungsgründe

Die Revision des FA ist unbegründet.

Rechtlich zutreffend ist das FG in seinem Urteil vom 2. August 1978 V 155/76 zu dem Ergebnis gelangt, daß die Vermietung des Grundstücks durch die Klägerin kein Gewerbebetrieb war, der der Gewerbesteuerpflicht unterliegt (§ 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG - i. V. m. § 15 Nr. 1 Satz 1 - Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 - des Einkommensteuergesetzes - EStG - in den für die Streitjahre maßgebenden Fassungen).

1. Die bloße Vermietung und Verpachtung von Grundstücken ist grundsätzlich Vermögensverwaltung und kein Gewerbebetrieb. Etwas anderes gilt nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) und des BFH zur Betriebsaufspaltung (Beschluß des BFH vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63) dann, wenn die von einer Einzelperson, einer Gemeinschaft oder einer Personengesellschaft betriebene Vermietung oder Verpachtung (Besitzunternehmen) die Nutzungsüberlassung einer wesentlichen Betriebsgrundlage an eine gewerblich tätige Personengesellschaft oder Kapitalgesellschaft (Betriebsgesellschaft) zum Gegenstand hat - sachliche Verflechtung - und eine Person oder mehrere Personen zusammen (Personengruppe) sowohl das Besitzunternehmen als auch die Betriebsgesellschaft in dem Sinne beherrschen, daß sie in der Lage sind, in beiden Unternehmen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen durchzusetzen - personelle Verflechtung -. Liegen die Voraussetzungen einer sachlichen und personellen Verflechtung vor, so ist die Vermietung und Verpachtung keine Vermögensverwaltung mehr, sondern eine gewerbliche Vermietung und Verpachtung; das Besitzunternehmen ist ein Gewerbebetrieb. Diese Rechtsprechung des BFH ist, wie der Senat in seinem Urteil vom 12. November 1985 VIII R 240/81 (BStBl II 1986, 296) im einzelnen ausgeführt hat, mit dem Beschluß des Großen Senats des BFH in BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751 vereinbar.

2. Daß im Streitfall die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung mit der Rechtsfolge eines Gewerbebetriebs der Klägerin mangels einer personellen Verflechtung zwischen Besitzunternehmen und Betriebsgesellschaft nicht erfüllt sind, hat das FG zu Recht angenommen. Die Klägerin als Inhaberin des Besitzunternehmens war nicht in der Lage, auch in der Betriebsgesellschaft - der GmbH - ihren Willen durchzusetzen.

Für die Durchsetzung des Willens in einem Unternehmen ist grundsätzlich der Besitz der Mehrheit der Anteile erforderlich (BFH-Urteil vom 28. November 1979 I R 141/75, BFHE 129, 279, BStBl II 1980, 162). Im Streitfall fehlt es an diesen Voraussetzungen.

Wenn das FG eine Beherrschung der GmbH als der Betriebsgesellschaft durch die Klägerin infolge der Stimmrechtsverhältnisse verneint hat, so ist dies nicht zu beanstanden.

Die Rechtsmeinung des FG, eine Zusammenrechnung von Stimmen der Klägerin und ihres ebenfalls an der GmbH beteiligten Ehemanns dürfe nicht allein auf eine - wenn auch widerlegbare - Vermutung gestützt werden, Ehegatten verfolgten gleichgerichtete wirtschaftliche Interessen, entspricht der Entscheidung des BVerfG in dem vorliegenden Verfahren (BVerfGE 69, 188, BStBl II 1985, 475). Wie in den Gründen dieser Entscheidung des BVerfG ausgeführt ist, darf auf diese Vermutung nicht mehr zurückgegriffen werden. Eine Zusammenrechnung von Anteilen der Eheleute ist nur dann gerechtfertigt, wenn hierfür konkrete Umstände vorliegen. Es müssen zusätzlich zur ehelichen Lebensgemeinschaft Beweisanzeichen gegeben sein, die für die Annahme einer personellen Verflechtung durch gleichgerichtete Interessen sprechen.

Das gegen die Vorentscheidung gerichtete Revisionsvorbringen des FA führt zu keiner anderen Beurteilung.

Nach dem Urteil des I. Senats des BFH vom 27. November 1985 I R 115/85 (BFHE 145, 221) sind als besondere Umstände, die es rechtfertigen, die Anteile eines Ehegatten an einem Unternehmen denen des anderen Ehegatten zuzurechnen, nicht anzusehen,

- jahrelanges konfliktfreies Zusammenwirken der Eheleute innerhalb der Gesellschaft,

- "Gepräge" der Betriebsgesellschaft durch den Ehemann, d. h. der Ehemann führt die Geschäfte und verfügt über die erforderlichen Sachkenntnisse,

- Geschäftsführung in dem Betriebsunternehmen.

Von dieser Art sind die vom FA vorgebrachten Umstände, daß in der Betriebsgesellschaft konfliktfreie Zustände geherrscht hätten und die Entscheidungen des geschäftsführenden Ehemannes akzeptiert worden seien.

Entgegen der Meinung des FA läßt sich aus den jeweiligen Formulierungen des Gesellschaftsvertrags der GmbH über die Art der Beschlußfassung bei der Auflösung von Mietverhältnissen nichts für gleichgerichtete Interessen der Eheleute entnehmen. Wenn danach nur bei gemeinsamem Handeln der Eheleute bestimmte Mietverhältnisse gekündigt werden konnten, so zwingt dies nicht zu dem Schluß, daß die Eheleute in der GmbH auch in allen anderen Geschäften des täglichen Lebens nur gemeinsam gehandelt hätten.